Wie hätten nie gedacht, dass eine FOX 36 schmächtig aussehen könnte – bis die weitaus dickere FOX 38 veröffentlicht wurde. Die hervorragende 36er findet sich nunmehr ein Regal weiter unten, im Bereich All-Mountain. Doch ist die aufgepumpte FOX 38 die neue Königin des Enduro-Sektors, oder sind zwei zusätzliche Millimeter zu viel des Guten?
Als FOX seine 38er-Plattform veröffentlichte, sorgte das für einigen Wirbel. Nicht nur wegen der neuen Technik, die die Federgabel beinhaltete, sondern auch deshalb, weil FOX sein beliebtes 36er-Modell zu einer „All-Mountain“-Federgabel „herabstufte“ – mit kürzeren Federwegsoptionen von 150–160 mm. Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht für die anderen Hersteller mit ihren 35- bis 36-mm-Plattformen – sollten deren Federgabeln nicht länger stark genug für den Enduro-Einsatz sein? Dicker, steifer und mit neuem Innenleben ausgestattet ist die FOX 38 nun das neue schwerste Geschütz ohne Doppelbrücke von FOX. Die Federgabel verfügt über 38-mm-Standrohre und ist erhältlich als Factory-, Performance Elite-, Performance- und E-Bike-Modell mit GRIP2- oder GRIP-Dämpfung sowie als 27,5”- und 29”-Option. FOX verwendet von nun an bei den abfahrtsorientierten Federgabeln nur noch tapered Steuerrohre (1,5”–1⅛”), ohne 1⅛-Steuerrohr-Option. Neben den extra dicken Standrohren besitzt die Federgabel eine neue, rund gestaltete Krone sowie ein im Inneren oval geformtes Steuerrohr, für erhöhte Festigkeit und Steifigkeit. Die FOX 38 besitzt zudem neue Luftkanäle im Casting, die es Luft und Öl erlauben, leichter im Casting umherzuwandern, und so die Schmierung und Feder-Performance verbessern. Die Entlüftungsventile auf der Rückseite der Tauchrohre erlauben ein Angleichen des Luftdrucks in der Gabel an den Umgebungsdruck. Der Trennkolben der Luftfeder sitzt nun innerhalb eines sogenannten „Floating Air Sleeve“, anstatt direkt an den Standrohren der Federgabel anzuliegen. Dadurch kann die Federgabel flexen, ohne dass dabei die Reibung an der Kolbendichtung erhöht wird. Durch diesen Sleeve verringert sich zudem der Innendurchmesser und die 38 nutzt den gleichen Kolbendurchmesser wie eine FOX 34. Aufgrund des engeren Sleeves benötigt die Federgabel höhere Luftdrücke, doch der Vorteil ist, dass auch der Durchmesser der Dichtungen kleiner ausfällt und sich somit die Reibung an den Dichtungen verringert. FOX hat auch die GRIP2-Dämpfung überarbeitet und nutzt nun VVC (Variable Valve Control) am High-Speed-Druckstufen-Kreislauf. Die Federgabel besitzt außerdem ein neues Design mit einer schwimmend gelagerten Achse, für eine perfekte Übereinstimmung mit der Einbaubreite eurer Nabe. Das von uns getestete 29er-Factory-Modell mit 170 mm wiegt 2,32 kg und kostet 1.589 €. FOX gibt an, dass das 38er-Modell gegenüber einer 36er um 31 % stabiler ausfällt bei quer verlaufenden Scherkräften (Biegung), zudem soll es 17 % längssteifer sein (beispielsweise bei starkem Bremsen) und 38 % torsionssteifer. Die neue 38 ist zudem freigegeben für die Nutzung von 230-mm-Bremsscheiben.
Setup der FOX 38
Die FOX 38 ist eine hochgradig anpassbare Federgabel und verfügt über 16 Klicks an Low-Speed-Druckstufeneinstellung und 8 Klicks an High-Speed-Druckstufeneinstellung, sowie eine Einstellbarkeit sowohl der High- als auch der Low-Speed-Zugstufe. Außerdem lassen sich je nach Federweg bis zu sechs Tokens installieren, um die Federkennlinie maßzuschneidern. Mit den empfohlenen Einstellungen aus dem Tuning-Guide von FOX erhielten wir ein gutes Grund-Setup für schnelles Bikepark-Geballer. Allerdings fehlte es ein wenig an Grip. Die Druckstufe bietet ohne Frage massig Support und wir konnten mit weniger Low-Speed-Druckstufe als empfohlen fahren, um so das Ansprechverhalten zu verbessern. Harte Durchschläge verhindert die einstellbare High-Speed-Druckstufe auch dann noch hervorragend. Die Federgabel wird standardmäßig mit zwei Tokens ausgeliefert, doch wir erhielten unser bestes Setup mit einem Token mehr und 2–3 psi zusätzlichen Luftdruck in der Feder, als für unser Gewicht empfohlen.
