Spektakuläre Landschaften, spontane Teamarbeit und wechselhaftes Gondel-Karma: Die Graubündner Berglandschaft war am vergangenen Wochenende Kulisse für die zweite Hörnli-Trailjagd. Rund 100 Teams folgten dem Ruf von feinen Trails und den sagenumwobenen „Hörnli mit Ghackets“. Natürlich haben auch wir uns das nicht entgehen lassen!

Déjà-vu oder was? Aaron, lang erprobter Teampartner, musste schon bei der Schnitzeljagd krankheitsbedingt passen – und sagt jetzt auch seine Teilnahme bei der Hörnlijagd ab. Woher soll ich in ein paar Tagen einen Teampartner bekommen? Alleine fahren ist nicht regelkonform und von allen potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten bekomme ich nur Absagen. Verzweifelt schreibe ich Organisatorin Karen eine Nachricht, kurz bevor ich mich auf den Weg in die Schweiz machen sollte. Ob sie vielleicht eine Idee hat? Prompt folgt die gut gelaunte Antwort, ja, sie hätte da vielleicht eine Lösung und ich solle auf jeden Fall losfahren. Also mache ich mich auf ins Ungewisse.

Am Morgen wirkt der Obersee noch etwas trist, die Berge sind in Nebel gehüllt

In Arosa checke ich erst mal ins Hotel Seehof ein, genieße im letzten Licht den Ausblick auf die umliegenden Berge und den Untersee, dann geht es zum Meet & Greet auf dem Eventgelände. Dort erfahre ich auch von Karens Idee: Mein Teampartner wird Toni, den ich schon letztes Jahr bei der Knödeljagd kennenlernen durfte. Ein bayerisches Urgestein aus Garmisch-Partenkirchen mit viel Erfahrung auf dem Mountainbike. Wir einigen uns auf eine entspannte Herangehensweise am nächsten Tag und holen noch kurz das Startpaket ab, bevor wir mit einigen bekannten Gesichtern den Abend bei einem Kaltgetränk ausklingen lassen.

Kurzer Einschub: Was ist diese Hörnlijagd eigentlich? Seit über zehn Jahren veranstalten die Rasenmäher die Schnitzeljagd in Sölden, und seit letztem Jahr gibt es die Spin-Offs Hörnli- und Knödeljagd, die die kulinarische Trailjagd-Trilogie komplettieren. Bei diesen Veranstaltungen steht der Trailgenuss im Vorder- und der Renncharakter im Hintergrund – auch wenn das nicht immer bis zu jedem Teilnehmer durchsickert.

Gestartet wird in Zweier- oder Dreier-Teams, die Route darf sich jedes Team selbst aussuchen. Wichtig ist nur, dass man alle vorgegebenen Missionsstationen und Checkpoints abhakt, bevor man ins Ziel fährt. Die Reihenfolge, die Wahl der Route und der Aufstiegshilfen aka Gondeln und Co bleibt den Teams überlassen.
An den Missionsstationen müssen spaßige Aufgaben erfüllt werden, Checkpoints finden sich mehr oder weniger gut sichtbar auf den Trails und müssen nur abgestempelt werden. Zur Orientierung bekommt man den sogenannten Missionspass mit einer Übersichtskarte, auf der die Stationen und Checkpoints grob angezeigt sind.

Tobias (links) vom Team mtb-news.de versucht vor dem Start, Organisator Holger (rechts) noch letzte Tipps zu entlocken
Begonnen wird immer mit einem Massenstart vom Weisshorn auf 2.653 m Höhe. Dorthin gelangt man bequem per Gondel.
Ob Trailbauer Andi vielleicht ein paar Infos rausrückt?
Oben angekommen schätzt man seine eigene Leistung im Massenstart ein und platziert das Fahrrad entsprechend
Während die meisten einen „günstigen“ Schweizer Kaffee bevorzugen, um die Wartezeit bis zum Start zu überbrücken …
… trotzen einige dem nebligen Wetter und harren gut gelaunt der Dinge, die da kommen werden

Eine halbe Stunde vorm Start wird es spannend. Die Missionspässe werden ausgegeben und die Teams beraten sich, welche Strategie am ehesten zu Ruhm und Hörnli-Ehre führt. Aber dann kündigt Organisator Holger an, dass das gesamte Fahrerfeld zuerst den ersten Checkpoint anfahren soll – und es wird schnell klar, dass es dann im Grunde nur eine einzige Strategie geben kann. Das bestätigt sich im Verlauf des Tages: Eigentlich nehmen alle die gleiche Route. Wir finden das ein bisschen schade, schließlich bringt das den eigentlich ungewollten Renncharakter zurück in die Veranstaltung. Außerdem ist vorprogrammiert, dass eine bessere Platzierung durchaus daran scheitern kann, ob man eine Gondel gerade noch erwischt oder nicht.

