Kein Bike hat in den letzten Wochen für mehr Aufmerksamkeit gesorgt als das Pole Machine. Produziert in einem bis dato einzigartigen Fertigungsverfahren, stellt es bereits optisch bisher bekannte Werte infrage. Sobald man mit ihm jedoch auf den Trail einbiegt, eröffnet sich eine völlig neue Welt.

Pole Machine, exclusive review
Das Pole Machine ist eines der aufregendsten Bikes des neuen Jahres. Wir haben es in Spanien exklusiv für euch getestet!

„Looks like a Session“, das ist wohl der häufigste Kommentar zu fast jedem neu präsentierten Bike. Beim Pole Machine wird das nicht passieren, denn das Bike wirkt schon auf den ersten Blick wie von einem anderen Planeten. Seine geschwungenen, fließenden Formen, die asymmetrische Dämpferaufnahme und der extrem tiefgezogene Rahmen verleihen dem Rad schon im Stand einen einzigartigen, extravaganten Look – zumindest solange man es von der Antriebsseite aus betrachtet. Denn Leo Kokkonen, der Schöpfer dieses besonderen Bikes, besitzt zwar einen ausgeprägten Design-Fetisch, kennt aber auch die Bedürfnisse von Fahrern und setzt voll auf das Motto „Form follows function“.

Auf der Antriebsseite ist der Rahmen sehr clean und aufgeräumt

Betrachtet man das Rad von der gegenüberliegenden Seite, erinnert es an das Centre Pompidou in Paris, das von Renzo Piano entworfen wurde. Sämtliche Züge verlaufen auf der Außenseite des Rahmens in einer dafür vorgesehenen Aussparung und einzig die Stealth-Sattelstütze tritt unter dem Sitzrohr in den Rahmen ein.

Auf der gegenüberliegenden Seite verlaufen die Züge außerhalb des Rahmens. Mit bis zu drei Flaschenhalter-Aufnahmen hat man außerdem immer alles dabei und kann den Rucksack zu Hause lassen.

Eine der größten Besonderheiten des Pole Machine ist sein Fertigungsverfahren. Nachdem Leo den Plan eines Carbonbikes aufgrund ethischer Bedenken wieder verworfen hatte (hier unser Interview dazu), stieß er bei der Suche nach Alternativen auf ein Verfahren, das in anderen Industriebranchen längst etablierte ist . Der Rahmen des Machine wird, wie es der Name vermuten lässt, maschinell hergestellt. CNC-Maschinen fräsen den zweiteiligen Hauptrahmen aus zwei großen Stück Aluminium. Im Anschluss werden die beiden Hälften des Rahmens mit einem speziellen Klebeverfahren und einigen Schrauben zusammengefügt. Dadurch kann man statt dem klassischen 7005-Aluminium das deutlich steifere und stabilere, aber nur schwer schweißbare 7075 T6-Aluminium verwenden, wie es unter anderem im Flugzeugbau genutzt wird. Das Sitzrohr ist weiterhin ein klassisches Rohr, das in die beiden Hälften eingefügt, verklebt und verschraubt wird.

Der Hauptrahmen besteht aus zwei gefrästen Hälften, die im Anschluss verklebt und verschraubt werden
Der Rahmen wäre bereits allein durch den Kleber stabil, die Schrauben sorgen jedoch für zusätzliche Steifigkeit und Sicherheit. In Serie lassen sie sich nicht mehr von Hand öffnen.
Das Sitzrohr wird mit den zwei Hälften verklebt und verschraubt

  Nachdem ich das Carbonbike aufgrund von ethischen Gründen gecancelt habe, musste ich eine Alternative finden – Leo Kokkonen

Details wie die Dämpferaufnahme waren an unserem Bike noch nicht final und werden für die Serie noch etwas überarbeitet
Super praktisch: ein geschraubtes Tretlager
Der Dämpfer sitzt um 90° gedreht im asymmetrischen Hinterbau und ermöglicht so eine sehr geringe Überstandshöhe

