„Hier draußen könnte man eine Leiche vergraben und damit einfach so davonkommen.“ Dieser Satz kommt einem fast unweigerlich in den Sinn, wenn man im Norden von Harris durch Szenerien fährt, die an eine Mondlandschaft erinnern. ENDURO-Redakteur Trevor ist nach Harris gefahren, um das Bike-Potenzial einer von Schottlands geheimnisumwittertsten Inseln zu erkunden – und hat ein wahres Juwel gefunden.
Die Insel Lewis and Harris liegt in der nordwestlichen Ecke der Äußeren Hebriden, einer etwa 200 km langen Inselkette vor der Westküste Schottlands, und ist nicht besonders bekannt für seine Bikemöglichkeiten. Die meisten Bike-Touristen sind vor allem von der bekannteren Isle of Skye fasziniert, seit Danny MacAskill sie mit seinem Video „The Ridge“ berühmt gemacht hat. Doch als wir hier in eine weitere Haarnadelkurve hineinrollten, die gefährlich oberhalb des Meeres hängt und es mit allem in den Alpen aufnehmen kann, wurde uns klar, dass auch Harris auf diese gewaltige schottische Art eine Menge zu bieten hat.
Ausgangspunkt unserer Tour war Urgha, direkt östlich von Tarbert. Die 22-km-Runde lässt sich in beide Richtungen fahren: im Uhrzeigersinn, wenn man längere, sanftere Abfahrten will, und gegen den Uhrzeigersinn, wenn’s ein bisschen aufregender sein soll (Die GPX-Datei könnt ihr hier herunterladen). Wir entschieden uns natürlich für letztere Variante, und nun mussten wir auf alles zurückgreifen, was wir an DH-Skills besaßen, um auf den verdammt steilen Serpentinen im Sattel zu bleiben, immer den tiefen Abgrund zum Meer hin vor Augen. Der Trail war eine perfekte Mischung aus schnellem, ausgetretenem Bergpfad und verblockten Abschnitten, die einiges an technischem Können verlangten. Unten angekommen entfuhr uns erstmal ein erleichterter Seufzer, bevor wir uns so richtig auf den Anblick eines weiteren wunderschönen Strandes einlassen konnten. Harris ist voller Gegensätze, von der beinahe mondartigen Landschaft und den schroffen Bergen des Nordens zu den steilen Klippen und weißen Sandstränden im Süden.
Dank des sehr umfassenden schottischen Wegerechts (man darf eigentlich überall fahren), ist Harris das perfekte Reiseziel für abenteuerlustige Biker. Ausgewiesene und eigens angelegte Bike-Trails werdet ihr hier allerdings nicht finden, ihr braucht eine Karte und müsst sie auch benutzen können. Und der Handyempfang ist lückenhaft, lasst es also auf den technischen Passagen der Sicherheit zuliebe etwas langsamer angehen! In den Highlands gibt es keine Helden! Dafür unglaubliche Trails, warmherzige, freundliche Locals und eine Erfahrung, die ihr nie vergessen werdet. Harris ist ein Muss für alle, die den Spirit von Schottland erleben und weit weg von den Touristenrouten sein wollen.
Wie man nach Harris kommt
Wenn man die Bikes dabei hat, nimmt man am besten die Caledonian-MacBrayne-Fähre von Ullapool nach Stornoway. Die große Autofähre geht achtmal am Tag, braucht zweieinhalb Stunden, und ist nicht so teuer, wie man meinen könnte. Wir fanden die Überfahrt sehr angenehm, es gibt auch ein großes Aussichtsdeck. Von Ullapool nach Stornoway, kostet die Hin- und Rückfahrt nur 18,40 £ pro Person, pro Auto 99,00 £. Wenn man von Skye aus anreist, kostet die Hin- und Rückfahrt von Uig nach Tarbert nur 12,20 £ pro Erwachsenem und 60 £ für ein Auto. Hier sollte man sich unbedingt einen Platz auf dem oberen Deck sichern, um die wunderbare Aussicht zu genießen und mit etwas Glück einen Seeadler zu erspähen.(Fahrplan und Preise findet ihr hier.) Die Fahrt nach Ullapool führt euch auch an anderen Mountainbike-Zielen von Weltrang vorbei (mehr Infos dazu im fantastischen Highland E-Guide.) Ein Trip zu den Äußeren Hebriden verdient es, Teil einer längeren Reise zu sein.