Holger gibt die letzten Instruktionen vor dem Start durch
„Bist du dir da wirklich sicher?“
Morgennebel oder qualmende Köpfe? Kollektive Strategiebesprechung.
„Heureka!“ Christopher vom Team Rasenmäher III hat die Lösung wohl gefunden, Teamkamerad Patrick scheint noch nicht völlig überzeugt.
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Jeans und Kutten hindern nicht daran, eine gute Platzierung einzufahren. Am Ende ein starker sechster Platz bei den Männern.
„Das soll euer Plan sein?“
Trailbau-Koryphäe Andi gibt gerne seine Philosophie weiter, wenn es darum geht, wie Trails angelegt werden sollen
Auch das Team von mtb-news.de ist wieder am Start und hat ordentlich Vorfreude mitgebracht
Das frisch zusammengewürfelte Team vom ENDURO Mag: links Toni, rechts Curtis.

Sobald alle ihre Strategie festgelegt haben, geht es an die Startaufstellung. Der Countdown wird gemeinsam heruntergezählt und nach dem Startschuss geht es auf die erste Abfahrt Richtung Checkpoint eins. Wegen des Nebels wird neutralisiert gestartet, Arosas Trailbau-Koryphäe Andi fährt die ersten Höhenmeter vorneweg. Das Tempo bis zur ersten Stempelstation an der Ochsenalp kann sich dennoch sehen lassen.

Spannung im Nebel, gleich geht’s los!
Der Startschuss ist erfolgt …
… und wird direkt per Social Media verbreitet
Gut, so kann man’s auch machen. Statt mit den anderen Teilnehmern die ersten Trailmeter unter die Räder zu nehmen, wird erst mal geflickt. Was muss, das muss.

Weiter geht es, anders ergibt es kaum Sinn, Richtung Mittelstation der Weisshornbahn, wo die SCOTT-Station wartet. Tradition verpflichtet, und deshalb muss hier ein Parcours auf Kinderfahrrädern abgefahren werden. Damit die Herausforderung steigt, absolvieren dieses Mal alle Teammitglieder den Parcours. Mit Brillen, deren Sichtfeld bis auf einen schmalen Schlitz abgeklebt ist.

Keine Wahl, nur Qual – da können sie noch so unschuldig gucken
Von außen sieht man es kaum, aber auf der Innenseite ist die Brille mit zwei Streifen Malerkrepp bis auf einen kleinen Sehschlitz zugekleb
Der Parcours kommt inkl. Slalom und einer Wippe …
… die den ein oder anderen Teilnehmer mehr oder weniger elegant vom Rad zwingt
Kleider machen Leute. Bikes auch.
Missionspass abstempeln lassen, und weiter geht’s!

Wir überlegen noch fix, was die beste Route ist, und rollen kurzerhand direkt zur Talstation des Hörnli-Expresses. In der Gondel könnten wir theoretisch ein wenig entspannen, aber der nächste Knackpunkt steht an: Erreichen wir nach der Continental-Station oben am Hörnli noch die Urdenbahn, die uns zum Urdenfüggli hinüberbringt? Die fährt nämlich nur im Halbstundentakt, aber wir rechnen uns aus, dass es gerade so passen könnte.

An der Continental-Station ist Staffel-Sackhüpfen angesagt
Ein Mann, eine Laufradtasche: Toni gibt alles!

Und lernen: Es ist klar von Vorteil, wenn man beim sorgsamen Rechnen die richtigen Abfahrtszeiten im Kopf hat. Die Gondel fährt nämlich nicht zu jeder vollen und halben Stunde, sondern um fünfzehn Minuten verschoben. Heißt für uns: zwanzig Minuten Wartezeit. Das Team von mtb-news.de ist offensichtlich leidenswilliger als wir und fährt über den Trail rüber zur nächsten Station. Weil am Ende so einige Höhenmeter in Bikebergsteigermanier überwunden werden müssen und wir beim besten Willen nicht verstehen, wie man dabei Zeit gewinnt, passieren wir lieber das Drehkreuz zur Gondel.
Nach und nach gesellen sich weitere Jäger zu uns. Der Vorsprung ist dahin, das „Rennen“ fängt quasi von Neuem an – zumindest für alle, die nicht als Teil der Spitzengruppe die Gondel davor erwischt haben.