Die Geometrie des Pole Machine

Es sind beeindruckende Eckdaten, die das Pole Machine besitzt: 180/160 mm Federweg, 29”-Laufräder, ein sehr langer Hauptrahmen (Reach 510 mm Gr. L), ein flacher Lenkwinkel ( 63,9°) und ein langer Hinterbau (455 mm). Doch das Betrachten einzelner Werte ergibt keinen Sinn – was zählt, ist das Gesamtkonzept. Und dass Leo weiß, worauf es hier ankommt, hat er bereits mit dem Pole EVOLINK bewiesen. Für das Machine wurden die Werte nun auf das Plus an Federweg bzw. die großen Laufräder angepasst. Die größte Besonderheit ist die jeweils über alle Größen geringe Überstandshöhe von 360 mm (gemessen von der Mitte des Tretlagers zum niedrigsten Punkt am Oberrohr).

Wie man sieht, haben sich Geometrien über die Jahre extrem weiterentwickelt: links das Pole Machine in L, rechts ein ca. fünf Jahre altes GHOST in XL.
Größe S M L XL
Oberrohr 577 mm 607 mm 637 mm 662 mm
Steuerrohr 115 mm 135 mm 135 mm 145 mm
Lenkwinkel 63,9° 63,9° 63,9° 63,9°
Sitzwinkel 79° 79° 79° 79°
Kettenstreben 455 mm 455 mm 455 mm 455 mm
Tretlagerabsenkung 20 mm 20 mm 20 mm 20 mm
Radstand 1275 mm 1305 mm 1335 mm 1360 mm
Reach 450 mm 480 mm 510 mm 535 mm
Stack 640 mm 650 mm 660 mm 670 mm

Das Fahrwerk des Pole Machine

Das Pole Machine verfügt über satte 180 mm Federweg in Front und 160 mm am Heck. Beim Hinterbau kommt der von Pole bekannte EVOLINK-Hinterbau zum Einsatz, der aus zwei kurzen Umlenkhebeln besteht. Beim Einfedern rotiert der virtuelle Drehpunkt kreisförmig um das Tretlager. Anders als viele Hersteller setzt Pole auf eine nach vorn gerichtete Radhebungskurve und reduziert den Antisquat kurz nach dem SAG-Punkt stark, um das Fahrwerk so von Antriebseinflüssen der Kette zu entkoppeln.

Auch das Machine verfügt über einen EVOLINK-Hinterbau, bei dem sich der Drehpunkt beim Einfedern um das Tretlager bewegt

Die Übersetzungskennlinie verläuft progressiv und besitzt guten Gegenhalt im mittleren Bereich des Federwegs, wodurch es möglich ist, einen Dämpfer mit geringer Druckstufendämpfung zu verbauen. Im Gegenzug setzt Pole auf ein hohes Maß an Highspeed-Rebound-Dämpfung, um das Rad bei harten Schlägen optimal kontrollierbar zu machen, wenn die Kolbenstange superschnell ein- und ausfedert. Gepaart mit einer eher geringen Lowspeed-Rebound-Dämpfung soll das ein hohes Maß an Traktion generieren. Außerdem soll dieses Setup dazu führen, dass die Geometrie konstant bleibt und sich nicht in steilen Sektionen unter Last zu sehr verändert.

Im Dämpfer kommen keine Spacer zum Einsatz. Beim Setup sind 28 % SAG im Sitzen und ca. 25 % im Stehen ideal.

Da Tokens das Verhältnis von Positiv- und Negativluftkammer beeinflussen, empfiehlt Leo sie nur für kleine, leichte Fahrer. Großen Fahrern mit aktivem Fahrstil, die mehr Progression und Durchschlagsschutz suchen, rät er hingegen, den Luftdruck etwas zu erhöhen und die Highspeed-Druckstufe (an der Federgabel) zu schließen.

Das Setup des Pole Machine

Schon beim Setup wird schnell klar, dass das Machine kein Bike wie jedes andere ist. Das Setup der RockShox Lyrik verläuft wie immer, allerdings empfiehlt Leo, etwas mehr Luftdruck zu verwenden, als auf der Gabel angegeben ist. Auch den Dämpfer stimmen wir mit rund 28 % SAG (im Sitzen) straffer ab, als wir es von einem Bike dieser Klasse normalerweise gewohnt sind. Wirklich überraschend ist jedoch die Empfehlung, die Zugstufen- oder Druckstufendämpfung komplett offen zu fahren. Wir haben erwartet, dadurch auf dem Trail auf einem Pogostick zu sitzen, doch es sollte anders kommen.

