Gravel-Bikes sind momentan groß im Kommen, doch viele Mountainbiker sind zunächst noch skeptisch. Und ganz ehrlich: Uns ging es anfangs auch so, aber inzwischen kommt es vor, dass wir ganze Wochenenden auf Dropbar-Bikes verbringen. Wir haben euch fünf Gründe zusammengefasst, warum Graveln doch gar nicht so scheiße ist.

Gravel-Bikes sind die Schnittstelle zwischen MTBs und Roadbikes. Aus Sicht der Mountainbiker sind es oft einfach Rennräder mit stärker profilierten Reifen oder Vorkriegs-Hardtails mit Dropbar-Lenkern. Aber es gibt auch noch einige andere Unterschiede: Die Reifen und Lenker sind breiter, die Geometrie ist für eine höhere Laufruhe angepasst und die Sitzposition ist meist komfortabler. Momentan sind Gravel-Bikes hauptsächlich bei Roadies beliebt, die auch abseits viel befahrener (Auto-)Straßen ihre Kilometer herunterspulen wollen. Doch Graveln wird immer vielseitiger – und gleichzeitig extremer –, und spricht somit auch Mountainbiker an. Neue Bikes mit Federelementen und Droppern kommen auf den Markt und werden als „Gravelduro“ oder „Gravity-Gravel“ bezeichnet. Die Grenzen zwischen Mountain- und Gravel-Bikes verschwimmen immer weiter und reine Mountainbike-Hersteller wie YT bringen mit ihrem neuen SZEPTER plötzlich auch Gravel-Bikes auf den Markt. Aber auch Bikes wie das 3T Exploro Ultra oder RONDO RATT zeigen, dass die Bike-Industrie erkannt hat, dass Mountainbiker so langsam Bock auf Graveln bekommen, oder Roadies immer mehr im Gelände unterwegs sind. Wir zeigen euch, was uns als Hardcore-Mountainbiker am Graveln überzeugt hat.

Schotter trocknet schneller als Matsch

Für viele Mountainbiker bedeutet Winter eine deutliche Reduktion der Bike-Zeit. Die Trails sind matschig und nach jeder Session müssen Bike, Klamotten und Körper erstmal grundgereinigt werden. Zudem sind die gefühlten Temperaturunterschiede zwischen Uphill und Downhill ziemlich groß. Beim Bergauffahren schwitzt man unter seinen fünf Lagen wie verrückt, nur um dann bei der Abfahrt durch den Fahrtwind wieder komplett auszukühlen. Deshalb ist gerade für die Winterzeit ein Gravel-Bike gut geeignet, um auch in den kalten Monaten etwas Bike-Zeit unter den Hintern zu bekommen. Schotterstraßen trocknen deutlich schneller als Trails – und Asphaltstraßen sowieso. Zudem fährt man meist eine deutlich konstantere Geschwindigkeit mit eher gleichmäßiger Anstrengung. Das macht die Wahl der Klamotten um einiges einfacher. Aber Achtung: Die Hände müssen deutlich dicker eingepackt werden, da sie dem vollen Fahrtwind ausgesetzt und zudem meist weniger stark durchblutet sind als auf dem Mountainbike.

Graveln ist Underbiking auf einem neuen Level

Gravel-Bikes bringen allerdings nicht nur saisonalen Fahrspaß. Denn mit modernen Enduro-Bikes ist man inzwischen auch auf ruppigen DH-Strecken oder im Bikepark gut aufgehoben. Die Kehrseite davon ist allerdings, dass weniger anspruchsvolle Trails dadurch schnell unspektakulär werden. Für viele, die ihr Enduro als ein Bike für alles nehmen, werden dadurch vor allem Hometrails – die man fast schon blind fahren kann – etwas fad. Besonders da Hometrails für die meisten von uns auch nicht zu den wildesten Trails zählen. Kein Wunder also, dass quasi als Gegentrend zu immer fähigeren Bikes Underbiking immer beliebter wird – also mit Bikes Trails fahren, die eigentlich zu krass dafür sind. Und Gravel-Bikes bilden die Speerspitze dieses Trends und sind somit eine super Ergänzung zu euren Bike-Flotten. Damit werden Trails, die schon lange als zu langweilig abgestempelt wurden, wieder zur technischen Herausforderung. Vor allem die andere Körperposition, die man durch die Dropbars einnehmen muss, wird euch auf jeden Fall aus eurer Komfort-Zone herausholen! Habt ihr euch aber erst einmal ein bisschen an das Bike gewöhnt, werdet ihr überrascht sein, was man mit diesen ungefederten Bikes mit den – verhältnismäßig – schmalen Reifen alles fahren kann. Trotzdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass Dropbar-Bikes immer mehr Rennrad als Mountainbike sein werden. Denn selbst Cross-Country-Hardtails, die unter den Mountainbikes wohl die Kategorie mit dem meisten Vortrieb darstellen, sind im Gelände spürbar stärker als Gravel-Bikes. Dafür sind Gravel-Bikes durch ihre schmalen Reifen und den Dropbar unter allen Bikes, die man auf verschiedenen Untergründen fahren kann, die leichtesten und schnellsten.