Gondelzeiten falsch gemerkt und zwanzig Minuten gewartet: Der Vorsprung ist dahin.
„Du kommst hier nicht rein!“ Nur Spaß.
Kurz vor der anderen Seite taucht Team mtb-news.de beim Anstieg auf, einen minimalen Zeitvorsprung haben sie herausgeholt. Angesichts ihrer Kraftanstrengung gibt es allerdings ein bisschen Schadenfreude in der Gondel.
Hätte man sich gut in der Gondel platziert, wäre man bei der anstehenden Abfahrt Richtung Lenzerheide vorn dabei gewesen. Man lebt und lernt.

Dieses Jahr neu ist die Traverse Richtung Lenzerheide; in der Nähe von Parpan soll ein Checkpoint zu finden sein. Als die Masse die ersten Höhenmeter in steiler Abfahrt hinter sich hat, legen wir erst mal eine Pause ein: Tonis Bremsen wollen nicht mehr ganz wie er und müssen abkühlen. Wie viele andere verpassen wir danach den eigentlichen Traileinstieg Richtung Checkpoint, sind aber durch geschicktes Navigieren bald wieder auf dem richtigen Weg. Anderen ergeht es nicht ganz so gut. Keuchend kommen uns Leute auf dem Weg zur Talstation in Lenzerheide entgegen – sie haben den Checkpoint einfach mal großräumig umfahren und müssen jetzt zurück.
In Lenzerheide beginnt das nächste Lotteriespiel. Um zurück nach Arosa zu kommen, müssen wir die zwei Sektionen mit der Gondelbahn zum Parpaner Rothorn zurücklegen. Doch außer uns drängen auch Wanderer und Bikepark-Nutzer in die Kabinen. Während das bei der ersten Sektion noch einigermaßen unproblematisch war, weil es sich um eine Umlaufbahn handelt, muss man bei der zweiten Sektion etwas Glück mitbringen. Das haben wir aber offensichtlich zu Hause vergessen und deshalb entschwebt die Gondel diesmal direkt vor unseren Augen gen Gipfel.

Fünfzehn Minuten später: Die nächste Fahrt in der prall gefüllten Seilbahn könnte starten, wenn nicht zwei übermotivierte Mitstreiter versuchen würden, sich im menschlichen Tetris-Style noch hineinzuquetschen. Aber wenn die Gondel voll ist, ist die Gondel voll. Da hilft es erst recht nicht, die Passagiere und den Bergbahnangestellten zu beleidigen. So müssen die beiden leider draußen bleiben.

Oben angekommen erwartet uns die Leatherman-Station. Dort muss man ein Kantholz mit der Säge des Multitools durchsägen. Um uns die Wartezeit auf einen freien Platz zu verkürzen, bieten Toni und ich dem Team vor uns Hilfe an, werden aber von der verzweifelt sägenden Dame nur blöd angeschnauzt. Scheinbar sorgt der Umstand, dass quasi alle Teams auf derselben Routen fahren, bei manchen Teams für erhöhtes Rennfieber …

Die Leatherman-Station am Parpaner Rothorn
Ein Kantholz und sein natürlicher Feind
Schon Oma wusste: Wo gesägt wird, da fallen Späne

Zurück Richtung Arosa geht es dann erst über eine Mondlandschaft und eine Galerie, die dem ein oder anderen von der TREK BIKE ATTACK bekannt vorkommen könnte. Die große Challenge: nicht schon wieder einen Checkpoint übersehen.

