6 Tage, 450 km, 12.000 Höhenmeter. Allesandor und Veronika stürzen sich kopfüber in die brutalen Stages des Andalucia Bike Race. Und erleben auf ihrem Weg mehr als nur ein Abenteuer.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust, immer schneller und schneller, und das aufgeregte Schreien des spanischen Kommentators, das in meinen Ohren dröhnte, machte es nicht gerade besser. Wenn ich die Augen zusammenkniff, konnte ich gerade so die Spitze des Starterfelds erkennen, in dem ich mich befand.
[emaillocker id=132051]Irgendwie war ich aus dem deutschen Winter herausgepickt worden und fand mich im Sattel des Exceed wieder, der neuen XC-Waffe von Canyon, am Start des Andalucia Bike Race. Vor mir und meiner Partnerin Veronika lagen sechs strapaziöse, schmerzensreiche Tage, 450 km abwechslungsreiches Terrain und schwindelerregende 12.000 m Anstieg. Benebelt von Adrenalin und Lärm sah ich, wie sich die Spitze des Feldes am Start löste, ein paar Augenblicke später begann es um mich herum, sich zu bewegen. Nach dem anfänglichen Kampf um Schwung stieg das Tempo rapide an, während wir wie durch einen Trichter aus der Startaufstellung hinaus auf die Straße fuhren.
Schmerzen, Leid und Selbstzweifel. Erleichterung, Freude, und ungezügelte Befriedigung. Meine Gefühle schienen genauso wechselhaft wie die andalusische Rennstrecke, von der alten römischen Brücke in Córdoba bis zu den endlosen Reihen von Olivenhainen. Ich hatte keine großen Erwartungen an das Rennen, ich wollte einfach nur überleben und am Freitagnachmittag über die Ziellinie fahren. Das tat ich schließlich auch – doch bis dahin lagen noch einige Abenteuer vor uns.
Wie viele andere auch, hatte mich das Enduro-Racing gepackt und ich war eher an die „entspannten“ ungezeiteten Transfers und Vollgas-Abfahrten gewohnt, das Ganze über ein oder zwei Tage verteilt. Und vielleicht hatte ich wirklich ein abgedroschenes Bild von der XC-Racing-Szene: Lycra, rasierte Beine, 100 mm Federweg und Racer, deren Vorstellung von „Vergnügen“ eher fragwürdig ist.
Jetzt fühlte ich mich wie „dieser Typ“, ihr wisst schon – der Kerl, der das ganze teure Zeug, aber überhaupt keine Ahnung hat. Canyon hatte uns eingeladen, das Exceed Hardtail auszuprobieren, und uns stand ein Team von Mechanikern und anderem Personal zur Verfügung, wie bei den Profis! Das Bike war großartig und schrie förmlich danach, weiter herausgefordert zu werden, doch leider waren die Grenzen meines Talents vor denen des Bikes erreicht. In Kombination mit der RockShox RS1 wurde das Exceed zu einer Rakete und reagierte präzise und direkt auf jeden Input.
Das Rennen war superkrass, über sechs Tage hinweg ließ die Intensität fast nie nach. Die Anstiege waren hart, steil und erbarmungslos. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mich jemals auf ein Stück flache Straße freuen würde … Die Abfahrten waren erstaunlich technisch und verlangten permanente Konzentration. Vielleicht überraschte mich das am meisten: Dass es den Veranstaltern gelungen war, trotz der ungeheuren Distanzen über alle Arten von Gelände den Großteil der Etappen auf unglaublichen Singletrails verlaufen zu lassen.
Der wirkliche Tiefpunkt kam an Tag drei, und er traf uns mental genauso hart wie mein Körper den Boden. Ich war in einer harmlos wirkenden Kurve etwas zu schnell und das Bike wurde unter mir vom losen Schotter weggespült. Mir ging’s gut, doch beim Über-die-Straße-Schliddern war das Schaltwerk vom Bike abgerissen. Game over. Niedergeschlagen warteten wir darauf, dass jemand vom Team kam, um uns abzuholen. Am nächsten Tag würden wir wieder mit gestärkter Motivation ins Rennen gehen.
In den letzten drei Stages schnitten wir konstant gut ab, als fünfzehnte, sechzehnte und vierzehnte. Doch nach 2 km auf der letzten Stage überkam uns wieder dieses Gefühl von Hoffnungslosigkeit, ausgelöst durch das Zischen der Luft, die aus Veronikas Hinterreifen entwich. Wir standen da wie versteinert, während das gesamte Feld an uns vorüberrollte … Nach einem Formel-1-würdigen Reifenwechsel und mit brennender Entschlossenheit entfesselten wir auf der letzten Stage all unsere Kräfte und zogen an Fahrern auf der Linken, auf der Rechten und in der Mitte vorbei. Der Himmel war den Tag über immer dunkler geworden, und schließlich öffnete er sich und ein Unwetter biblischen Ausmaßes brach über uns herein und verlieh dem Ganzen noch das gewisse Etwas!
Das überwältigende Gefühl von Erleichterung und Befriedigung, als wir unterm Zielbogen hindurchrollten, ist kaum zu beschreiben. Ein Blick zu Veronika und ein High Five entlockten unseren ausgetrockneten und sichtlich mitgenommenen Gesichtern ein schiefes Grinsen. Völlig durchnässt, erschöpft und mit Gliedmaßen, die sich wie Pudding anfühlten, schaufelte ich mir die im Ziel ausliegenden Süßigkeiten rein.
Ich musste mich allerdings ein wenig in Demut üben, als ich die Zeiten der Top-Racer sah. Sagen wir einfach: Es lagen mehrere Stunden zwischen uns. So heroisch ich mich auch dafür fühlte, dass ich es überhaupt über die Ziellinie geschafft hatte – die stählerne Entschlossenheit und unerreichte Hingabe der Jungs und Mädels an der Spitze war, um das Mindeste zu sagen, inspirierend. Sie öffnete mir die Augen und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich war unbedarft in dieses Rennen reingeschlendert und auf die harte Tour zur Besinnung gekommen. Aber jetzt kann ich sagen: Das Andalucia Bike Race hat mich einmal durchgekaut und wieder ausgespuckt. Und es war großartig!
[/emaillocker]Text: Allesandro Sepp/Ross Bell Bilder: Ross Bell
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