Die Zeit rennt und das Rocky Mountain Thunderbolt BC Edition fliegt unter der Führung unseres Dauertesters Andi nun auch schon seit vier Monaten über die Trails. Mehr als genügend Zeit, um ein Zwischenfazit zu ziehen und zu bewerten, ob das Thunderbolt seinen stolzen Preis von 6.500 € wert ist.

Trails, Trails, Trails – die Thunderbolt BC-Rakete in ihrem angestammten Terrain.
Trails, Trails, Trails – die Thunderbolt BC-Rakete in ihrem angestammten Terrain.

Ich kann mich noch sehr gut an die ersten Kilometer mit dem Thunderbolt BC Edition erinnern und an den Eindruck, den es hinterlassen hat: Alter Schwede, was eine Rakete! 1.800 km Waldwege, Trails und Alpenexkursionen später hat sich daran nicht viel geändert. Egal ob stur geradeaus die endlose Schotterpiste hochkämpfen, den schnellen Flowtrail entlangsurfen oder den verblocktesten Alpenpfad hinunterstolpern – das Bike fühlt sich trotz nicht allzuviel Federweg irgendwie immer nach Spaß an.


Nach 1.800 km wird es Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Wie hat sich das Thunderbolt in der BC Edition wohl geschlagen?
Nach 1.800 km wird es Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Wie hat sich das Thunderbolt in der BC Edition wohl geschlagen?

Ausstattung

Die Trails im kanadischen British Columbia sind legendär und fordernd – für Mensch und Bike. Kein Wunder also, dass die Komponentenwahl der Rocky Mountain BC Edition voll auf harten Traileinsatz getrimmt ist und nur bewährteste und sinnvolle, stabile Teile verbaut. Eine ausführliche Vorstellung dieser hervorragenden Ausstattung findet ihr hier und ehrlich gesagt lässt sich darüber auch nicht viel berichten. Das Race Face-Cockpit hat mit seinem 50-mm-Vorbau und dem 760 mm breiten Lenker die für mich perfekten Abmessungen und auch Kurbelarmlänge und Hub der Sattelstütze sind genau richtig. An dieser zeigte sich nach ca. 500 km leider etwas seitliches Spiel – was allerdings weder stärker geworden noch beim Fahren spürbar ist. Schaltung, Bremsen und Fahrwerk funktionieren nach wie vor tadellos, lediglich die PIKE nähert sich so langsam ihrem Serviceintervall. Die Stan’s-Laufräder laufen noch perfekt gerade, die Lager spielfrei und selbst die Felgen sind noch ohne Dellen.

Bei Sattel und Griffen hat jeder individuelle Bedürfnisse und so wurden die Werkskomponenten gegen für mich passende getauscht – MORGAW Trian-Sattel und 66sick AA-Griffe.
Bei Sattel und Griffen hat jeder individuelle Bedürfnisse und so wurden die Werkskomponenten gegen für mich passende getauscht – MORGAW Trian-Sattel und 66sick AA-Griffe.

So wurden nur die Kontaktpunkte wie Sattel und Griffe auf meine bevorzugten Komponenten angepasst und für mehr Grip, vor allem auf alpinen Trails, wurden außerdem die Reifen getauscht. Hier bin ich Rocky Mountains Marke der Wahl Maxxis treu geblieben und habe die an sich ziemlich guten, aber eher mittelmäßig profilierten Ardents gegen die aggressivere Kombination aus Minion DHR II hinten und Highroller II vorn getauscht. Dank EXO-Karkassen, Tubeless-Montage und den bewährten ZTR Flow EX-Felgen konnte ich bisher keinen einzigen Platten verzeichnen – so muss das sein!

Kleine Anpassungen mit großem Effekt: Der Spritzschutz ist Gold wert, die Schutzfolie am Rahmen mindert den Steinschlag etwas ab und die Reifenkombi aus Highroller II und DHR II erweitert das Einsatzgebiet deutlich.
Kleine Anpassungen mit großem Effekt: Der Spritzschutz ist Gold wert, die Schutzfolie am Rahmen mindert den Steinschlag etwas ab und die Reifenkombi aus Highroller II und DHR II erweitert das Einsatzgebiet deutlich.

