Das Giant Reign ist ein absoluter Klassiker im Enduro-Segment. Gerade in den Anfangsjahren von Enduro-Racing war das Rad omnipräsent. In letzter Zeit wurde es allerdings etwas ruhiger um das in die Jahre gekommene Bike. Das soll sich mit dem neuen Giant Reign 29 jetzt wieder ändern – wir haben es für euch bereits getestet.
Weniger ist mehr – oder: warum 146 mm Federweg reichen
Giant ist eine Marke die dafür bekannt ist, nicht zwangsläufig direkt bei jedem Trend dabei zu sein und oft dauert es etwas, bis der wahrlich gigantisch große Bike-Hersteller neue Trends umsetzt, wenn sie dann aber etwas machen – dann richtig. So auch nun beim Reign 29. Das Rad rollt, wie sein Name es vermuten lässt, auf den großen Laufrädern und verfügt dabei über 160 mm Federweg in Front gepaart mit 146 mm am Maestro-Hinterbau. Das klingt im ersten Moment nach wenig, doch Giant war die Qualität des Federwegs wichtiger als die schiere Masse. Ziel war es, dass das Rad sensibel ist und genug Reserven für harte Strecken besitzt, man als Fahrer aber nicht im Federweg versinkt und das Rad dadurch behäbig wird.
Der Maestro-Hinterbau wurde für das neue Reign weiter verfeinert und dabei das Übersetzungsverhältnis auf rund 16 % Progression (0–100 % Federweg) reduziert. Das soll für eine konstantere Zugstufen-Dämpfung und damit auch für mehr Traktion sorgen.
Das neue Giant Reign 29 im Detai
Natürlich hat Giant nicht nur den Hinterbau überarbeitet und die großen Laufräder integriert, auch am Rahmen selbst wurde Hand angelegt. Ein absolutes Highlight dabei ist, dass der Hauptumlenkpunkt weiter nach vorn verlegt wurde, und so mehr Einschubtiefe für Sattelstützen erreicht werden konnte. Das bedeutet, dass nun Teleskopstützen mit mehr Hub im Reign Platz finden. Apropos Platz finden: Natürlich passt auch beim neuen Reign 29 eine Trinkflasche in den Hauptrahmen und außerdem sind alle Carbon-Modelle für das FOX Live-Valve-System vorbereitet.
Bei allen Rädern (auch den Alu-Modellen) setzt Giant auf einen aus Carbon gefertigten Umlenkhebel und Trunnion-Mount-Dämpfer. Leider hat Giant bei der Zugführung nichts geändert, so kommen noch immer die gleichen Gummi-Stopfen zum Einsatz, die sich in der Vergangenheit häufig aus dem Rahmen lösten. Auch der Kettenstrebenschutz wirkt verglichen mit den aufwendig gefertigten Modellen vieler Mitbewerber etwas lieblos.
Alle aktuellen Trends vereint – die Geometrie des neuen Reign
Länger, flacher, tiefer – das sind die aktuellen Trends bei der Geometrie von Enduro-Bikes. Auch das Reign kann hier an allen Punkten ein Häkchen setzen. So ist der Lenkwinkel mit 65° flach, der Reach mit 493 mm in Größe Large richtig lang und das Tretlager ist mit einer Absenkung von 30 mm angenehm tief für schnelle Richtungswechsel. Außerdem setzt Giant auf Federgabeln mit einem kurzen 42 (RockShox) bzw. 44 mm (FOX) Offset. Der Stack fällt gemessen an der Länge des Bikes eher niedrig aus. Die Kettenstreben sind mit 439 mm weder sonderlich lang, noch übertrieben kurz.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 431 mm | 431 mm | 464 mm | 496 mm |
Oberrohr | 573 mm | 600 mm | 640 mm | 665 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 110 mm | 110 mm | 120 mm |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° | 65° |
Sitzwinkel | 76.8° | 76.8° | 76.8° | 76.8° |
Kettenstreben | 439 mm | 439 mm | 439 mm | 439 mm |
BB Drop | 30 mm | 30 mm | 30 mm | 30 mm |
Radstand | 1.188 mm | 1.215 mm | 1.258 mm | 1.265 mm |
Reach | 428 mm | 455 mm | 493 mm | 516 mm |
Stack | 619 mm | 619 mm | 628 mm | 637 mm |
Drei Carbon-, zwei Aluminium- und ein ganz spezielles Reign-Modell
Giant bietet das neue Reign 29 in drei Carbon Varianten Namens Reign Advanced Pro sowie zwei Aluminium-Varianten Reign 29 1 und Reign 29 2 an. Außerdem gibt es wie schon in der Vergangenheit ein Reign SX-Modell, bei dem eine Federgabel mit 170 mm sowie ein Stahlfederdämpfer zum Einsatz kommen. Basis des Reign 29 SX ist der gleiche ALUXX SL Aluminium-Rahmen.
