Vor wenigen Wochen hat Shimano die neue XTR M9100 Schaltgruppe vorgestellt und schlägt damit ein neues Kapitel auf. Wir hatten die Gelegenheit die brandneuen 12-fach-Komponenten und die neue XTR 4-Kolben-Bremse zu testen und verraten euch, was die neue Highend Gruppe kann.

Das Kürzel XTR schmückt seit 1991 die leichteste und hochwertigste MTB-Schaltung aus dem Hause Shimano. Als Aushängeschild und Technologieträger gibt die Gruppe aber auch einen Ausblick auf die kommenden Jahre, denn viele Features der Highend Gruppe sickern mit der Zeit zu den günstigeren Schaltungen durch. Die technischen Details haben wir bereits bei der Vorstellung der XTR-Gruppe für euch zusammengefasst, deshalb konzentrieren wir uns hier auf den Praxiseindruck.

Mit der XTR 9100 macht Shimano den Sprung auf 12 Gänge und führt viele neue Technologien ein

Alles dreht sich um die Kassette

An den Anblick großer Kassetten haben wir uns ja bereits gewöhnt, der Sprung auf 12-fach hat vielfältige Auswirkungen

Die offensichtlichste Neuerung ist der Sprung von 11 auf 12 Gänge. Wer jetzt vorschnell abwinkt und auf die guten alten 9-fach Zeiten verweist, sollte jedoch innehalten. Der 12. Gang ist in der Praxis weit mehr als nur ein weiterer Klick am Schalthebel, denn er ebnet den Weg für einen breitbandigen 1-fach-Antrieb ohne Umwerfer. Die neue 10-51Z XTR Kassette bietet 22% mehr Bandbreite als die bisher breitbandigste Shimano Lösung, die 11-46Z XT Kassette für 11-fach Antriebe.

Der Mix aus Alu, Titan und Stahl soll bei der neuen XTR-Kassette für den perfekten Kompromiss aus Gewicht, Haltbarkeit und Preis sorgen

Für viele Biker scheint die Berechnung der Übersetzung immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, gerade beim Wechsel auf einen 1-fach Antrieb herrscht immer noch Angst vor fehlender Bandbreite. Dabei lässt sich mit etwas Kopfrechnen schnell Licht ins Dunkel bringen. Wer bisher mit einer 11-46 XT-Kassette und einem 32Z-Kettenblatt unterwegs war, bekommt beim Umstieg auf die XTR mit gleicher Kettenblattgröße an beiden Enden mehr Bandbreite, denn diese steigt von 418 % auf 510 %. So fällt der kleinste Gang kleiner aus als bei der XT mit einem 30Z-Kettenblatt, der größte ist gleichzeitig höher übersetzt als bei der XT mit 34er Kettenblatt.

Die Kurbelarme der XTR bestehen wie bei der Rennrad-Gruppe Dura-Ace aus zwei zusammengeklebten Hälften und verfügen über eigens entwickelte Direct-Mount-Kettenblätter

In der Praxis lässt die Bandbreite kaum mehr Wünsche offen: Egal ob super steiler Anstieg oder Highspeed Downhill, es gibt einen passenden Gang für (fast) jede Biker-Lebenslage. Über die Wahl des Kettenblatts lässt sich die Übersetzung an die eigenen Bedürfnisse und Strecken anpassen, zur Auswahl stehen 30 bis 38 Zähne. Apropos Kettenblätter: Die neuen Kurbeln setzen erstmals auf Direct-Mount-Kettenblätter, die mit einem speziellen Tool gewechselt werden können. Das Tool liegt der Kurbel bei – praktisch. Neu ist auch das “Narrow-Wide” Zahnprofil, das für besseren Kettenhalt sorgen soll.

Die neue 12-fach Kette ist laufrichtungsgebunden…
…kommt dafür erstmals mit Kettenschloss – Danke, Shimano!

MICRO SPLINE und lautloser Freilauf

Das kleine 10er Ritzel erfordert einen neuen Freilauf, die XTR ist nicht mit bisherigen Naben kompatibel. Bisher ist die Wahl der Naben durch den neuen MICRO SPLINE-Freilauf noch recht eingeschränkt, denn neben der Shimano-eigenen XTR-Nabe wird vorerst nur DT Swiss entsprechende Freilaufkörper anbieten. In Zukunft sollen aber weitere Hersteller folgen – wann, bleibt jedoch offen.

Die neue XTR-Naben sind die ersten mit MICRO SPLINE-Freilauf und SCYLENCE-Technologie

Ein Grund mehr sich die neuen XTR Naben genauer anzuschauen, denn sie sind nicht nur die ersten mit dem neuen MICRO SPLINE-Freilauf, sondern haben noch weiteres spannendes Feature an Bord. Dank der SCYLENCE-Technologie entfällt das gewohnte Rattern der Sperrklinken oder Zahnscheiben völlig, die Nabe gitb beim Rollen keinen Laut von sich. Das ist zunächst etwas ungewöhnlich, doch bereits nach kurzer Zeit stellt man sich unweigerlich die Frage, warum nicht alle Freiläufe so leise sind? Besonders spannend ist, dass man die Abrollgeräusche der Reifen deutlich besser wahrnimmt und damit mehr Feedback vom Untergrund bekommt.