Geometrie

Einen Extraabsatz verdient die Geometrie des Thunderbolt BC. Mit dem RIDE-9-Flipchip an der oberen Dämpferaufnahme ist Rocky Mountain meiner Meinung nach ein großer Wurf gelungen. Hiermit lässt sich nicht nur der Charakter des Bikes deutlich verändern, sondern zusätzlich auch eine gut funktionierende Anpassung der Kennlinie des Hinterbaus durchführen. Aufgrund der neun unterschiedlichen Positionen sollte man sich vorab mit den Eigenschaften jeder Position vertraut machen, die Rocky-Webseite bietet hierzu die perfekte Anleitung. Es sollte außerdem erwähnt werden, dass das System eher weniger für den schnellen Umbau auf dem Trail geeignet ist (was aber tendenziell mit etwas Zeitaufwand problemlos möglich ist), sondern eher eine Grundsatzentscheidung zwischen effizienter Langstreckentauglichkeit und maximalem Trailspaß ermöglicht.

Mit dem RIDE-9-System lässt sich die Geometrie verstellen bzw. die Kennlinie des Hinterbaus auf verschiedene Körpergewichte und Vorlieben anpassen. Der Platz am Ventil ist begrenzt, es funktioniert aber in jeder Position.
Mit dem RIDE-9-System lässt sich die Geometrie verstellen bzw. die Kennlinie des Hinterbaus auf verschiedene Körpergewichte und Vorlieben anpassen. Der Platz am Ventil ist begrenzt, es funktioniert aber in jeder Position.

So lässt sich das Bike auf drei Geometrien (steil, mittel, flach) von wendigen 68,2° Lenkwinkel auf – für ein Trailbike – superflache 66,5° anpassen und verfügt zusätzlich über je drei Einhängepunkte zur Kennlinienanpassung für das Fahrergewicht bzw. die Progressivität des Hinterbaus. Ich habe mich durch alle neun Kombinationen gearbeitet und bin letztlich bei der flachen Position für leichte Fahrer geblieben. Denn mit der flachen Position verliert das Thunderbolt kaum etwas von seiner Wendigkeit, bietet dafür aber deutlich mehr Laufruhe bei Highspeed und passt gerade mit der abfahrtslastigeren BC-Ausstattung einfach am besten zum Bike. Der Einhängepunkt für leichte Fahrer nimmt dem Hinterbau ein bisschen seine recht hohe Progressivität und passt sehr gut zu meinen fahrfertigen 75 kg und meiner eher floworientierten Fahrweise.

Fahrwerk und Fahrverhalten

Für die Performance der RockShox PIKE mit ihren 130 mm Federweg braucht es nicht viele Worte, außer, dass sie perfekt mit dem 120-mm-Hinterbau des Rocky Mountain harmoniert und ihre RCT3-Verstellung genau die gleichen Ergebnisse erzielt wie die RT3-Stufen des Monarch. Sind beide im offenen Modus, ist keines der beiden Federelemente über- oder unterdämpft und die Balance ist perfekt.

Effektiv im Antritt und ein ausbalanciertes, progressives Fahrwerk – das Rocky Mountain macht in jeder Lage einfach nur Spaß.
Effektiv im Antritt und ein ausbalanciertes, progressives Fahrwerk – das Rocky Mountain macht in jeder Lage einfach nur Spaß.

Im Trailmodus oder gar komplett blockiert zeigen sich die XC-Gene des Thunderbolt BC und es lässt sich selbst in der flachsten RIDE-9-Position sehr effektiv und lange bergauf bewegen. Lediglich auf wirklich steilen Abschnitten im Sitzen zeigt das Vorderrad Tendenzen zum Steigen – auf der anderen Seite bin ich mit einem 32er Blatt an derart steilen Anstiegen sowieso am Limit, weshalb das für mich vollkommen in Ordnung geht. Und wen das wirklich stört oder wer ein kleineres Kettenblatt fährt, der kann jederzeit die RIDE-9-Position auf neutral oder steil umhängen, wodurch der Effekt deutlich verringert wird.

Linie anpeilen und Bremse auf – dank flachem Lenkwinkel, steifem Rahmen und klasse Fahrwerk fliegt das Thunderbolt BC präzise jeden Trail entlang.
Linie anpeilen und Bremse auf – dank flachem Lenkwinkel, steifem Rahmen und klasse Fahrwerk fliegt das Thunderbolt BC präzise jeden Trail entlang.