Preislich starten die neuen Reign 29 Modelle bei fairen 2.900 € für das Reign 2 gefolgt vom Reign SX für 3.799 €. Das günstigste Reign Advanced Pro liegt bei 4.300 €. Für das Topmodell Reign Advanced Pro 0 werden 8.500 € fällig.
Alle Modelle verfügen über einen SRAM Eagle 12-fach-Antrieb und hochwertige MAXXIS Reifen. Allerdings wird leider nur das Topmodell mit der etwas robusteren EXO+ Variante ausgeliefert – auch beim SX kommen nur einfache EXO-Reifen zum Einsatz. Außerdem verbaut Giant trotz der größeren Einstecktiefe am Rahmen weiterhin eher kurze Teleskopsattelstützen. So verfügt das Modell in Small über 100 mm, Medium 125 mm und Large und X-Large 150 mm Hub. Die Modelle mit RockShox-Fahrwerk besitzen außerdem leider keinen Dämpfer mit Ausgleichsbehälter. Das Rad mit der spannendsten Preis-Leistung ist in unseren Augen das Reign 1 mit FOX 36 Performance Elite GRIP2 und X2-Dämpfer, SRAM GX-Eagle und CODE R-Bremsen. Das edle Advanced Pro 0 lässt keine Wünschen offen und bietet neben Carbon-Laufrädern auch ein komplettes Factory-Fahrwerk. Außerdem begeistert das Rad mit seiner Chamäleon-Lackierung, die je nach Lichteinfall in ganz unterschiedlichen Farben schimmert.
Die Ausstattungsvarianten im Überblick
Reign Advanced Pro 29 0 | Reign Advanced Pro 29 1 | Reign Advanced Pro 29 2 | Reign 29 1 | Reign 29 2 | Reign 29 SX | |
---|---|---|---|---|---|---|
Gabel | Fox 36 Float GRIP2 | RockShox Lyrik Select | Fox 36 Performance Elite GRIP2 | RockShox Yari RC | Fox 36 Performance Elite GRIP2 | |
Dämpfer | Fox Float X2 Factory | Fox Float X2 | RockShox Deluxe select+ | Fox X2 Performance | RockShox Deluxe Select+ | Fox DHX2 Performance Elite |
Bremsen | SRAM Code RSC | SRAM Code R | Shimano MT520 | SRAM Code R | Shimano MT520 | SRAM Code R |
Schaltung | SRAM X01 Eagle | SRAM GX Eagle | SRAM NX Eagle | SRAM GX Eagle | SRAM NX Eagle | SRAM NX Eagle |
Laufräder | Giant TRX-0 29 WheelSystem | Giant TR-1 29 WheelSystem | Giant AM 29, tubeless ready | Giant TR-1 29 WheelSystem | Giant AM 29, tubeless ready | Giant AM 29, tubeless ready |
Reifen | Maxxis Minion DHF 2.5 WT/ DHRII 2.4 (v/h) – TR/3C/EXO/MaxxTerra | |||||
Sattelstütze | RockShox Reverb Stealth | Giant Contact Switch dropper post | ||||
Preis | 8.500 € | 4.999 € | 4.300 € | 4.000 € | 2.900 € | 3.799 € |
Länge läuft – das Giant Reign 29 Advanced Pro 0 auf dem Trail
Um das Giant Reign 29 Advanced zu testen, sind wir nach Revelstoke in Kanada gereist. Dort konnten wir am ersten Tag die Uphill-Eigenschaften des Reign 29 auf einem technischen Uphill-Trail sowie einigen entspannten Forststraßen-Abschnitten testen. Die Sitzposition ist angenehm zentral, der Sitzwinkel ausreichend steil, sodass man als Fahrer auch bei geöffneter Plattformdämpfung und nicht ganz nach vorn geschobenem Sattel nie den Eindruck hat, zu sehr von unten zu pedalieren. Auf gleichmäßigen Abschnitten, wie z. B. einer Forststraße, kann man ein leichtes Wippen bei geöffnetem Dämpfer spüren, allerdings sackt das Heck nie weg. Hier lohnt je nach eigener Vorliebe der Griff zum Verstellhebel am Federbein. Geht es technisch bergauf, überzeugt das Reign mit guter Traktion und klettert willig bergauf. Dank des geringen Gewichts von gerade einmal 13,10 kg (Herstellerangabe) wirkt das Rad angenehm leichtfüßig – dennoch sitzt man natürlich auf einem Enduro-Bike. In engen Sektionen ist etwas Körpereinsatz gefragt, um das Vorderrad um die Kurve zu bekommen. Durch das tiefe Tretlager in Kombination mit den 170 mm langen Kurbeln ist außerdem Vorsicht geboten: Die Pedale sind bei uns gleich mehrere Male aufgesetzt.
