Was ist eigentlich dieses Trail-Biken?
Bereits im vergangenen Trail-Bike-Vergleichstest sind vereinzelte Bikes – wie das Orbea Occam LT – mit ihrem hohen Abfahrtspotenzial aus der Masse herausgestochen. Im aktuellen Vergleichstest gab es allerdings nicht nur einzelne Ausnahmen, sondern gleich eine ganze Reihe an Bikes, die problemlos mit modernen Enduro-Bikes mithalten können. Entscheidend war hier allerdings nicht die schiere Menge an Federweg, wie es z. B. das Norco Optic oder Rocky Mountain Instinct bewiesen haben – beide kommen nicht mit dem größten Federweg im Test. Vielmehr zählen das Gesamtkonzept und die Ausrichtung des Herstellers. Auf der Gegenseite vermitteln Bikes wie das Specialized Stumpjumper 15 oder Canyon Spectral CF einen verspielteren und spaßorientierten Charakter und sind nicht so stark fokussiert auf reine Downhill-Performance. Das zeigt, dass Hersteller das Trail-Bike Segment ganz unterschiedlich interpretieren und es ist umso wichtiger, dass die Komponenten der Bikes zu ihrem Charakter passen, um das volle Potenzial auszureizen.



Fette Bremsen, auch am Trail-Bike
Beim Launch der neuen SRAM MAVEN-Bremse lag der Fokus ganz klar auf dem Einsatz an Downhill- und Enduro-Bikes, denn der Wurfanker strotzt nur so vor Bremspower. Dennoch findet sich bei gut einem Drittel des Testfelds eine MAVEN-Bremse. Doch auch Bremsen wie die Shimano XTR oder SRAM CODE waren reichlich vertreten und mit großen 200-mm-Bremsscheiben kombiniert. Das zeigt einen deutlichen Trend zu starken Bremsen, auch an Bikes, bei denen häufig sehr penibel nach dem Gewicht geschaut wird. Ein sinnvoller Trend, denn er bringt euch nicht nur ein Plus an Sicherheit, sondern erspart euch auch frühzeitigen Armpump.


Große Preisspanne, fast identische Ausstattung …
7.000 € liegen zwischen dem günstigsten und dem teuersten Bike im Vergleichstest, ohne relevante Unterschiede in der Ausstattung. Denn beide Bikes setzen auf Top-Fahrwerke, starke Bremsen und weitere hochwertige Anbauteile. Und auch wenn keine Trail-Performance der Welt den gigantischen Preisunterschied rechtfertigt, entpuppen sich auf den zweiten Blick durchaus Qualitätsunterschiede zwischen gewissen Bikes. Während das Specialized S-Works Stumpjumper 15 von oben bis unten komplett ausgeklügelt ist und auch nach einem zähen Winter im Matsch und Regen wie eine Eins voranprescht, haben sich bei der günstigeren Konkurrenz wesentlich schneller Probleme eingeschlichen. So waren beispielsweise an beiden Canyon Spectral-Modellen bereits nach ein paar Runs die Dämpferbuchsen ausgeschlagen, was bei uns auch bereits in der Vergangenheit immer wieder vorkam. Auch benötigten viele der „günstigeren“ Bikes im Test ein Extra an Service-Arbeiten und Aufmerksamkeit, um weiterhin zuverlässig zu funktionieren. Andere haben leicht Lackschäden erhalten – keinesfalls ein K.O.-Kriterium, aber ein Punkt, den man im Hinterkopf behalten sollte.

Gibt es wirklich das eine Bike für alles?
Einer der beliebtesten Slogans im Bike-Marketing ist das „eine Bike für alles“, mit dem gerne die unterschiedlichsten Räder beworben werden. In der Regel lösen solche Sprüche wenig Emotionen bei uns in der Redaktion aus. Doch ein Bike im Test – was amüsanterweise nicht so utopisch vermarktet wird – hat jetzt zu hitzigen Diskussionen geführt. Denn das Atherton S.150 hat im Vergleichstest mit herausragenden Fahreigenschaften geglänzt, sowohl im Uphill, aber vor allem im Downhill. Es stellt für uns die perfekte Brücke zwischen Trail- und Enduro-Bike dar, denn es meistert den Spagat und hält mit beiden Bike-Gruppen mit. Solltet ihr also wirklich „das eine Bike für alles“ suchen, wüssten wir momentan keine bessere Option, die auf dem Markt verfügbar ist. Zumal der einzigartige Look, der vernünftige Preis und die Fertigung in Wales – zumindest für Europäer – weitere starke Argumente für das Bike sind.


