Laut GHOST ist das neue LECTOR World Cup 30 nicht nur eine Evolution, sondern eine Revolution unter den Hardtails. Das 30-jährige-Jubiläum des LECTOR wird mit einem leichtgewichtigen und XC-Race-tauglichen Hardtail gefeiert. Wir haben unser Ausdauer-Ass Bene mit dem LECTOR World Cup 30 und Old-School-Trainer Jensi aufs XC-Bootcamp geschickt, um zu sehen, wer härter ist: Mensch oder Hardtail.

GHOST LECTOR World Cup 30 | 120 mm | 10.34 kg in Größe L | 9,000 € | Hersteller-Website

Ist das neue GHOST LECTOR wirklich die Revolution im Cross-Country-Radsport? Für uns ist es vor allem ein Hardtail-Experiment im Cross-Country-Gefilde. Dafür setzt die vermeintliche Race-Waffe auf eine absenkbare Sattelstütze, um den Beinen Spielraum zum Federn zu lassen und immerhin 120 mm Federweg vorn. Als Add-on für alle Vollgas-Cross-Country-Shredder à la Fumic oder Sagan sind Tire Inserts vorn und hinten Serie – top!

Kurzerhand haben wir Marathonläufer und Performance-Pendler Bene zum neuen CC-Ass ernannt und ihn samt Trainer der alten Schule Jensi auf die hochanspruchsvollen Tracks von San Remo, Italien, geschickt, um zu schauen, was Bike und Body hergeben.

Schwarz, schlicht, steif – Das GHOST LECTOR World Cup 30-Hardtail im Detail

Das GHOST LECTOR World Cup 30 ist ein Hardtail extra für den dedizierten Renn-Einsatz. Mit 30-Years-Anniversary-Schriftzug auf dem Oberrohr und schwerem Preisschild von 9.000 €. Das LECTOR steht mit auffälligem Branding auf dem sonst ganz schlichten schwarzen Carbon-Rahmen da. Geschmückt ist das Rad mit weißen Decals und einem leichten Knick in den Sitzstreben.

Die Zugverlegung findet am World-Cup-Modell intern durch den Steuersatz statt. Dennoch nicht ganz clean an der Kabelfront: Die Zusatzleitung für den Federgabel-Lockout via TwistLoc-Drehgriff verläuft in einem großen Bogen. Am ultraleichten Carbon-Rahmen können zwei Trinkflaschen befestigt werden: Anschraubpunkte sind am Unterrohr ebenso wie am Sitzrohr vorhanden. Wenns nach Trainer Jensi geht, spielt das sowieso keine Rolle: Denn getrunken wird nur der Hopfensaft nach der Trainingseinheit! Mehr Details oder versteckte Anschraubpunkte, Klappen oder Öffnungen sind am puristischen Bike nicht zu finden. Es ist eben ganz auf den Renneinsatz optimiert. Für halbe Ruhe auf dem Trail sorgt der dünne Gummi-Kettenstrebenschutz mit LECTOR-Schriftzug. Dieser bedeckt die Kettenstrebe nur von oben, während die Kette von unten immer noch an den Rahmen schlägt und für Unruhe sorgt.

Watt statt Federweg – Die Ausstattung des GHOST LECTOR World Cup 30

Bei der Ausstattung des 9.000 € teuren LECTOR haben die Produktmanager aus Waldsassen nur ganz oben im Regal zugegriffen, denn viel ist ja nicht gerade verbaut am gewichtsreduzierten Race-Hardtail. Der Rahmen besteht aus dem leichteren UC-Carbon, das es nur am Top-Modell gibt und im Gegensatz zum LC-Carbon nochmal einige Gramm sparen soll, ohne an Steifigkeit einzubüßen. So wiegt der Rahmen allein laut Hersteller in Größe S nur 885 g. Die SID Ultimate-Federgabel von RockShox verfügt in den L- und XL-Modellen über 120 mm (in XS/S/M 110 mm) Federweg und kann über den TwistLoc-Hebel linker Hand in zwei Positionen gelockt werden: von Open zu Pedal oder Lock.

Mangelhaft
Der Kettenstrebenschutz umschließt die Kettenstrebe nicht ausreichend, um Kettenschlagen und Geräusche ganz zu verhindern.
Fast clean!
Wäre die Lockout-Leitung zur Federgabel nicht da, wäre der Anblick des einteiligen Carbon-Cockpits noch cleaner.

Auch in puncto Gewicht passt die leichte Dämpfungskartusche der SID voll ins Konzept des LECTOR. Als Antrieb kommt eine Kombination aus SRAMs direkt am Rahmen montierter Transmission-Baureihe zum Einsatz: Das SRAM XX Eagle AXS Transmission-Schaltwerk wechselt die 12 Gänge elektrisch und auch unter Last zuverlässig und die XX SL-Kurbel, -Kette und -Kassette drücken das Gewicht. Ebenso auf Knopfdruck fährt sich die 125 mm lange RockShox Reverb AXS-Dropper-Post aus und sorgt so – an einem XC-Bike – für großzügige Bewegungsfreiheit. Für Verzögerung sorgen die SRAM Level Ultimate-Bremsen. Mit nur zwei Kolben pro Bremssattel und 180 mm kleinen Bremsscheiben tragen die Bremsen zum geringen Gewicht bei, erfordern aber viel Handkraft auf langen Abfahrten.