Neigt sich der Trail bergab, bemerkt man als erstes den vielen Platz, den man als Fahrer hat, um sich auf dem Rad zu bewegen. Man steht super integriert im Bike und zwischen den großen Laufrädern, was von Anfang an sehr viel Sicherheit vermittelt. Öffnet man die Bremse, nimmt das Rad schnell Fahrt auf und der Hinterbau filtert Unebenheiten sehr feinfühlig weg. An dieser Stelle sei das gesamte FOX Factory-Fahrwerk gelobt, das wirklich super sensibel und sehr definiert arbeitet. Federgabel und Hinterbau harmonieren trotz des unterschiedlichen Federwegs sehr gut miteinander und bieten jede Menge Traktion. Trotz seiner Länge wirkt das Rad nicht behäbig. Der Hinterbau besitzt viel Gegenhalt und angenehmen Pop, wodurch sich das Rad einfach in die Luft ziehen lässt und auch schnelle spontane Richtungswechsel möglich sind. Kurz vor der Kurve noch die Highline-Anfahren? Kein Problem!
Die Gewichtsverteilung zwischen den beiden Laufrädern ist eher etwas hecklastig, was bedeutet, das man als Fahrer auf flachen Strecken und in engen Kurven bewusst sein Körpergewicht nach vorn verlagern muss, um ausreichend Grip am Vorderrad zu generieren. Ist das Gelände allerdings steil genug und die Geschwindigkeit hoch, fährt sich das Rad sehr intuitiv und super sicher. Aktive Fahrer können das Rad sehr direkt und gleichzeitig auch loose Fahren. So motiviert das Rad förmlich dazu eine Kurve anzuflicken.
Im steilen und verblockten Gelände vermittelt das Rad viel Sicherheit und Laufruhe. Festhalten und laufen lassen, lautet die Devise. Hier hätten wir uns lediglich eine Sattelstütze mit mehr Hub gewünscht, um noch mehr Bewegungsfreiheit auf dem Rad zu erhalten. Aufgrund des kurzen Steuerrohrs ist es außerdem empfehlenswert, einige Spacer unter dem Vorbau zu montieren, was wiederum den Reach um ein paar Millimeter reduziert. Die Ausstattung erwies sich in unserem Test als absolut zuverlässig und für den Einsatzbereich gut abgestimmt. Auch die Carbon-Laufräder empfanden wir an den zwei Tagen weder als zu steif noch als unkomfortabel. Defekte gab es im Verlauf unseres ersten Tests keine.
Fazit
Das Giant Reign 29 überzeugt auf anspruchsvollen Trails mit seiner enormen Laufruhe und Sicherheit. Es fährt sich dank seines aktiven Fahrwerks aber nicht träge oder behäbig. Es ist ein Bike, das sowohl erfahrene Racer als auch Weekend-Warrior glücklich machen kann, wenn sie mit ihm im anspruchsvollen Gelände unterwegs sind. Obendrein klettert es gut bergauf. Wir hätten uns einzig etwas mehr Detailverliebtheit beim Rahmen gewünscht.
Tops
- sehr sicheres souveränes Handling
- super ausgewogenes Fahrwerk
- im steilen Gelände eine Macht
- gute Preis-Leistung
- gute Klettereigenschaften
Flops
- flache Trails langweilen das Bike
- technische Uphills erfordern Körpereinsatz und Wachsamkeit
- Zugführung und Kettenstrebenschutz bieten noch Potenzial
Mehr Informationen findet ihr unter giant-bicycles.com
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Fotos: Christoph Bayer & Sterling Lorence