Die Straße vor uns flimmert, unbarmherzig brennt die Sonne auf die verstaubte Motorhaube und durch die gerissene Windschutzscheibe von Matts Toyota-Pick-up, während wir in ein Wohngebiet einbiegen. Mitten auf der Straße plötzlich ein U-Turn. Matt wendet und parkt auf dem Seitenstreifen. Zu unserer Linken neu gebaute Einfamilienhäuser mit blitzblank polierten Pick-up-Trucks in der Einfahrt. Zu unserer Rechten der Beginn eines der besten Trails, die ich in meinem Leben gefahren bin.

Ich habe nicht lange gezögert, als Matt Hunter mich einlud, ihn in seiner Heimatstadt zu besuchen. „When you are in British Columbia, you have to come to Kamloops!“, hat er noch wenige Wochen zuvor bei einem Treffen in Italien zu mir gesagt. Jetzt pedaliere ich mit ihm und seinem gleichnamigen guten Freund und Filmer Matt Miles einen staubtrockenen Climbing-Trail zum Beginn der Abfahrt hinauf. Beide sind hier aufgewachsen, haben zusammen aber schon mehr als die halbe Welt bereist, um an den verschiedensten Orten die legendären Trail-Hunter-Episoden zu produzieren. Wo es die besten Trails gibt, frage ich sie. In Kamloops – darum bist du doch hier, antworten sie.

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Ich bin mittlerweile seit gut zwei Wochen in Kanada, war bereits in Whistler, Squamish und North Vancouver. Kamloops ist definitiv anders! Es ist heißer, die Landschaft karger, sie gleicht fast einer Wüste und die Trails sind deutlich schneller und flowiger zu fahren. Um von Vancouver hierher zu kommen, führt nichts an einer vierstündigen Autofahrt durch erst kaum und später nicht besiedeltes Gebiet vorbei. Zwischen zwei Tankstellen liegen hier 150 km auf einem einsamen Highway ohne Handy- oder Radio-Empfang. Auf der Anreise habe ich mehrfach die Tanknadel gecheckt – hier will man keine Panne haben.

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Wie alles begann – die Ultimate Freeride Challenge

Mehr als 13 Jahre ist es her, seit Matts Karriere begann. Der damals 19-Jährige hatte den Computer seiner großen Schwester genutzt, um einen einminütigen Clip für einen „Ultimate Freeride Challenge“ genannten Videocontest zu schneiden. Mit Erfolg! Als Siegprämie gab es rund 8.000 $ und einen Sponsoring-Vertrag für die folgenden Jahre. Den Job in einem lokalen Sägewerk hat er daraufhin gekündigt, schließlich würde das Geld schon reichen, um die wichtigsten Ausgaben und das Benzin für seinen Truck zu bezahlen. Seinen Dad freute es, er empfand die Arbeit im Sägewerk sowieso als zu gefährlich und hielt das Risiko beim Freeriden für deutlich berechenbarer.

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Trotz des frühen und überraschenden Erfolgs nahm Matt danach kaum noch an Contests teil – weder im Netz noch auf Events. Statt sich mit anderen zu messen, setzte er lieber auf Filmprojekte und wirkte bei Klassikern wie Seasons, Follow Me, Strength in Numbers und From the Inside Out mit. Oder er ging mit seinen Kumpels entspannt eine Runde biken, wie wir es an diesem Wochenende gemeinsam machen.

