Wenn man Josh Kissner mit seinem Bike auf dem Trail trifft, ist eins sicher: Er hat immer einen Rucksack voller Test-Teile und Werkzeug dabei. Josh ist Produktmanager bei Santa Cruz und maßgeblich an der Entwicklung der Bikes beteiligt. Wir sind mit ihm in Kanada biken gewesen und haben über die Marke Santa Cruz, seinen Job und die Zukunft von Mountainbiken gesprochen.

Es ist ein sonniger Tag im August, als wir uns mit Josh für eine Runde auf seinen Hometrails in Squamish verabredet haben. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein ganz normaler Trail-Biker, wie es hier unzählige gibt – und im Herzen ist er das auch. Gleichzeitig ist er aber auch einer der Menschen, die die Entwicklung unserer Bikes maßgeblich prägen und dafür sorgen, das wir mehr Spaß am Biken haben. Wenn Josh auf Tour geht, hat er immer einen Rucksack dabei, sei es, um auf dem Trail direkt Teile zu tauschen oder mit dem Set-up seines Bikes zu experimentieren.

Josh und Santa Cruz, das ist eine mittlerweile echt lange Geschichte. Der Amerikaner startete bei Santa Cruz vor rund 16 Jahren zu einer Zeit, zu der erst 25 Leute für die Marke gearbeitet hatten. Damals begann er in der Rahmenmontage, wechselte dann irgendwann ins Tech-Marketing und ist nun seit rund 10 Jahren im Produktmanagement. Vor rund einem Jahr ist er von Kalifornien nach Squamish gezogen, zum einen wegen seiner Ehefrau Sarah Leishman, die gebürtig aus Kanada kommt, zum anderen auch wegen der vielen und unglaublich guten Trails, die es hier gibt.

Josh hat während seiner langen Beschäftigung bei Santa Cruz die Entwicklung der Marke nicht nur miterlebt, sondern auch aktiv mitgestaltet. Aktuell (das kann vermutlich jeder in der Branche unterschreiben) befinden sich die Amerikaner auf einem absoluten Höhenflug, was auch unsere Leserumfrage belegt. Bei euch genießt Santa Cruz auf die Frage: „Welche Marke baut die besten Bikes“ mit 20,7 % am meisten Stimmen – mit Abstand, denn der Zweitplatzierte kommt nur auf 9,4 %. Doch wie kam es eigentlich zum Erfolg von Santa Cruz?

Als Josh bei Santa Cruz begann, hatte der Hersteller immer an einem Modell nach dem anderen gearbeitet. War ein Bike vorgestellt, begann die Arbeit am nächsten. Mittlerweile ist der Rhythmus ein anderer: Pro Jahr präsentieren die Amerikaner bis zu vier neue Modelle bzw. neue Evolutionsstufen. Blickt man auf die Website, wird man förmlich von Bikes erschlagen. Während manch eine Marke ein XC-, ein Trail- und ein Enduro-Bike im Line-up hat, besitzt Santa Cruz speziell im Trail-Segment eine enorme Überlappung und Modell-Vielfalt. Tallboy, 5010, Bronson, Megatower oder Nomad – häufig kommen für einen Kunden direkt mehrere Modelle in Frage.

When a bike is two years old – we are often sick of it and want to create something new!

Bei der immensen Modell-Vielfalt und den schnellen Produkt-Zyklen stellt sich die Frage: Lohnt sich das denn überhaupt? Schließlich ist jedes neue Bike mit hohen Entwicklungs- und Formkosten verbunden. Für Josh stellt sich diese Frage im ersten Moment allerdings nicht. Denn wenn ein Bike mehr als zwei oder drei Jahre alt ist, dann haben er und seine Kollegen einfach Bock auf etwas Neues. Klar ist es teuer, gibt er zu. Allerdings wird ihr Handeln getrieben durch den Anspruch immer das beste Produkt anbieten zu wollen. Lernen sie etwas bei der Entwicklung eines anderen Modells, wollen sie das auch weitere Modelle übertragen. Das führt zu einer konstanten Verbesserung des gesamten Line Ups. Am Ende verkaufen sich diese neuen Bikes dann auch besser in einer Branche, die ständig nach den neuesten und geilsten Produkten giert – und so lohnt sich dieser Anspruch auch finanziell.