Next Level Tech-Talk: Leo hat unglaublich viele spannende Ansichten und Theorien.

Die Trails in Malaga, auf denen wir das Pole Machine getestet haben, sind sehr steinig, steil und anspruchsvoll. Ständig warten Steine nur darauf, Reifen oder Felgen zu zerstören. Aus diesem Grund war unser Testbike mit einem MAXXIS Double Down-Hinterreifen und dem HuckNorris-System in beiden Laufrädern ausgestattet. Pannenschutz stand an oberster Stelle. Unser so aufgebautes Rad brachte rund 15 kg auf die Waage.

Steine, Steine und noch mehr Steine: Auf den Trails in Malaga geht Haltbarkeit vor Gewicht.

Uphill mit dem Pole Machine

Obwohl wir den Großteil der Anstiege mit dem Shuttle bewältigt haben, gab es dennoch einige Möglichkeiten, die Kletterfähigkeiten des Machine zu testen. Durch den wirklich sehr steilen Sitzwinkel (79°) sitzt man trotz des im Stehen sehr langen Hauptrahmens angenehm aufrecht und tritt in einer deutlich zentraleren Position in die Pedale, als man es von nahezu jedem anderen Bike auf dem Markt gewohnt ist. Dadurch kann man mit sehr viel Kraft pedalieren und ähnlich wie im Wiegetritt auch die hintere Bein- und Gesäßmuskulatur nutzen. Wie für ein Bike dieser Klasse üblich, erklimmt man Uphills zwar nicht in Rekordzeit, macht es mit dem Pole jedoch sehr effizient und entspannt. Selbst in steilen Sektionen klebt das Vorderrad am Boden. Trotz des flachen Lenkwinkels kippt das Vorderrad in technischen, langsamen Sektionen nicht weg.

Dank steilem Sitzwinkel und aufrechter Sitzposition geht es entspannt zu jedem Traileinstieg.

Die Offenbarung – die Abfahrt mit dem Machine

Die Frage aller Fragen: Wie fährt sich das Pole Machine bergab? In zwei Worten: unfassbar schnell! Trotz der außergewöhnlichen Geometrie dauert es nur wenige Kurven, bis man sich an das Handling des Bikes gewöhnt hat und ganz automatisch die Bremse immer seltener betätigt. Die größte Umgewöhnung ist wohl bei der Blickführung nötig. Durch den ungeheuren Grundspeed muss man deutlich weiter nach vorn sehen als gewohnt. Doch selbst, wenn man das einmal wieder nicht gemacht hat und von einem Steinfeld überrascht wird, hält das Rad mit seinen schier endlosen Reserven sicher den Kurs.

Pole Machine Plowing it's way through everything
Mit schier endlosen Reserven bügelt das Pole Machine durch härteste Sektionen

Eine der größten Stärken des Machine ist seine enorme Balance. Als Fahrer steht man sehr zentral im Rad und hat massig Bewegungsfreiraum. Die Gewichtsverteilung zwischen den Laufrädern ist sehr ausgeglichen und es fällt leicht, in Kurven Grip am Vorderrad zu erzeugen.

Wer glaubt, ein so langes Bike könne unmöglich enge Sektionen meistern, der irrt. Natürlich ist das Pole genau das andere Extrem als ein BMX und lange Manuals auf der Straße fallen anfangs alles andere als leicht, doch auf dem Trail kann man problemlos Wellen durchsurfen und an Kanten abziehen. Wird es richtig eng, ist man mit jedem Bike gezwungen, das Hinterrad zu versetzen und auch das gelingt mit dem Pole ohne Probleme.