Gangsprünge

So viel Bandbreite will gut verteilt werden, Shimano legt sehr viel Wert auf gleichmäßige Gangsprünge

Ein weiteres Ziel bei der Entwicklung der neuen Kassette war es, möglichst gleichmäßige Gangsprünge zu erhalten. Die bisher breitbandigste Shimano Kassette, die XT 11-46, nervte mit einem riesigen 24,32 % Sprung auf das größte Ritzel. Bei der neuen 10-51Z-Kassette fallen die Gangsprünge auch in den kleinen Gängen sehr gleichmäßig aus, was deutlich angenehmer beim Klettern ist. Für alle, denen die Gangsprünge dennoch zu groß sind, bietet Shimano auch eine enger abgestufte 10-45Z-Kassette an – wir würden jedoch immer zur “großen” greifen. Hier seht ihr die Gangsprünge im Detail:

10
12 – 20,00%
14 – 16,67%
16 – 14,29%
18 – 12,50%
21 – 16,67%
24 – 14,29%
28 – 16,67%
33 – 17,86%
39 – 18,18%
45 – 15,38%
51 – 13,33%

Cockpit Ergonomie

Die neuen Schalthebel lassen sich dank I-SPEC-EV direkt am Bremshebel montieren und die Position lässt sich in Längsrichtung und Rotationsrichtung großzügig anpassen. Grundsätzlich ist das System gut gelöst und sorgt für eine schicke Optik, für Fahrer mit sehr großen Händen reicht der Verstellweg allerdings nicht ganz aus. Wer auf einen besonders cleanen Look steht, kann sein Cockpit mit dem neuen Remote-Hebel für die Sattelstütze komplementieren. Er ist mit allen Sattelstützen kompatibel, bei denen der Schaltzug an der Sattelstütze geklemmt wird.

Mit der neuen Lenkerfernbedienung für die Sattelstütze bleibt das Cockpit aufgeräumt
Die Schalthebel verfügen über gummierte Einsätze, die einen angenehmen Grip bieten

Schaltperformance

Bereits bei den ersten Schaltvorgängen fällt auf wie, sanft und leise die Gangwechsel mit der neuen XTR M9100 durchgeführt werden. Mit einem Druck des Hebels lassen sich wie bisher bis zu 4 Gänge hoch und 2 Gänge runterschalten. Die Hebelkräfte sind dabei sehr gering, fühlen sich aber immer definiert an. Wirklich beeindruckend ist jedoch das Schaltverhalten unter Last, denn die neue XTR wechselt die Gänge auch mit viel Druck an den Pedalen, ohne zu murren. Schaltvorgänge, die bisherigen Schaltungen beunruhigende Geräusche provoziert hätten, gehen butterweich von statten. Erst wenn man mehrere Gänge auf einmal unter Last schaltet, knarzt und knackt es etwas beim Schalten, die Gänge werden aber dennoch zuverlässig und schnell eingelegt.

Treten muss man zwar noch selber, doch die XTR unterstützt den Fahrer, wo sie nur kann

Bergab sollen die neuen Schaltwerke dank größerer Pulleys und stärkerem RD+ Reibungsdämpfer die Kette noch besser stabiliseren und Kettenschlag minimieren. Zwar blieb die Kette auf unserem Testbike zuverlässig an Ort und Stelle, Kontakt mit der Kettenstrebe gab es auf ruppigen Abfahrt dennoch regelmäßig.

Ach ja, die neue XTR schaltet nicht nur hervorragend, sondern sieht auch verdammt schick aus
Bergab verhält sich der neue Antrieb im besten Sinne unauffällig, Kettenschlag gibt es dennoch

Shimano XTR M9100 4-Kolben-Bremsen

Die neue XTR 4-Kolben-Bremse macht nicht nur optisch was her, sie bietet auch exzellente Performance auf dem Trail

Für Trail- und Endurofahrer stellt Shimano eine komplett neue XTR 4-Kolben-Bremse vor, die der Schaltung fast ein wenig die Schau stiehlt. Bereits im Stand macht die neue Bremse ordentlich was her und die kompakten Hebel liegen hervorragend in der Hand. Der Clou beim Hebeldesign: Die Schelle ist weiter in die Mitte gewandert und der Bremshebel stützt sich an einem zweiten Kontaktpunkt am Lenker ab – das soll mehr Steifigkeit und ein noch direkteres Bremsgefühl bieten.

Die neuen Bremshebel der Shimano XTR stützen sich am Lenker ab…
…und sollen so ein noch direkteres Bremsgefühl bieten

Die Bremsleistung soll laut Shimano auf dem Niveau der hauseigenen SAINT-Bremse liegen und unser erster Test untermauert dieses Statement eindrucksvoll. Die neuen XTR-Bremsen bieten massig Power, lassen sich dabei aber deutlich besser dosieren als bisherige Shimano-Bremsen. Das Bremsgefühl blieb jederzeit konstant und selbst auf einer steilen 1000 hm-Abfahrt blieben die Stopper entspannt, Fading Fehlanzeige! Die kurzen Testeindrücke sind natürlich für eine finales Statement noch nicht ausreichend, doch wenn die neuen Bremsen dauerhaft auf diesem Niveau performen, hat Shimano einen Volltreffer gelandet.

Auch in technischen Sektionen lässt sich die XTR Bremse hervorragend dosieren

Fazit

Für ein finales Urteil ist es nach unserem kurzen Test noch zu früh, doch der erste Eindruck zur neuen XTR M9100 ist bereits äußerst vielversprechend. Die 12-fach Schaltung bietet auch unter Last präzise und sanfte Gangwechsel, die hohe Bandbreite dürfte auch die letzten 2-fach Fans überzeugen. Der unerwartete Star der Show ist jedoch die neue 4-Kolben-Bremse, denn sie liefert eine beeindruckenden Performance ab.

Mehr Infos auf shimano.com


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Text: Fotos: Moritz Dittmar, Irmo Keizer