Die FOX 38 2021 auf dem Trail
Auf dem Trail waren wir von Beginn an beeindruckt. Schon die FOX 36 gefiel uns mit ihrer geschmeidigen Performance, doch in härtestem Gelände spielt die FOX 38 in einer anderen Liga. Trotz der zahlreichen Einstellmöglichkeiten der Federgabel fanden wir schnell ein sehr gutes Setup, das Selbstvertrauen, Support und Unmengen an Grip bot. Die FOX 38 erinnerte uns zeitweise sogar an die noch stärkere FOX 40, da auch sie ruppigstes Terrain in einen Spaziergang verwandelt. Während sie über Steine hinwegbrettert, muss das Vorderrad zwar schwer schuften, doch am Lenker spürt man davon nichts. Die Vorteile des steiferen Chassis kommen am meisten zum Tragen, wenn die Federgabel starken, von einer Seite wirkenden Kräften ausgesetzt ist. Die Luftfeder bleibt dann super sensitiv, ohne spürbare Reibung. Es überraschte uns zudem, dass wir in Off-Camber-Wurzelpassagen einfacher die High-Line nehmen konnten, ohne an Traktion zu verlieren – unser Bike klebte dabei wie Klettverschluss am Untergrund. Große Schläge steckt die 38 ebenfalls gut weg: Wenn ihr es bei einem Sprung übertreibt und im Flat landet, wird nie der zu erwartende dumpfe Schlag an den Fahrer weitergereicht. Stattdessen gleitet die 38 geschmeidig ans Ende ihres Federwegs, ohne euren Flow zu killen. Sehr leichte Fahrer könnten etwas mit der stark gedämpften Low-Speed-Zugstufe zu kämpfen haben: Unsere 80–90 kg schweren Tester öffneten sie fast vollständig. Das legt nahe, dass leichtere Fahrer, die mit niedrigeren Luftdrücken unterwegs sind, es schwer haben könnten, die Federgabel so einzustellen, dass sie schnell genug reagiert. Ein wenig enttäuscht waren wir auch von den Klicks des Einstellrädchens der Low-Speed-Zugstufe, denn diese sind schwer zu erfühlen, wohingegen der Rest der Rasterpunkte an den Einstellern ein sehr gutes Feedback gibt. An einer unserer Test-Federgabeln hatten wir außerdem Probleme mit Knarz-Geräuschen, aber FOX ersetzte uns umgehend die problematische Federgabel – und damit hatte sich das Problem erledigt.
Die Vorteile des steiferen Chassis kommen am meisten zum Tragen, wenn die Federgabel starken, von einer Seite wirkenden Kräften ausgesetzt wird. Die Luftfeder bleibt dann überaus frei, ohne spürbare Reibung, was die Federgabel noch sensibler macht.
Wie schlägt sich die FOX 38 im Vergleich zu den anderen Federgabeln in diesem Test?
Nach ein wenig Zeit für die Einstellungen fanden wir ein Setup der FOX 38, das es uns erlaubte, schneller und kontrollierter zu fahren als mit all den anderen Federgabeln in diesem Test. Im direkten Vergleich fiel es uns im härtesten Gelände mit der FOX 38 leichter, Abstände zu den anderen Testern herauszufahren – ganz so, als würde die Federgabel die Schwierigkeit des Trails eine Stufe nach unten schrauben. Im Vergleich zur FOX 36 und RockShox Lyrik konnten wir mehr Gas geben, härter bremsen und wurzeligen Landungen mehr Vertrauen schenken. Außerdem fühlte sich die 38 nicht so steif an wie die ZEB und bietete stattdessen eine Spur an Nachgiebigkeit, die sich nach langen Abfahrten an den Händen angenehmer anfühlte. Doch sie ist eine SEHR teure Federgabel – wenn ihr nur unregelmäßig im Bikepark unterwegs seid, könnt ihr ohne Bedenken etwas Kohle sparen und euch eine Lyrik kaufen.
Fazit
Die neue FOX 38 ist mehr als nur eine aufgemotzte 36. Stattdessen fühlt sie sich eher wie eine Mini-40 an, mit herausragender Dämpfung und erstklassigem Support. Mit 170–180 mm Federweg ist sie die ideale Gabel für die neuesten knallharten, abfahrtsorientierten 29er-Enduro-Bikes und E-MTBs. Für alle, die im Bikepark an ihr Limit gehen wollen, ist die FOX 38 perfekt. Von allen Enduro-Gabeln liefert sie die beste Performance und sichert sich somit den Testsieg.
Tops
- top Balance aus Steifigkeit und Nachgiebigkeit
- Grip und Support auf einem neuen Level
- super sensibel
Flops
- eine unserer Federgabeln knarzte im Test
- sehr teuer
- etwas komplexeres Setup
Andere 38-Modelle
Die 38 ist in vier verschiedenen Versionen erhältlich: Die getestete 38 Factory gibt es ebenfalls in einer nahezu identischen, speziell auf E-MTBs abgestimmten Version, die über die gleiche Technologie verfügt. Ein Level darunter befindet sich das 1.469 € teure Performance Elite-Modell, das – genau wie die 36 Performance Elite – alle Features der Factory-Version besitzt, mit Ausnahme der Kashima-beschichteten Standrohre. Auf dem Trail gibt es keinerlei Performance-Nachteile mit den andersfarbigen Standrohren. Da die 38 die Federgabel von FOX für alle Enduro-Einsätze ist, gibt es keine FIT4-Version mit Climb-Switch am Nachrüstmarkt zu kaufen – damit können wir sehr gut leben. Das Einstiegsmodell in die 38er-FOX-Welt ist die Performance-Version der 38, die mit GRIP-Dämpfung und ohne die Entlüftungsknöpfe 1.259 € kostet.
Mehr Infos gibt es auf der Hersteller-Website. Ihr wollt wissen wie sich die FOX 38 GRIP2 im Vergleich zur Konkurrenz schlägt? Dann seid ihr hier fündig!
Alle Federgabeln im Test: DVO Onyx SC D1 | FOX 36 2021 Grip2 Factory | FOX 38 2021 Grip2 Factory | Manitou Mezzer PRO | Marzocchi Bomber Z1 Coil | MRP Ribbon Coil | Öhlins RXF36 M2 Air | RockShox Lyrik Ultimate 2021 | RockShox ZEB Ultimate
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Fotos: Finlay Anderson