Gravel-Bikes sind verdammt schnell …
… bieten aber gleichzeitig mehr Komfort und ein größeres Einsatzgebiet als Rennräder

Gravel-Bikes sind die besseren Rennräder

Wenn ihr Bock auf ein Straßenrad habt, seid ihr mit einem Gravel meist besser beraten als mit einem Rennrad. Egal, ob ihr das Bike als Trainingstool für eure Fitness haben möchtet oder um easy auf mehr Bike-Zeit zu kommen ohne dabei auf Trails angewiesen zu sein, Gravel Bikes sind hier immer die erste Wahl. Denn wenn ihr nicht gerade das letzte Fünkchen Effizienz herausholen wollt, machen sie einfach mehr Sinn als Rennräder. Zum einen haben Gravel-Bikes eine geringere Überstandshöhe – also wie viel der Sattel höher als der Lenker ist. Dadurch sitzt man weniger nach vorne gebeugt und ist dadurch zwar weniger aerodynamisch, aber dafür deutlich komfortabler unterwegs. Zum anderen ist das Einsatzgebiet deutlich größer. Durch die breiteren Reifen wird die Fahrt auf Schotterstraßen – aber auch auf unebenen Asphaltstraßen – deutlich besser gedämpft. Und auch die Rahmen und Gabeln sind auf Vibrationsdämpfung ausgelegt. Eure Handgelenke und euer Rücken werden es euch danken ;). Das gibt euch auch deutlich mehr Freiheit bei der Routenplanung: So kann man mit dem Gravel-Bike easy einfach mal frei Schnauze losfahren, ohne darauf achten zu müssen, wie gut die Straßen auf der Route asphaltiert sind. Das ermöglicht euch, vor eurer eigenen Haustür auf Entdeckungstour zu gehen. Denn wie gut kennt ihr eure Heimat wirklich? Es gibt viele coole Orte, zu denen man mit dem Mountainbike einfach nicht hinfährt, weil es schlicht und ergreifend zu weit ist. Wohin führt dieser Feldweg hinter dem verlassenen Industriegelände? Was liegt eigentlich am Ende dieses einen Tals? Das könnt ihr alles mit dem Gravel-Bike erforschen. Dabei geht es auch nicht um maximale Performance oder Effizienz – wie oft beim Roadbiken –, sondern einfach um den Spaß. Beim Graveln wird niemand wegen der Höhe seiner Socken oder der Länge seines Vorbaus schief angeschaut.

Gravel-Bikes sind sehr vielseitig

Gravel-Bikes sind so vielseitig wie kein anderes Bike. Egal, ob ihr auf einen schnellen Fun-Ride, ein Bikepacking-Abenteuer, eine Erkundungstour oder eine Runde Singletrails losgeht, mit dem Gravel-Bike geht das alles. Das heißt aber nicht, dass alle Gravel-Bikes gleich sind, denn natürlich gibt es dennoch verschiedene Schwerpunkte und ihr solltet euch bewusst sein, was ihr mit dem Bike hauptsächlich fahren wollt. Denn auch wenn Gravel-Race-Bikes vielleicht schnittig und schnell aussehen, so gibt es für lange Touren oder Overnighter sicher besser geeignete Rahmen. Gravel-Race-Bikes bieten wenig Rollwiderstand, minimales Gewicht, eine sportliche Sitzposition und ein direktes, scharfes Handling. Damit sind sie sehr nahe am klassischen Rennrad dran und bringen maximale Effizienz auf den Schotter. Komfort und Allround-Tauglichkeit sind dabei zweitrangig. Backroad-Gravel-Bikes sind der nächste Schritt in Richtung Offroad. Sie sind gut geeignet für einen Mix aus Asphalt-, Schotter- und Waldwegen. Zum Trail-Fahren eignen sie sich allerdings noch nicht sehr gut. Dafür gibt es Adventure-Gravel-Bikes. Sie sind eher für Offroad gedacht und bieten zudem noch viele Anschraubpunkte für Gepäck und meist einen breiteren Lenker für mehr Sicherheit im Gelände. Relativ neu sind dazu noch Gravity-Gravel-Bikes. Diese bieten eine Geometrie, die sehr nah am Mountainbike angelehnt ist, und haben oft einen Dropper Post sowie teilweise auch Federelemente verbaut. Sie geben euch von allen Gravel-Bikes maximale Sicherheit auf technischeren Trails, sind aber dennoch deutlich effizienter auf Schotter oder Asphalt als Mountainbikes.

Fahrradfahren macht Spaß – egal, mit welchem Bike

Und zu guter Letzt muss man natürlich sagen: Egal, wie abgefahren die Bike-Kategorie auch klingen mag – von Down-Country über Gravelduro bis zu Offroad-Aero-Gravel – am Ende sind es alles Fahrräder. Und Fahrradfahren macht Spaß. Man kommt raus an die frische Luft, kann sich den Kopf frei treten und den Alltag hinter sich lassen. Bikes helfen, unsere Komfort-Zone zu pushen und Abenteuer zu erleben. Letztendlich geht es nicht darum, was ihr fahrt, sondern wie ihr fahrt. Habt Spaß dabei und kümmert euch nicht zu viel darum, was andere davon halten. Gravel-Bikes sind einfach ein weiterer Weg, Freiheit auf zwei Rädern zu erleben und das Leben zu genießen.

Mountainbiker sind Neuem gegenüber oft sehr skeptisch – E-Mountainbikes, Dropper Posts oder 29er zeigen das deutlich. Aber man muss einfach sagen: Gravel-Bikes machen Bock. Es ist ein großes Feld, das für jeden etwas zu bieten hat, egal, ob Rennrad-Ersatz, Fitness-Tool oder Adventure-Bike. Auch wenn wir zunächst skeptisch waren, haben wir gelernt, dass man sich einfach mal auf Neues einlassen muss, um für sich selbst herauszufinden, was man daran geil findet.


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Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“