Zurück nach Arosa
Surreales Trailerlebnis …
… am Parpaner Rothorn
Schönheit der Landschaft und Trailfreuden hin oder her …
… das Wichtigste ist, den Checkpoint nicht zu übersehen
Genau das wurde den Vorjahressiegern zum Verhängnis …
… die den Checkpoint verpasst haben und einige Höhenmeter zurück schieben müssen …
… bevor es mit den letzten Kraftreserven zum letzten Trail geht

Nun folgt das Highlight: ein kilometerlanger Singletrail, eingebettet in fantastische Landschaft. Nicht zu einfach, nicht zu schwer, nie zu flach, nie zu steil. Ein absoluter Traum! Das Vergnügen trübt, dass einige Teilnehmer den ersten Abschnitt schiebend zurücklegen, sämtliche freundliche Anfragen, ob sie denn nicht die nachfolgenden Leute kurz vorbeilassen könnten, gekonnt ignorieren und auch im weiteren Trailverlauf für Stau sorgen … Auch andere Teams kommen in den Genuss dieser Blockade und berichten im Ziel sichtlich genervt. Dabei geht es den wenigsten um eine bessere Platzierung, sondern schlicht darum, dass jeder den Trail in seinem Tempo genießen kann.
Das bestätigt unseren Eindruck, dass die einseitige Routenwahl zu einem Renncharakter geführt hat, der für diese Veranstaltung untypisch ist. Wir hoffen, dass es nächstes Jahr wieder anders wird – Potenzial hat die Region um Arosa mehr als genug!

Vorfreude auf den letzten Singletrail
Der obere Teil des Trails mit der Galerie unterhalb des Parpaner Rothorns im Hintergrund
Konzentration bleibt gefragt
Man kann ja über vieles streiten, aber diese Kulisse rockt einfach

Nach dem letzten Checkpoint muss „nur noch“ die Konzentration für den restlichen Trail aufrechterhalten werden. Einige technische Spitzkehren später geht Toni über den Lenker, glücklicherweise passiert ihm nichts.
Als letzte Aufgabe wartet die Endura-Station: Fünf Sekunden Trackstand sind angesagt. Wie bei der diesjährigen Schnitzeljagd gibt es einen Sonderpreis für die Person, die am längsten auf dem Rad balanciert, ohne den Fuß abzusetzen.

Aufgabe: Trackstand
Neutrale Beobachter. Diese Outfits gibt es unter anderem zu gewinnen.

Bei der abschließenden Suche nach einem weiteren Trail Richtung Ziel schließt das Team von mtb-news.de zu uns auf und in Ermangelung besserer Ortskenntnis rollen wir die letzten Meter über Straße und Kunstrasen ins Ziel. Gemeinsam und zeitgleich, ohne Konkurrenzdruck.

Das Empfangskomitee im Ziel
Organisator Holger kommentiert …
… beinahe jede Zieldurchfahrt.
Die obligatorische Rehydrierung. Außerdem wird sofort das Ergebnis per „Natel“ durchgegeben (oh ja, so nennen Schweizer ihre Handys).

Bevor am Abend die Siegerehrung und die Verlosung der Sachpreise beginnt, bleibt noch Zeit, eine weitere Runde am Berg zu drehen oder in den Untersee zu hüpfen und sich anschließend frisch zu machen.

Für alle Teilnehmer gibt’s Hörnli und Ghackets. Holger übt sich immer noch in der Aussprache. Nicht im Bild: Käse und Apfelmus gehören unbedingt dazu.
Holger hat nicht jedem den angesagten Dresscode angekündigt
Das Siegerpodest der Damen
Die schnellsten Teams in der Klasse Mixed
Die schnellsten Herren. So schnell, dass Holger es fast nicht rechtzeitig ins Ziel geschafft hätte, um sie gebührend zu empfangen.
Team ENDURO freut sich über den geteilten zweiten Platz in der Holzklasse (Presse- und Firmenfahrer)
Der eigentliche Hauptpreis ist aber das Riesenhörnli
Es gewinnt das Team mit der Zeit, die am nächsten an der gemittelten Zeit aller Teilnehmer liegt. Da sag noch einer was gegen Durchschnitt!
Sie hat’s allen gezeigt: die Gewinnerin des Sonderpreises für den längsten Trackstand

Weitere Informationen, Bilder und Ergebnislisten findet ihr auf der offiziellen Hörnli-Seite, eine interaktive Karte hier und das offizielle Video der Veranstaltung hier.

Es gibt dieses Jahr noch eine Chance, Teil der kulinarischen Trail-Trilogie zu werden: Die Knödeljagd im Grödnertal findet vom 7. bis 9. September 2018 statt.



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Text: Daniel 'Curtis' Zeising Fotos: Christoph Bayer