Augenweide
Die SRAM XX Eagle AXS Transmission mit den SL-Parts aus Kette, Kassette und Kurbel sorgt für geringes Gewicht und sieht schick und filigran aus.
Heißes Eisen
Die SRAM Level ZweiKolbenbremsen werden schnell heiß und erfordern viel Handkraft.

Das einteilige Ursus-Carbon-Cockpit bringt den Piloten durch den leichten Down-Sweep und den 65 mm langen Vorbau in eine sportliche Fahrposition. Mit 780 mm fällt der Lenker außerdem ordentlich breit aus für ein XC-Bike. Für ein leichtes Rollverhalten sind die MAXXIS Aspen-Reifen in der abrollfreudigen DualCompound-Gummimischung auf den DT Swiss XRC 1501-Laufrädern verantwortlich. Vor Durchschlägen auf die sensiblen Carbon-Felgen schützen neben der dünnen EXO-Karkasse auch noch Pepis PTN Tire Noodles aka Reifen-Inserts. Die dünne EXO-Karkasse verfügt dennoch über wenig Schnittschutz an den Flanken, womit ein gewisses Risiko für einen Platten bleibt. Somit steht das Bike direkt tubeless aufgebaut und race-ready da und wiegt nur 10,34 kg in Rahmengröße L.

Happy Birthday
Vor über 30 Jahren hat GHOST ihr erstes MTB vorgestellt. Mit dem LECTOR World Cup 30 feiert die Marke Geburtstag und macht sich ein 9.000 € teures Geschenk.

Lang, hart und gerädert – Die Geometrie des GHOST LECTOR World Cup 30

Die Geometrie des neuen GHOST LECTOR wurde – entgegen Trainer Jens’ Meinung darüber, was gut ist – an die von modernen Bikes angepasst. So ist das LECTOR in Sachen Federweg mit 120 mm etwas üppiger bestückt worden als frühere Cross-Country-Räder und auch die generelle Länge des Bikes ist ordentlich gestiegen. Stichwort: Reach. Dieser beträgt in Größe L stolze 510 mm. Das sorgt natürlich für ein ganz schön gestrecktes Fahrgefühl, wenngleich der mit 75,7° recht steile Sitzwinkel wieder etwas dagegen arbeitet. Der Lenkwinkel beträgt im Enduro-Kosmos steile 68° und bedingt ein vergleichsweise nervöses Einlenkverhalten. Selbst die XC-Konkurrenz hat sich hier eher auf rund 66° geeinigt. In Kombination mit den nicht mitwachsenden 430 mm kurzen Kettenstreben sorgt das entgegen der schieren Länge des Bikes für Agilität – zumindest in der Theorie. Denn der Fahreindruck folgt auf dem Fuß.

Die Geometrie des Ghost Lector

Größe XS W M L XL
Reifenkonfiguration 29 29 29 29 29
Oberrohr 567 mm 603 mm 639 mm 671 mm 704 mm
Sattelrohr 405 mm 425 mm 445 mm 465 mm 485 mm
Steuerrohr 90 mm 90 mm 90 mm 110 mm 140 mm
Lenkwinkel 68° 68° 68° 68° 68°
Sitzwinkel 75,8° 75,7° 75,7° 75,7° 75,7°
BB Drop 60 mm 60 mm 60 mm 55 mm 55 mm
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Radstand 1112 mm 1148 mm 1184 mm 1221 mm 1258 mm
Reach 412 mm 448 mm 448 mm 510 mm 535 mm
Stack 611 mm 611 mm 611 mm 634 mm 661 mm

Aufsitzen, angeschrien werden, abliefern – Das GHOST LECTOR World Cup Pro auf dem Trail

Gehts bergauf, schießt das GHOST LECTOR unter Athlet Benes Beinen den Berg rauf und lässt selbst den Trainer auf dem E-Enduro gut stehen. Die sehr sportliche und vorgebeugte Sitzposition durch die lange Reach und den Lenker mit negativem Rise sorgt für maximale Effizienz, aber auch viel Druck auf den Handgelenken. Das ist nach einer Tagestour deutlich zu spüren. Wer zwischen zwei Rahmengrößen liegt, sollte daher, um das Problem zu reduzieren, die kleinere in Erwägung ziehen. Dafür bringt das starre Heck höchste Effizienz auf die Straße. Zumindest zu Beginn des Tages und im nicht so steilen Terrain. Wirds besonders steil, muss man mit den kurzen Kettenstreben Gewicht nach vorn bringen, um die Front unten zu halten. Dadurch neigt das Hinterrad dann schnell zum Durchdrehen, was auf die schiere Länge und vorgebeugte Position des Piloten zurückzuführen ist – da hilft auch kein Anbrüllen von Trainer Jensi mehr. Schnurstracks wird das CC-Hardtail samt Bene an die Leine genommen und per E-Bike auf den Gipfel gezogen: Heute stehen Downhill und Linienwahl auf dem Trainingsplan.