Santa Cruz verfügt zwar durch die Angliederung zur PON-Gruppe über einige Ressourcen, ist aber noch immer nicht so groß wie die größten Player am Markt. Wie schafft es solch eine Marke dann, in so einem Tempo neue Modelle vorzustellen und dabei auch immer den Nerv der Zeit zu treffen? „Statt zu versuchen, irgendeiner vermeintlichen Innovation hinterher zu rennen und zwanghaft etwas Innovatives zu produzieren, machen wir das, was wir können“, erklärt Josh. Ganz konkret bedeutet das unter anderem, dass Santa Cruz gar nicht erst versucht, eine eigene, vollintegrierte Sattelstütze oder ein eigenes Fahrwerk zu entwickeln, sondern eng mit seinen Zulieferern zusammenarbeitet. „Bei der Entwicklung eines Bikes liegt der Fokus stark auf der Kinematik und dem Layup des Rahmens und seiner Geometrie. Zwar macht Santa Cruz jetzt auch Lenker und Felgen, doch das sind beides Carbon-Bauteile, in die wir viel von unserem Know-how einbringen können.“ Josh erzählt weiter, dass es für sie keinen Sinn machen würde, beispielsweise auch Naben zu entwickeln, nur weil sie Felgen besitzen. Der Aufwand dafür würde in keinem Verhältnis stehen. Lieber greifen sie auf bewährte, sehr gute Nabenhersteller zurück. Denn der Ansatz von Santa Cruz ist immer, ein hochklassisches Produkt zu nutzen.

Santa Cruz ist aktuell hoch im Kurs. Doch mit dem großen Erfolg sieht man mittlerweile auch sehr viel Santa Cruz-Bikes auf den Trails und viele Szene-Fahrer merken an, dass die Marke dadurch an Wert für echte Fans verliert. Josh erklärt uns, dass sie sich dieser Tatsache bewusst sind und hier natürlich mit ihrem Vertrieb und auch dem Marketing hart daran arbeiten, dass kein Ausverkauf der Marke stattfindet. Gleichzeitig ist er sich aber auch sicher, dass sich Qualität durchsetzt und Boutique nicht immer gleich High End bedeutet. Dafür hat er auch ein sehr gutes Beispiel: „Seht euch den Porsche 911 an – er ist nicht Boutique oder super exklusiv, aber jeder 911er kommt mit einem Versprechen, wenn es um die Fahr-Performance und die Verarbeitung geht.“ Er persönlich sieht Santa Cruz genauso – High End mit enormer Performance, aber keinesfalls nur für eine sehr kleine Elite.

Dieses Versprechen unterstreicht unter anderem die lebenslange Garantie auf den Rahmen und die Lager, die Santa Cruz gewährt. „Unsere Lager waren in der Vergangenheit eine Katastrophe“, gibt Josh zu. „Doch mittlerweile sind sie so gut und wir haben kaum Probleme – warum dann nicht dem Kunden eines so teuren Produkts das Versprechen geben, dass er sich darum keine Sorgen machen muss? Das ist eine sehr einfache Rechnung, und die Zufriedenheit unserer Kunden ist es wert, diese Kosten zu tragen.“

Josh ist Produktmanager bei Santa Cruz – aber vor allem ist er auch ein Mountainbiker, der einfach geile Bikes schaffen will!

Im Laufe unseres Gesprächs wird klar: Der Job als Produktmanager ist nichts für Menschen, die schlecht mit Kritik umgehen können. „Es gibt immer jemanden, der einen Grund zum Meckern hat“, erzählt Josh. Und zwar sowohl bei der Präsentation des neuen Bikes durch Medien, in Online-Kommentaren oder schon im Vorfeld bei der Entwicklung des Bikes unter den Kollegen. Dem einen sind die Reifen am Rad zu schwer, dem anderen der Sitzwinkel zu flach oder die Kettenstreben zu kurz. Der eine wünscht sich mehr Federweg, der andere noch ein paar Millimeter mehr Reach. „Am Ende kann man es nicht jedem recht machen, doch es ist wichtig, dass man seine Entscheidungen wohl überlegt und stets gut begründet trifft.“ Häufig wird bei Santa Cruz sehr lange über neue Projekte diskutiert und jeder kann dabei seine Meinung äußern. Am Ende braucht es aber jemanden, der Entscheidungen trifft – und das ist die Person mit der Verantwortung – nicht eine Abstimmung von allen Beteiligten. „Dieser Prozess hilft, sich selbst zu hinterfragen und die eigene Position zu verteidigen“, sagt Josh.

Unser Gespräch endet mit der Frage, was Josh sich von der Bike-Industrie wünscht. Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ich würde gern simplere Ästhetiken im Generellen sehen. Ich sehe viele Dinge, die überdesignt werden, um technologischer zu wirken, als sie es sind. Andere Industrien schaffen es, einen klassischen High End-Look mit einem simplen Design zu kreieren. Das ist natürlich mein eigener Geschmack, ich bin kein Industrie-Designer, aber ich bevorzuge definitiv Designs, die clean und funktional sind.“

Nach der Runde auf den abwechslungsreichen Trails rund um Squamish wird uns klar was für Josh wirklich zählt. Diskussionen und Meetings sind wichtig, doch essenziell für ein gutes Bike ist am Ende vor allem eins: seine Performance auf dem Trail! Und um hier das Optimum zu ermitteln, ist Josh regelmäßig unterwegs, mit seinem Rucksack.

Wir haben natürlich das aktuelle Santa Cruz Nomad CC (Zum Test), Megatower CC X01 (Zum Test) und das Bronson CC (Zum Test) gegen die Konkurrenz getestet, um herauszufinden, wie sich die Mountainbikes von Santa Cruz gegen die anderen Marken schlagen.


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text & Fotos: