Bisher gab es zwei sehr unterschiedliche Bikes, die unter dem Namen Orbea Occam erhältlich waren: das Occam TR, ein 29er mit XC-Fokus und 130 mm Federweg, und das Occam AM, ein 27.5”-Trail-Bike mit 150 mm Federweg. Zur Saison 2020 hat Orbea das Occam komplett neu designt und dabei Merkmale der TR- und AM-Varianten kombiniert, um das Beste aus beiden zu vereinen. Ist mit dem Orbea Occam 2020 ein entscheidender Wurf geglückt?
Laut Orbea ist das neue Occam nichts Geringeres als euer ultimativer Gefährte für jeden Trail und jede Fahrweise. Auf den ersten Blick überzeugen Geometrie und Ausstattung, und Orbeas Online-Konfigurator MyO bietet verlockende Gestaltungsoptionen für alle, die sich die teureren Occam M10 oder M-LTD Modelle leisten können. Doch weil die Optik auch täuschen kann, wollten wir es nicht bei dem ersten Blick belassen und reisten tief in die Vorpyrenäen, um herauszufinden, was das neue Occam wirklich kann.
Was ist neu am Orbea Occam 2020?
Orbea hat das Occam von Grund auf neu designt, mit einem neuen Rahmen und einer neuen Geometrie. In Puncto Laufradgrößen ist man jedoch für alle Modellvarianten bei einer Größe geblieben. Der neue Rahmen sieht fantastisch aus und offensichtlich stand hier zumindest teilweise Orbeas Enduro-Maschine, das Rallon, Pate. Doch Orbea betont, dass hier die Form der Funktion folgt, demnach ist die attraktive Optik nur ein willkommenes Nebenprodukt des technischen Designs. Das neue Orbea Occam rollt auf 29er-Laufrädern und hat 140 mm Federweg am Heck. In seiner Standard-Konfiguration kommt das Occam auch mit 140-mm-Federgabel, doch lässt sich diese gegen einen geringen Aufpreis auf 150 mm upgraden.
Die Ingenieure von Orbea haben eng mit FOX zusammengearbeitet, um die Federung des Occam zu optimieren. Dabei testeten sie über 50 Optionen, bevor sie sich für eine Konfiguration entschieden. Das Occam kommt nun standardmäßig mit einem kleinen Spacer im FOX-Dämpfer. Es liegt allerdings ein größerer Spacer im Lieferumfang, sodass man selbst entscheiden kann, wie progressiv die Federung sein soll. Alle Occam-Modelle haben komplett innen verlaufende Züge, einen Rahmenschutz an Unterrohr und Kettenstreben, ein geschraubtes Tretlager und lebenslange Garantie.
MyO-Konfigurator
Die Lackierung ist bei den Modellversionen Occam M10 und Occam M-LTD vollständig personalisierbar. Im kostenlosen MyO-Konfigurator lassen sich Primär- und Sekundärfarben für den Rahmen auswählen, ebenso wie die Farbe des Logos. Man hat die Wahl zwischen Glanz- und Mattlack und kann sogar seinen eigenen Namen auf die Sitzstrebe lackieren lassen. Alles zusammen betrachtet, ergibt sich eine Auswahl aus über einer Million Farbkombinationen. Der Konfigurator bietet eine supergeile Möglichkeit, seinem Bike einen ganz persönlichen Touch zu verleihen. Wir fänden es aber toll, wenn es das für alle Varianten gäbe, nicht nur für die High End-Modelle.
Federgabel-Upgrade
Jedes neue Occam (außer dem Aushängeschild Occam M-LTD) wird standardmäßig mit einer 140-mm-Federgabel geliefert, doch lässt sich diese unkompliziert auf eine FOX 36 Factory mit 150 mm Federweg upgraden. Orbea verspricht, dass der Aufpreis lediglich dem Preisunterschied zwischen der Standard-Gabel und der langhubigeren Version entspricht (etwa 200 €, je nach Modell). Die längere Federgabel macht den Lenk- und Sitzwinkel um jeweils ein halbes Grad flacher, sodass man bei 65,5° bzw. 76,5° landet.