Unterwegs vor Ort
Bei einer Einwohnerzahl von nur 2.000 Menschen ist es schon überraschend, wie viel hier in die Infrastruktur investiert wurde. Die Straße, die die Strände im Süden miteinander verbindet, wird im Volksmund als „Golden Road“ bezeichnet, weil es, so die Legende, günstiger gewesen wäre, sie mit Gold zu pflastern – jeder Meter musste entweder aus dem Fels herausgesprengt oder dem Meer abgerungen werden. Von A nach B zu kommen ist einfach, und die größeren Dörfer haben alle sehr gute Pubs und Gaststätten. Das neue Distillery Café mit seinen freundlichen Mitarbeitern und sehr gutem Essen eignet sich auch perfekt für die Mittagspause.
Mountainbiken auf Harris
Die ganze Zeit über fragten wir uns, warum nicht mehr Leute Harris auf dem Schirm haben. Wir kamen an unglaublichen Lochs vorbei, fuhren verhängnisvolle Serpentinen hinab, die hoch über dem türkisblauen Meer hängen – und das alles, ohne auf eine einzige Reifenspur zu stoßen. Die Trails in den Bergen sind ruppig, aber in hervorragendem Zustand, und die Strände an der Westküste sind einfach unglaublich. Wir empfehlen wärmstens die Runde von Urgha nach Rhenigidale (hier entgegen dem Uhrzeigersinn, aber es geht auch andersherum, dann sind die Abfahrten länger und entspannter). Der klassische alte „Postman’s Walk“, der sich auch in der Nähe von Urgha befindet, ist gleichermaßen episch. Wenn ihr einen Guide sucht, wendet euch an Go-Where, Andy McKenna wird sich um euch kümmern. Falls ihr ninjamäßige Checker im Kartenlesen seid und euch gern allein aufmachen wollt: Eine schnelle Google-Suche liefert ein paar fantastische Routen. Wenn ihr mehr über Mountainbiken in Schottland und das einzigartige Wegerecht wissen wollt, gibt es online einige sehr gute Quellen, allen voran ‘Do The Ride Thing’ und der “Scottish Outdoor Access Code“.
Welches Bike sollte man mit nach Harris nehmen?
Spaß haben kann man hier auf jeder Art von Bike, vom Rennrad zum fetten Enduro mit 160 mm Federweg. Unser Tipp für maximalen Spaß ist ein potentes Trailbike mit 130 bis 140 mm Fedeweg, damit kann man die langen Bergtouren fahren und es hat genug Reserven, um die verblockten Trails ein bisschen angenehmer zu machen. Weil sie so schnell und verblockt sind, sind gute Reifen Pflicht. Nehmt auf jeden Fall eine Karte mit und fahrt vernünftig, denn an vielen Stellen ist der Handyempfang nicht gut. Wenn ihr noch Platz im Auto habt, packt ein Rennrad ein – auch das bietet hier spektakuläre Möglichkeiten und der Asphalt ist vom Feinsten.
Was gibt es sonst noch zu tun?
Harris ist nicht nur ein Reiseziel für Mountainbiker, sondern auch einer der schönsten Orte der Welt. Fahrt hier nicht mit der Hoffnung auf ein brodelndes Nachtleben und Bars her, es ist ein Ort der Ruhe, wo die wilde Natur im Zentrum steht. Wenn ihr Strände liebt, wird euch Luskentyre umhauen, wo menschenleere Streifen unberührten weißen Sandes auf türkisfarbenes Wasser treffen, das so klar ist wie Gin. Ein Barbecue oder Lagerfeuer am Strand ist ein schöner Abschluss für einen langen Tag im Sattel. Wenn das Wetter nicht so super ist oder wenn ihr dem Whisky nicht abgeneigt seid, dann lohnt sich ein Besuch in der Harris Distillery. Sie ist noch ziemlich neu und die ersten Fässer reifen noch, doch Harris produziert auch exzellenten Gin, und man kann hier eine Menge darüber lernen, wie Whisky hergestellt wird und was den Harris Blend so besonders machen wird.
Wenn ihr mehr über Harris wissen wollt, schaut euch die Tourismus-Website an!
Text und Bilder: Trev Worsey
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