Bergab zeigen sich die wirklichen Stärken: Das Rocky Mountain nutzt jeden Millimeter Federweg des Fahrwerks extrem effizient, gibt nie mehr frei, als es braucht und fühlt sich nach deutlich mehr Federweg an, als es wirklich bietet. Lediglich auf groben Alpintrails merkt man schon, dass hier nur 120/130 mm arbeiten und man auf keinem Enduro sitzt. An sich eher progressiv ausgelegt, findet sich in jeder Lage viel „Pop“ und das Thunderbolt BC lässt sich dadurch und dank der superkurzen 422-mm-Kettenstreben auf Wunsch äußerst aggressiv und präzise über die Trails zirkeln. Der Lenkwinkel in der flachen RIDE-9-Position ist mit 66,5° schon dem eines Endurobikes würdig und dementsprechend sicher und stabil lässt es sich durch Highspeed-Passagen und Steilstücke jagen.

Der Federweg fühlt sich nach deutlich mehr an. Lediglich wenn die Steine größer werden, merkt man, dass es dann doch nur 120 mm sind.
Der Federweg fühlt sich nach deutlich mehr an. Lediglich wenn die Steine größer werden, merkt man, dass es dann doch nur 120 mm sind.

In der steilsten Position kommt das Thunderbolt auf einen Lenkwinkel von 68,2°. Neben den Vorteilen im Uphill und auf längeren Strecken ändert sich das Trailverhalten hin zu einem superwendigen, verspielten Rad für Flachlandtrails, erfordert so aber bergab auch etwas mehr Präzision in der Linienwahl, denn die Fehlertoleranz fällt deutlich geringer aus und das Bike kann bei Highspeed schon etwas nervös werden.

Haltbarkeit

Wie bereits erwähnt, schlagen sich alle verbauten Komponenten ohne großartige Auffälligkeiten oder gar Probleme. Hier ist lediglich das leichte seitliche Spiel der Sattelstütze zu erwähnen und die Tatsache, dass sich die RockShox PIKE mit ca. 45 Trailstunden einem Service nähert. So ist das Losbrechmoment inzwischen minimal erhöht und ab und an bleibt sie beim Entlasten nach einer Stillstandsbremsung leicht im SAG hängen. Das ist beim Fahren allerdings nicht spürbar und erfahrungsgemäß mit einem Service behoben.

Ziemlich gespannt war ich auf die Lagerung des Rahmens. Rocky Mountain verbaut hier nämlich anstatt normaler Kugel- oder Nadellager ausnahmslos Gleitlager, die sich per Schmiernippel leicht nachfetten lassen sollen. So spart man ein bisschen Gewicht und erhofft sich vor allem eine längere Lebensdauer. Das klang schon recht vielversprechend, nur leider fing das Thunderbolt nach ca. 500 km zu knarzen an, normalisierte sich dann wieder ein bisschen, wurde aber nach drei heißen, staubigen Trailtagen so unerträglich, das ich mich darum kümmern musste. Kein Problem, die Fettpresse angesetzt und dann sollte wieder Ruhe sein. Da wir kein Modell zur Hand hatten, haben wir schnell die obere Umlenkung auseinandergenommen und per Hand nachgefettet. Hier fiel dann auf, dass die Dichtungsringe wirklich enger sein dürften, denn schon bei leichtem Kontakt rollen diese einfach aus ihrer Führungsrinne – was auch öfter beim Fahren per Beinkontakt passiert ist. So erklärt sich auf jeden Fall das verstärkte Knarzen an staubigen Tagen. Das Innenleben an sich sah jedoch trotz nicht immer sitzender Dichtung halbwegs unbeeindruckt vom eindringendem Staub aus und es zeigte sich lediglich geringfügiger Abrieb der schwarzen Eloxierung der Hülsen. Ordentlich mit Fett versehen und wieder zusammengesetzt herrscht seitdem Ruhe.

