Die Auswahl an unterschiedlichen Mountainbikes ist enorm. Gleichzeitig stellt sich nicht mehr nur die Frage nach der richtigen Bike-Kategorie, sondern auch fast schon zwangsläufig, ob es ein Bike mit oder ohne E-Antrieb werden soll. Doch was wäre, wenn es in Zukunft Mountainbikes gibt, die sowohl E-MTB als auch analoges MTB sind?
Viele kennen das Problem: Man bricht mit den Freunden in den Bike-Urlaub auf, im Van ist aber nur Platz für ein Bike pro Person und man will sich noch nicht festlegen, was man im Urlaub wirklich fährt. Fünf Tage Bikepark mit Lift oder auch mal zwischendurch die Trails in der Gegend erkunden? Doch selbst wenn Platz für mehr als ein Bike im Urlaub oder Keller ist, stellt sich immer die Frage, was das richtige Rad für einen ist. Das belegt auch unsere jährliche Leserumfrage mit mehr als 20.000 Teilnehmern: Euch treibt nicht nur die Frage um, ob ein Enduro-, ein Trail- oder eher ein Down-Country-Bike zu euch passt. Ihr müsst euch auch oft zwischen E-Bike oder Analog-Bike entscheiden. Wie wäre es also, wenn man ein analoges Mountainbike besäße, das durch wenige Handgriffe zum E-Mountainbike mutieren und einen entspannt jeden Uphill hochbringen könnte? Klar, das löst nicht die Frage nach dem Federweg oder – besser gesagt – dem richtigen Einsatzbereich. Doch es erweitert enorm die Möglichkeiten, die einem mit einem Rad zur Verfügung stehen.
2 in 1, nicht das eine Bike für alles.
Blöde Idee? Yes, vielleicht, aber Mountainbiken – und vor allem E-Mountainbiken – boomt wie nie zuvor und damit auch die Entwicklung in diesem Bereich. Betrachtet man nur mal den Unterschied der heutigen E-Mountainbikes zu denen vor fünf Jahren und stellt sich dann vor, was im Jahre 2027 aus den Produktionsstätten rollen wird, ist unsere Idee gar nicht mehr so abwegig. ;)
Bereits 2019 hat Lapierre mit dem eZesty ein E-Mountainbike auf den Markt gebracht, bei dem sich sowohl Akku als auch Motor werkzeuglos entfernen lassen. Dadurch kann man es in kürzester Zeit in ein analoges Mountainbike verwandeln, das selbst mit E-Antriebseinheit weit unter 20 kg liegt. Die Geburtsstunde des Light-E-Mountainbikes quasi – kurz darauf folgten Bikes wie das Specialized Turbo Levo SL, das Orbea Rise und die ROTWILD Aggressive-Serie.
In diesem Jahr haben wir einen weiteren massiven Schub in Sachen Light-E-Mountainbikes erlebt und schon in kurzer Zeit werden Hersteller, die kein Light-E-Mountainbike im Portfolio haben, eine Ausnahme sein. Das Team von FAZUA überarbeitet sein bisheriges Antriebssystem und die Motoren werden damit nicht nur kleiner und leichter, sondern auch stärker. Das Technologieunternehmen TQ sorgt mit seinem neuen HPR 50-Antriebssystem für ordentlich Aufmerksamkeit und bringt große Hersteller wie Trek ins Rennen um das beste Light-E-MTB. Das zeigt deutlich, dass Light-E-Mountainbikes ihre Daseinsberechtigung haben und eine neue Ära im E-Bike-Segment eingeläutet ist.
Was ist eigentlich ein Light-E-Mountainbike?
Die Definition von sogenannten Light-E-Mountainbikes ist leider nicht so einfach wie oft gedacht. Denn worauf stützt sich der Begriff „Light“ und ist eine weitere Unterteilung im Bike-Markt überhaupt sinnvoll? Handelt es sich bei einem Light-E-Mountainbike zwangsläufig um ein Rad mit wenig Motor-Power – sprich Drehmoment – und einem kleineren Akku oder zählt das niedrige Gesamtgewicht? Oder sind Light-E-Mountainbikes gar einfach nur Räder, die durch ihr natürliches Fahrverhalten nah an analoge MTBs rankommen, obwohl sie vielleicht sogar große Akkus, viel Power und ein hohes Gesamtgewicht besitzen?
Am häufigsten ist mit der Definition wohl gemeint, dass die Bikes ein geringes Gesamtgewicht besitzen. Aber seien wir mal ehrlich: Lediglich die Topmodelle der neuen Light-E-Mountainbikes – die oft weit über 10.000 € kosten – sind auch wirklich leicht. Sind dann also die gleichen Bikes mit günstigerer und meist schwererer Ausstattung keine Light-E-Mountainbikes mehr? Die Kombinationsmöglichkeiten für Hersteller in Sachen Akkukapazität, Motorleistung, Ausstattung und Geometrie sind hier schier unendlich und machen eine klare Definition oder Einordnung der Bikes daher wenig sinnvoll. Schließlich bringen die Hersteller durch diese Freiheiten eine Vielzahl an verschiedenen Bikes und Entwicklungsansätzen auf den Markt, die unterschiedlich mit den Themen Gewicht und Fahrgefühl umgehen.