Die Geometrie des Orbea Occam
Dadurch, dass man den alten Occam-Rahmen verwarf und einen komplett neuen designte, eröffnete sich Orbea die Möglichkeit zu einer ganz neuen Geometrie. Die ersten Konzepttests erfolgten mit dem Rallon und mit dem „love child“ des Occam, dem R-Occam, das ein Rallon-Heck und eine Occam-Front hat. Im Vergleich mit dem früheren 29er Occam (dem Occam TR) wird schnell klar, dass Orbea sich beim neuen Occam entschieden hat, dem „longer, lower and slacker“-Trend zu folgen. Es hat fast 20 mm mehr Reach (in Größe M). Der Lenkwinkel wurde um 1,5 ° flacher, und der Sitzwinkel ist mit aufrechten 77° bedeutend steiler geworden. Die Kettenstreben sind beim neuen Occam ein paar Millimeter gewachsen, wohingegen die Überstandshöhe geschrumpft ist – ganz nach unserem Gusto!.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 381 mm | 419 mm | 457 mm | 508 mm |
Oberrohr | 565 mm | 592 mm | 619 mm | 649 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 105 mm | 120 mm | 140 mm |
Lenkwinkel | 66° | 66° | 66° | 66° |
Sitzwinkel | 77° | 77° | 77° | 77° |
Kettenstrebe | 440 mm | 440 mm | 440 mm | 440 mm |
Tretlagerhöhe | 336 mm | 336 mm | 336 mm | 336 mm |
Radstand | 1165 mm | 1194 mm | 1224 mm | 1259 mm |
Reach | 425 mm | 450 mm | 474 mm | 500 mm |
Stack | 604 mm | 613 mm | 627 mm | 646 mm |
Das Orbea Occam M10 auf dem Trail
Um am eigenen Leib zu erfahren, was das neue Orbea Occam alles bietet, flogen wir nach Spanien und testeten es auf den steinigen Trails der Vorpyrenäen. Orbea hatte für unseren 1,84 m großen Testfahrer ein Occam M10 in Größe L empfohlen. Auf dem Papier sah das Occam mit seinem großzügigen 474 mm Reach und den langen Kettenstreben nach einer stimmigen Kombination aus. Durch sein agiles Handling auf dem Trail fühlte sich das Bike allerdings kürzer an, als die Zahlen es nahelegten. Ein Punkt, den man gerade bei der Wahl der Rahmegröße im Kopf behalten sollten; wir zumindest hätten uns auf einem Modell in XL wohler gefühlt…
Auf das neue Orbea Occam stieg es sich sehr komfortabel, vor allem dank seines steilen Sitzwinkels von 77 °. Die Beschleunigung war gut, es trat kein spürbares Wippen auf. Wenn man auf steilen oder verblockten Anstiegen Gas gab, fühlte es sich an, als wollte das Occam M10 vorwärts preschen. Der hohe Antisquat sorgte dafür, dass der Dämpfer bei Druck auf die Pedale ausfederte. Das verlieh dem Occam ein lebhaftes Fahrgefühl und sorgte in Kombination mit den langen Kettenstreben dafür, dass beide Laufräder selbst auf den steilsten Anstiegen gleichmäßig belastet wurden. Die neue Shimano XT 12-fach-Antriebsgruppe arbeitete perfekt, und in besonders steilem Gelände waren wir dankbar für die große Bandbreite. Das einzig Negative waren die mit 175 mm sehr langen Kurbeln, die zu mehreren Pedalschlägen und einem ziemlich häßlichen Sturz führten. Wir würden definitiv empfehlen, kürzere Kurbeln zu montieren.
Am ersten Tag unseres Tests beließen wir sämtliche Einstellungen so, wie es uns die Mechaniker von Orbea empfohlen hatten; nur den SAG stellten wir nach unseren persönlichen Vorlieben ein. Zu Beginn hatte unser Testfahrer Schwierigkeiten, mit dem Occam auf besonders anspruchsvollen Trail-Abschnitten das entsprechende Selbstvertrauen aufzubringen. Das Occam fühlte sich im Handling etwas unausgeglichen an, und das Vorderrad war auf den Linien zwischen zerklüfteten Steinen sehr nervös. Um dem entgegenzuwirken, versetzten wir den Vorbau um 5 mm nach unten und den Lenker noch vorne, um eine stabilere Position oberhalb der Front zu erreichen. Wir erhöhten auch den Sag des Dämpfers auf 30% und tauschten den kleineren Volumen-Spacer gegen den mitgelieferten größeren. Dies trug dazu bei, dass sich unser Testfahrer auf dem Bike wohler fühlte und dabei immer noch die notwendige Durchschlagschutz hatte. Nach diesen Veränderungen fühlte sich das Occam auf ruppigen Trails wesentlich kontrollierbarer und stabiler an.
Wir empfehlen 30 % Sag und die Montage des mitgelieferten größeren-Volumen-Spacers, um einen besseren Durchschlagschutz zu erreichen
Das Fahrwerk des neuen Occam arbeitete bei unseren Testfahrten durchweg sehr gut. Obwohl es gerade am Anfang des Federwegbereichs nicht so feinfühlig agiert wie das Fahrwerk eines Enduros, waren Feedback und Support gut und trugen zum lebhaften Fahrgefühl des Occam bei. Das Occam liebt es, über Wurzeln und Felsen zu springen und fühlte sich auf dem Boden und in der Luft gleichermaßen agil an. Die 29-Zoll-Laufräder hielten höhere Geschwindigkeiten sehr gut und ergänzten das Gesamtfahrgefühl. Die Ausstattung an unserem Orbea Occam M10 überzeugte uns in den zweitägigen intensiven Fahrtests mit solider Performance. Eine größere Bremsscheibe würde allerdings die Brems-Performance auf langen Abfahrten noch verbessern.
Fazit
Das neue Orbea Occam M10 ist ein spaßiges, lebhaftes Trail-Bike, das sowohl für lange Tagestouren als auch für schnelle Runden auf flowigen Singletrails geeignet ist. Am an der Ausstattung gab es nichts zu meckern, und der MyO-Farbkonfigurator für die Premium-Modelle ist eine schöne Sache. Allerdings fühlte sich das Bike auf den ruppigen Trails der Vorpyrenäen nicht ultra stabil an, und wir müssten das Occam auf unseren “hometrails” fahren, um die Fähigkeiten dieses Bike’s auf Trails zu testen die wir gut kennen. Wir halten euch auf dem Laufenden!