Unschöne Details am sonst einwandfrei funktionierenden Bike: Die Dichtungsringe sitzen sehr locker und rutschen bei Kontakt gern mal aus der Führung. Und auch der Flugrost an den Schmiernippeln passt nicht so richtig zu einem Highend-Carbonbike.
Unschöne Details am sonst einwandfrei funktionierenden Bike: Die Dichtungsringe sitzen sehr locker und rutschen bei Kontakt gern mal aus der Führung. Und auch der Flugrost an den Schmiernippeln passt nicht so richtig zu einem Highend-Carbonbike.

Kurze Zeit später fing auch das untere Lager an, ab und zu Geräusche von sich zu geben. Nur leider ist man hier ohne die Fettpresse wirklich verloren, denn das Pipelock-System lässt sich ohne Anleitung so einfach nicht zerlegen – und diese findet sich auf der Webseite auch nach längerer Suchaktion nicht. Eine Fettpresse wurde dann aber besorgt und seitdem läuft das Thunderbolt geräuschfrei. Unschön zu sehen ist allerdings, dass die Schmiernippel nicht aus Edelstahl sind und somit leicht Flugrost ansetzen. Das hat zwar keinen Einfluss auf die Performance oder die Haltbarkeit, wirkt an einem 6.500 € teuren Carbonbike aber etwas deplatziert. Ein ähnliches unschönes, aber konsequenzloses Problem zeigt sich bei den Gummipfropfen zur Abdeckung einer alternativen Zugführung. Die gingen nämlich regelmäßig auf dem Trail verloren bzw. lösten sich aus der Öffnung und hingen lose am Zug.

Die Gummikappe dieser Öffnung ist leider nur gesteckt und nach zwei verlorenen Exemplaren musste ich mir mit Klebestreifen behelfen.
Die Gummikappe dieser Öffnung ist leider nur gesteckt und nach zwei verlorenen Exemplaren musste ich mir mit Klebestreifen behelfen.
Auch die Verschlusspfropfen der internen Kabelführung hingen mehr an der frischen Luft als an ihrer eigentlichen Position. Da haben wir von anderen Herstellern an preiswerteren Rahmen deutlich bessere Lösungen gesehen.
Auch die Verschlusspfropfen der internen Kabelführung hingen mehr an der frischen Luft als an ihrer eigentlichen Position. Da haben wir von anderen Herstellern an preiswerteren Rahmen deutlich bessere Lösungen gesehen.

Zusammenfassend gibt es also bis auf die zu locker sitzenden Dichtungen und Gummiabdeckungen nichts zu bemängeln. Alle Lager arbeiten nach wie vor spielfrei und sind bei regelmäßigem Nachfetten – je nach Witterung und Intensität der Nutzung – auch nicht zu hören. Ich würde mir allerdings wirklich wünschen, das Rocky Mountain dem Bike die Fettpresse direkt beilegen würde – bei dem Preis wohl auch nicht zu viel verlangt.

Diesen geilen Trail findet ihr übrigens in Latsch.
Diesen geilen Trail findet ihr übrigens in Latsch.

Zwischenfazit

Genau der Preis ist dann leider auch der Aufhänger des Thunderbolt BC. Denn es ist ohne Frage ein richtig geiles Geschoss. Supervielseitig was Fahrerpräferenzen und Gelände angeht und somit in gefühlten 90 % der Zeit genau das richtige Bike, macht einfach jedes Mal Spaß, wenn man darauf Platz nimmt. Auch die Ausstattung ist nahezu perfekt – hochwertig, durchdacht und optimal zum Charakter des Bikes passend. Aber ist es wirklich seine 6.500 € wert? So gern ich das auch sagen würde, kann ich mich nicht so richtig dazu durchringen. Natürlich, die Entwicklung, das Material und auch der Markenname fordern hier ihren Tribut – wer also das Geld dafür ohne Weiteres auf den Tisch legen kann, dem sei das Thunderbolt absolut ans Herz gelegt. Allen anderen empfehle ich auf jeden Fall eine ausgiebige Testfahrt – danach seid ihr dann sowieso begeistert und werdet das Sparschwein plündern …

Mehr Infos zum Bike und den Technologien gibts auf Rocky Mountains Webseite.
Zu den anderen Bikes des ENDURO Dauertest 2015 und der Timeline geht’s hier.

Text: Andreas Maschke Foto: Christoph Bayer, Sebastian Hermann


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