Dicke Backen: Bei Off-Camber-Steinfeldern und generell auf so grobem Terrain wie in San Remo kann man auf dem GHOST LECTOR schon mal dicke Backen machen.

Das tiefgezogene einteilige Cockpit platziert euch unwillkürlich sportlich und tief auf dem LECTOR und sorgt mit 780 mm Breite für reichlich Kontrolle.

Denn in der Bergabfahrt hat Trainer Jens seine Wurzeln und kennt jede Linie auf den anspruchsvollen Strecken in San Remo. Das GHOST LECTOR World Cup 30 dazu zu bringen, diese Linien zu treffen und auch zu halten, ist die Aufgabe von Schüler Bene – unter stets kritischem Blick sowie lautem Getöse mit der Uhr im Nacken. Auf den leicht feuchten Strecken hat Bene mit den schwach profilierten Aspen-Reifen deutlich zu kämpfen. Auf dem Bike mit sehr langem Radstand neigen Vorder- und Hinterrad gleichermaßen früh zum Ausbrechen, lassen sich dann aber immer noch gut unter Kontrolle halten – wenigstens von erfahrenen Piloten. Anfänger sollten sich hingegen langsamer an den schmalen Grenzbereich herantasten.

Die Länge des GHOST LECTOR sorgt für eine hohe Laufruhe und ein gutmütiges Verhalten im schmalen Grenzbereich.

Gehts eher geradeaus und der Trail zeigt sich nicht von seiner bissigsten Seite, beweist das GHOST LECTOR eine hohe Laufruhe und fühlt sich beinahe an wie deutlich schwerere Trail-Hardtails à la ROSE Bonero. In solchem Terrain hat selbst Trainer Jens kaum was auszusetzen. Die Sicherheit, die das Bike da ausstrahlt, kann zwar nie mit der Laufruhe eines vollgefederten Bikes mithalten, spielt sich aber im XC-Hardtail-Kosmos dennoch in einem sehr hohen Bereich ab. Die Reifen können dank der Inserts mit wenig Luft gefahren werden und fangen so feine Unebenheiten ganz gut auf; alles Gröbere muss durch einen aktiven Fahrstil und mit weichen Kniegelenken aufgefangen werden. Das macht den Ritt bergab auf dem XC-Hardtail auf Dauer sehr anstrengend, vor allem im Vergleich zu den aktuellsten Downcountry-Fullies, auf denen ebenfalls Worldcup-Rennen bestritten werden. Nach den zehrenden Trails in San Remo hat sich Bene das Ausfahren auf der Rolle deutlich verdient – während Trainer Jens ihn mit Feierabend-Bier anspornt wie das Pferd mit der Karotte an der Angel.

Die Länge des GHOST gibt zwar Ruhe, aber wenn einem der Trainer mit Stoppuhr im Nacken sitzt, kann man das nicht ganz genießen.

Für wen ist das GHOST LECTOR World Cup 30?

Das GHOST LECTOR World Cup 30 spricht vor allem Athleten an, die auf Exklusivität und die Simplizität eines Hardtails Wert legen und sich ein bisschen quälen wollen – egal, ob mit oder ohne Trainer-Geschrei. Die gute Ausstattung und das geringe Gewicht machen es zur idealen Wahl für ernsthafte Rennfahrer und ambitionierte Hobbybiker, die sich auf Cross-Country- und Marathon-Strecken austoben wollen und über das nötige Kleingeld verfügen. Denn für 9.000 € ist das Hardtail sicher kein Schnäppchen, sondern trägt der exklusiven 30-Jahre-Jubiläums-Variante besonders hoch Rechnung.

Das Fazit zum neuen Ghost Lector World Cup 30

Das neue GHOST LECTOR World Cup 30 schafft es, eine Brücke aus dem Cross-Country-Rennsport in Richtung potenter Trail-Hardtails zu schlagen. Mit der modernen Geometrie und dem zusätzlichen Federweg bietet es eine Hardtail-typische Performance bergauf und liefert auch bergab solide ab. Bene und Jens sind sich einig: Das Bike ist ein Spezialist für Strecken, die bergauf hohe Effizienz erfordern und in der Abfahrt eher entspannt aussehen.

Tops

  • hohe Laufruhe
  • effizient am Berg
  • Tire Inserts vorn und hinten

Flops

  • schmaler Grenzbereich
  • hoher Preis

Weitere Infos unter ghost-bikes.com.


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Text: Julian Schwede Fotos: Peter Walker