Längere Dropper und kürzere Sitzrohre
Vor allem in Sachen Geometrie hat sich in den letzten Jahren einiges getan – und damit meinen wir nicht die flachen Lenkwinkel oder längeren Reach-Werte, welche die Bike-Entwicklung in den letzten Jahren durchlaufen hat: Ein weiterer sehr sinnvoller Trend sind immer länger werdende Sattelstützen in Kombination mit kürzeren Sitzrohren. Das sorgt für mehr Bewegungsfreiheit auf dem Trail und macht z. B. auch das Absteigen in kniffligen Situationen wesentlich angenehmer. Schauen wir die Daten unserer letzten drei Trail-Bike-Vergleichstests an (Räder meist in Rahmengröße L), ist ein deutlicher Trend zu erkennen: Noch 2023 lag die durchschnittliche Dropperlänge bei 175 mm, während die Länge der Sitzrohre bei 440 mm lag. Im vergangenen Vergleichstest sind die Dropperlängen zwar auf durchschnittlich 182 mm angewachsen, bei den Sitzrohren hat sich jedoch noch wenig getan. Ganz anders im diesjährigen Vergleichstest: Hier ist die Dropperlänge nochmal stark angestiegen, und zwar auf 197 mm, während die durchschnittliche Länge der Sitzrohre um fast 10 mm gesunken ist und jetzt bei 430 mm liegt. Sprich, wir sehen mehr Hub und niedrigere Sitzrohre. Wir sind uns auch sicher, dass wir in naher Zukunft noch mehr und noch längere Sattelstützen sehen werden, die diesen Trend unterstützen.

Fazit
Trail-Bikes werden nicht mehr allein über den Federweg definiert – unser Test hat gezeigt, dass Geometrie und das Gesamtkonzept eine noch größere Rolle für die Performance eines Bikes spielen. Leistungsstarke Bremsen sind mittlerweile Standard, selbst bei gewichtsoptimierten Aufbauten, während Premium-Bikes ihren hohen Preis stärker durch überlegene Langlebigkeit als allein durch bessere Komponenten rechtfertigen. Der Trend zu längeren Sattelstützen und kürzeren Sitzrohren verbessern die Bewegungsfreiheit und Kontrolle des Fahrers grundlegend. Und auch wenn der Claim „das einen Bikes für alles“ weiterhin eine äußerst ambitionierte Aussage bleibt, kommt das Atherton S.150 diesem Ideal beeindruckend nahe. Da Hersteller die Grenzen dessen, was ein Trail-Bike sein kann, immer weiter ausreizen, geht es bei der Wahl des für euch richtigen Bikes weniger darum, Trends zu folgen, sondern vielmehr darum, das perfekte Bike für den eigenen Fahrstil zu finden.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Trail-Bike 2025 – Die 16 spannendsten Bikes im großen Vergleichstest
Alle Bikes im Test: Atherton S.150 | Canyon Spectral CF LTD | Canyon Spectral:ONfly CF LTD | Ibis Ripmo XT | MERIDA eONE-SIXTY SL | Norco Optic C1 | Orbea Rise LT M-LTD | Pivot Switchblade Team X0 Transmission | RAAW Jibb V2 | Rocky Mountain Instinct C70 | Santa Cruz Bronson CC X0 AXS RSV | Santa Cruz Hightower CC X0 AXS RSV | Specialized S-Works Stumpjumper 15 | Transition Sentinel X0 AXS | Trek Top Fuel 9.8 GX AXS | YT JEFFSY CORE 5 CF
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Text & Fotos: Peter Walker