Wild Wild West North – Kamloops versprüht Westerncharme im Norden Kanadas.
Wild Wild West North – Kamloops versprüht Westerncharme im Norden Kanadas.
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Flow vor Foto

„Bin ich überhaupt in der Lage, mit den zwei Fest-Series-Teilnehmern mitzuhalten? “

Der Plan für die Tage ist simpel, kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor dem Untergang geht es auf die Trails. In der heißen Mittagszeit wird gechillt, in der an einen Wild-West-Film erinnernden Stadt gebummelt und alles für das BBQ am Abend organisiert. Um mehr Tiefenmeter sammeln zu können, shutteln wir. Ein Auto bleibt am Supermarktparkplatz im Tal, mit dem anderen geht es in das am Anfang beschriebene Wohngebiet oberhalb der Stadt. Trotz der megaentspannten Atmosphäre bin ich nervös. Was wird mich gleich erwarten? Bin ich überhaupt in der Lage, mit den zwei Fest-Series-Teilnehmern mitzuhalten? Wie riesig sind die Sprünge, mit denen ich aufgrund unzähliger Videosequenzen rechne? Alle Bedenken erweisen sich als unbegründet! Die beiden Jungs lieben zwar massig Luft unter ihren Reifen, mindestens genauso gern heizen sie jedoch einfach entspannt einen Trail hinab. Strava kennen sie nur aus Erzählungen. Für sie zählt nicht der Speed, was zählt sind Fahrspaß und Flow. Auf den besten Trails dieses Wochendtrips herrscht daher auch Foto-Verbot. Nicht, weil sie fürchten, dass dadurch zu viele Biker angelockt werden – im Gegenteil! Vielmehr wollen sie den Flow ohne Unterbrechung genießen. Und nach wenigen Metern verstehe ich auch warum.

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Wie damals in der Schulzeit

So viel Fahrfluss bot bisher kaum eine andere Region. Die Trails in Kamloops sind verglichen mit den meisten anderen in BC viel flowiger, schneller und viel weniger verwinkelt. Der Durchschnittsspeed ist enorm. Im engen Train wird das Fahren an dritter Position aufgrund des vielen Staubs zum Blindflug. Im klassischen Copy-Paste-Stil, wie damals in der Matheklausur, kopiere ich deshalb alles, was die Jungs vor mir machen und habe wie schon in der Schulzeit Erfolg. Matts Fahrstil ist grandios, super geschmeidig und selbst aus den kleinsten Absprüngen generiert er mehr Airtime, als die meisten Fahrer auf der A-Line in Whistler je erreichen können.

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Den perfekten Bike-Tag beenden wir bei einem entspannten BBQ am nahe gelegenen Thompson River. Dort treffen wir Matts Familie, seine Frau Nicki, den Sohn Robbie und seinen Vater. Wir grillen selbstgemachte Rehfleisch-Burger und planen den nächsten Tag. Den Sonntag beginnen wir dann, wie es sich gehört, mit einem entspannten Frühstück bei Matt zu Hause. Im Wohnzimmer hängt ein riesiges Geweih. Matt erzählt, wie er dem Hirsch zusammen mit seiner damals hochschwangeren Frau für mehrere Stunden durch unwegsames Gelände gefolgt ist – und zaubert ganz nebenbei den wohl besten Bacon, den ich bisher gegessen habe. Sein Geheimrezept: Ahornsirup.

Down to Earth – Matt ist trotz des Erfolgs voll am Boden geblieben
Down to Earth – Matt ist trotz des Erfolgs voll am Boden geblieben
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Be yourself!

Bevor wir uns wieder aufs Rad schwingen, folgt eine kurze Schrauber-Session in der Garage. Der Steuersatz verlangt nach Fett. Was sich in den letzten Jahren sportlich für ihn verändert hat, will ich wissen. Nicht viel, meint Matt daraufhin. Er springe Dirtjumps, sei aber kein guter Dirtjumper, fahre gern Downhill, sehe sich aber nicht als Downhiller, könne alles, aber nichts perfekt. Am meisten liebt er es jedoch, mit seinen Kumpels Trails zu heizen und davon zu erzählen. Nicht jeden Tag auf Social Media, sondern dann, wenn eines seiner Video-Projekte fertig ist. Matt ist sich treu geblieben, macht das, was er am besten kann und vor allem nur das, was ihm Spaß macht – und das ist mit seinem Kumpel Matty Miles die Welt zu bereisen und uns in grandiosen Videos davon zu berichten.

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