Auf dem langen Bike hat man viel Bewegungsspielraum. Die Balance ist top und so meistert man auch enge Sektionen problemlos.
Manuals auf der Straße erfordern zwar viel Körpereinsatz, auf dem Trail lassen sich Wellen aber problemlos durchsurfen.
Der größte Unterschied zum EVOLINK 140 ist neben dem Fertigungsverfahren und der damit verbundenen Optik das Plus an Federweg

Im Vergleich zum Pole EVOLINK 140 spürt man das Plus an Federweg am Heck des Machine nicht sofort. Während viele Bikes am Markt aktuell sehr satt abgestimmt sind und tief im Federweg stehen, gibt das Pole deutlich mehr Feedback, ohne dabei jedoch unsensibel zu sein. Bei kleinen Unebenheiten sorgt der eher schnell abgestimmte Lowspeed-Rebound für sehr viel Traktion, bei härteren Hits gibt der Hinterbau jedoch bereitwillig seinen Federweg frei, ohne am Ende harsch oder unkontrolliert zu wirken. Genau hier unterscheidet sich das Machine vom EVOLINK 140. Es bleibt bei Highspeed und harten, stumpfen Schlägen noch ruhiger und kontrollierbarer. Dennoch ist es noch immer sehr lebendig und verleiht dem Rad ein hohes Maß an Agilität – trotz des enormen Radstands.

Auch in der Luft ist das Rad sehr ausgewogen. Zum Dirtjumpen würden wir zwar nicht mit dem Machine gehen, aber Speedjumps meistert man gelassen.

Der große Support durch den mit eher wenig SAG abgestimmten Hinterbau erleichtert es zusätzlich, stets guten Grip am Vorderrad aufzubauen, da man nicht im Heck des Bikes versackt. Obendrein lässt sich mit dem Machine auf flachen Sektionen durch Pushen viel Speed generieren. Auch mit zunehmender Geschwindigkeit fährt sich das Rad sehr präzise, ohne aber durch eine übertriebene Steifigkeit Flex und Komfort vermissen zu lassen.

An den verbauten Komponenten gibt es nichts zu beanstanden. Die neue RockShox Lyrik mit satten 180 mm arbeitet auf höchstem Niveau. Der SRAM XX1 Eagle-Antrieb ist eine Klasse für sich und auch die SRAM Code-Bremsen mit großen 200-mm-Bremsscheiben stellen stets genug Power zur Verfügung. Besonders überrascht haben uns die NEWMEN EVOLUTION SL A30-Laufräder, die trotz ihres geringen Gewichts und einigen fiesen Durchschlägen und platten Reifen allen Beanspruchungen anstandslos standgehalten haben.

Ein Garant für Fahrspaß: das neue Pole Machine

Preise und Verfügbarkeit

Das Pole Machine wird sowohl als Framekit als auch in zwei Komplettbike-Optionen angeboten. Die Preise liegen dabei bei 3.450 € für den Rahmen inkl. Dämpfer, 5.500 € für die Machine TR-Version und 6.950 € für die von uns gefahrene Machine EN-Topvariante. Die ersten Serienrahmen befinden sich bereits in Produktion. Verfügbar ist das Rad ab Juni dieses Jahres. Habt ihr noch weitere Fragen? Dann schreibt einfach eine E-Mail an:
service@polebicycles.com

Ein Superbike made in Finland!

Fazit

Das Pole Machine ist ein wahres Superbike. Ähnlich wie ein Supersportwagen wird es immer besser, je schneller man fährt. Es begeistert mit einem bis dato ungeahnten Maß an Stabilität und Kontrolle. Es nimmt den krassesten Trails ihren Schrecken, ohne aber auf flachen Sektionen behäbig oder undefiniert zu wirken. Ach ja, und da wären noch der Look und das Fertigungsverfahren: Dieses Bike ist ein einzigartiges Meisterwerk!

Uphill Downhill Stabilität Agilität Preis-Leistung  – ein einzigartiges Bike hat seinen Preis

Stärken

– einzigartiger Look
– pusht dein Selbstvertrauen aufs nächste Level
– super ausgewogenes Handling
– sehr lebendig und laufruhig zugleich

Schwächen

– keine Manual-Maschine


Mehr Infos unter: polebicycles.com

Die ersten Fahreindrücke waren extrem beeindruckend und wir sind sehr auf einen Dauertest gespannt!

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Text: Fotos: Toni Rutanen