Folgt man aber unserer obigen Idee von einem 2-in-1-Bike, dann wäre das Gewicht allein vielleicht gar nicht so entscheidend. In den Vordergrund rücken würde die Frage, ob man den Akku – oder sogar das gesamte Antriebssystem – aus dem Bike entfernen kann. Viele Hersteller, die eine Entnahme ermöglichen, vermarkten ihr Produkt momentan nicht so, als könnte man es ohne E-Antrieb fahren. Aber erinnern wir uns zurück an einen Pionier im Light-E-Mountainbike-Sektor: Das Lapierre eZesty legte mit seinem entnehmbaren FAZUA-Antrieb der ersten Generation den Grundstein für Light-E-Mountainbikes. Zwischenzeitlich hat die E-Bike-Branche diesen Einsatzzweck aus den Augen verloren, doch nun scheint er wieder aufzukommen. Denn die Motoren werden immer kleiner und leichter, die meisten Akkus lassen sich durch nur wenige Handgriffe aus dem Bike entnehmen und übrig bleibt nur wenig Elektronik.
Die Technik von heute ist der Grundstein für morgen
Prinzipiell lässt sich jedes E-Mountainbike auch ohne seinen Akku fahren, solange der sich nur irgendwie entnehmen lässt. Übrig bleiben dann meist ein unverschlossenes Loch im Rahmen, vielleicht ein lose baumelndes Stromkabel, das festgetapt werden muss, und der Motor, der im Gegensatz zu einem sonst montierten Tretlager etwas mehr Widerstand generiert. Schaut man auf die neue Generation an Light-E-Mountainbikes, fallen zwei Dinge auf: Zum einen ist mittlerweile der Widerstand durch den Motor geringer, als das früher der Fall war. Zum anderen bieten viele Hersteller eine Möglichkeit, das Loch im Rahmen nach der Akkuentnahme durch ein Cover zu verschließen. Übrig bleibt neben dem geringen Widerstand das Mehrgewicht des Motors – im Falle des TQ HPR 50 und des FAZUA Ride 60 sind das ca. 1.900 g. Und vom E-MTB bleiben auch die Kabelkanäle, die Ladeports sowie eine minimalistische Remote und in manchen Fällen ein kleines Display. Dazu kommt der eigentliche Rahmen, der durch die nötige Integration des Antriebssystems meist schwerer ist als der Rahmen eines analogen Bikes. Denn Wandstärken, Montagepunkte und zusätzliche Verstärkungen werden benötigt.
Dennoch bewegen sich die meisten Light-E-Mountainbikes bereits um die 18 kg und allein die Entnahme des Akkus bringt sie an die 16-kg-Marke. Würden Hersteller nun bei der Entwicklung ihrer Bikes auf eine konvertierbare Lösung setzen, könnte durch das Einsparen von Display, Remote und Kabelkanälen zusätzlich Gewicht reduziert werden. Das würde Bikes mit dem heutigen Entwicklungsstand schon angenehm leicht machen. Ein gutes Beispiel findet sich bei Simplon: Das neue SIMPLON Rapcon PMAX TQ wiegt 19,5 kg, sein unmotorisierter Bruder, das SIMPLON Rapcon 170/165, hingegen 15,6 kg.
Das ist mit dem Federweg Vergleichbar mit unserem Enduro-Bike Test
- da haben die Bikes im Schnitt 15,5 kg gewogen
- Sprich 3,9 kg weniger
Gewichtsvergleich vom Rapcon TQ und Rapcon
- Rapcon PMAX TQ: 19,5 kg
- Rapcon: 15,6 kg
Fahren wir in Zukunft alle nur noch E-Mountainbike?
Wir alle wünschen uns ein Bike mit einem möglichst großen Einsatzgebiet, denn je mehr Möglichkeiten man hat, desto mehr kann man erleben und dabei Spaß haben. Auch der Ressourcenverbrauch ist bei universell einsetzbaren Produkten geringer, weil man für unterschiedliche Einsatzzwecke mit größerer Wahrscheinlichkeit dasselbe Produkt verwenden kann, statt sich ein weiteres zuzulegen: Heute eine schnelle Feierabendrunde mit dem E-Mountainbike, weil man nach einem harten Tag auf der Arbeit keine Kraft mehr hat. Morgen mit seinen Kumpels eine geile Ausfahrt im Trailpark aus eigener Kraft – mit dem analogen Mountainbike –, um sich das Bier am Abend zu verdienen. Und am Wochenende ganz entspannt das Rad an die Gondel hängen, um es im Bikepark ordentlich krachen zu lassen. All das mit nur einem Bike? Das wäre in der Theorie bereits heute möglich – wenn auch mit einem gewissen Montageaufwand, einem Mehrgewicht und dem bleibenden Widerstand des Motors. Aber durchaus mit verkraftbaren Parametern.
Was würde also passieren, wenn sich Hersteller der Idee wirklich annehmen und 2-in-1-Bikes entwickeln? Motoren werden in Zukunft noch kleiner werden, noch leichter sein und ohne Antrieb einen geringeren Widerstand besitzen. Remotes und Displays werden kleiner werden oder komplett verschwinden. Der Akku wird in Sekundenschnelle entnehmbar sein mit Systemen, wie wir sie bereits heute durch z. B. den Quick-Release-Button von ROTWILD kennen. Und so entsteht das 2-in-1-Mountainbike der Zukunft, auf dem wir vielleicht bald alle die Trails rocken werden. Oder was meint ihr?
Klar: Das 2-in-1-Mountainbike ist ein großes „Was-wäre-wenn“-Spiel – aber bereits mit der heute verfügbaren Technik umsetzbar. Doch machen es lose Kabel, unnötige Bedienelemente und eine nicht dafür entwickelte Systemintegration bisher unpraktikabel. Nehmen Hersteller sich jedoch dem Thema an – so wie FAZUA bereits 2016 – und entwickeln Bikes für exakt diese Universalität, sieht die Zukunft schon ganz anders aus und viele Probleme von denen wir heute noch sprechen, gehören dann der Vergangenheit an.
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Text: Peter Walker Fotos: Julian Lemme