„La Palma? Das ist eine Stadt auf Gran Canaria, oder?“ Jedes Mal, wenn ich La Palma daheim bei einem Freund erwähne, lautet die Reaktion ungefähr so. Vielen scheint die Insel gänzlich unbekannt zu sein, abgedrängt von ihren Nachbarn, den populären Winter-Zufluchtsorten Teneriffa und Gran Canaria. Doch La Palma ist wirklich die Insel, die alles hat.

Ein Tag auf dem Bike – Trails wie sonst nirgendwo

Ich werde geweckt vom tosenden Sound brechender Wellen und mein Tag startet mit Blick auf den Nordatlantik – aus dem Fenster meines Apartments auf La Palma, das direkt an der Küste liegt. Nach einem schnellen Frühstück und einer Tasse Kaffee begebe ich mich auf den Weg zu meinem Gastgeber für diese Woche, Atlantic Cycling. Ihr Shop befindet sich in der friedlichen Küstenstadt Puerto Naos. Die Vorfreude steigt, während wir unsere Bikes auf den Anhänger laden und in den Minibus hüpfen. Ganze 45 min und eine malerische Autofahrt später kommen wir am Refugio El Pilar an, einem Grill- und Campingplatz, der fast genau in der Mitte der Insel liegt und 1.811 m über dem Meeresspiegel.

Simone, unser Guide für den heutigen Tag, ist eine Downhill-Rennfahrerin aus Österreich und kennt die Insel wie ihre Westentasche. Wir lassen unsere Bikes von der Leine und stürzen uns auf den ersten Trail des Tages. Er beginnt als schnelle, flowige Abfahrt durch einen lehmigen Pinienwald. Wir sausen durch gewaltige natürliche Anlieger und über Bodenwellen, die sich überspringen oder wegdrücken lassen, und können den ganzen Weg über Freudenschreie kaum unterdrücken. Nachdem wir uns auf einer Lichtung wieder gesammelt haben, knöpfen wir uns die untere Hälfte des Trails vor. Plötzlich verändert sich alles, Pinien und Lehmboden weichen sattem Dschungelgrün, Felsen und Wurzeln. Die Geschwindigkeit des Trails verändert sich und kluge Linienwahl ist nötig, um Flow in den steilen, steinigen Kurven zu finden. Bevor mein Gehirn überhaupt verarbeiten kann, was gerade passiert ist, kommen wir schon am Ende des Trails an, wo unser Shuttle bereits wartet, um uns zurück zum Startpunkt zu bringen.

Mein Gastgeber während des Trips war Atlantic Cycling
Unser Guide Simone kennt sich auf der Insel bestens aus und hat es ordentlich krachen lassen
Der Trail veränderte sich rasch von schnellem, flowigem Lehm-Untergrund zu technischen Felspassagen in dschungelähnlichem Terrain

Zurück am Refugio El Pilar starten wir die Auffahrt in den Süden der Insel. Unser Ziel: ein Vulkan namens Nambroque. Nach einem einstündigen Anstieg, 500 Höhenmeter später, sind wir fast da. Eine kurze Schiebe- bzw. Tragepassage über die Flanke des Vulkans führt uns hinauf zum Krater, wo die Aussicht einfach überwältigend ist. Von diesem Punkt aus kann man nahezu die gesamte Insel überblicken und der Pico del Teide, der höchste Punkt Teneriffas und zugleich Spaniens, zeichnet sich jenseits des Meeres durch die Wolken hindurch ab. Wir saugen den Ausblick geradezu in uns auf, während wir uns mit einigen Bocadillos, der spanischen Sandwich-Variante, zum Mittag stärken. Dann geht es weiter – und wie: Die Abfahrt vom Nambroque ist ohne Frage einer der spaßigsten Trails, die ich jemals gefahren bin. Zunächst schießen wir schnurstracks gerade über Felsstufen und Drops hinunter, mit einem Überfluss an natürlichen Linien und Hip Jumps. Ich folge Simone und versuche dabei mein Bestes, ihre Linien zu kopieren, Felsen zu überspringen und Kurven zu sprengen. Der Trail führt uns daraufhin erneut zurück in steile Pinienwälder, gespickt mit technischen Spitzkehren.

Der Anstieg zum Gipfel war zwar herausfordernd…
… doch die überwältigende Aussicht hielt uns bei Laune

Die Abfahrt vom Nambroque ist ohne Frage einer der spaßigsten Trails, die ich jemals gefahren bin.

Die Abfahrt vom Nambroque war wirklich unglaublich: schnell, flowig und super spaßig!

Der nächste Wechsel des Terrains ist ebenso drastisch: Wir fliegen aus einem Wald heraus, hinein in eine aberwitzige Lava-Mondlandschaft. Das Biken hier ist anders als alles, was ich jemals zuvor erlebt habe. Beim Surfen durch den tiefen Lavasand fühlt man sich wie ein Held, driftet in jede Kurve und wirbelt gigantische Staubwolken auf! Am anderen Ende des Lavafelds führt der Trail wieder in den Wald hinein und ein handgebauter Downhill-Trail, der von den Locals Moraditas genannt wird, bringt uns zum Städtchen El Paso. Hier gönnen wir uns einen Kaffee, bevor wir auf einem uralten, pumptrackartigen Lavastrom zurück nach Puerto Naos gleiten.

Breites Grinsen inklusive – beim Surfen durch den Lavasand fühlt man sich wie Sam Hill persönlich!

Die Ausfahrt endet mit einem Bier (oder zwei) in der Hotelbar Las Olas, direkt an der Küste. Ein erfrischendes Dorada, ein kanarisches Bier aus Teneriffa, gibt uns die Möglichkeit, die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren zu lassen. Die enorme Vielfalt der Trails ist wirklich überwältigend: An nur einem Tag sind wir auf flowigen Trails durch Pinienwälder gefahren, haben knifflige Felspassagen im grünsten Dschungel gelöst, haben Vollgas gegeben auf Vulkan-Abfahrten und sind durch tiefen Lavasand gesurft.

Prost!

Wo liegt La Palma?

La Palma ist die nordwestlichste Vulkaninsel der Kanaren und liegt ca. 400 km westlich von der Küste Marokkos. Viele unserer Rennrad-Buddys zieht es auf der Suche nach wärmerem Wetter nach La Palma, aber mit einer derartigen Vielfalt an Trails im Angebot überrascht es mich, dass das Mountainbiken auf dieser Insel so lange ein Geheimnis geblieben ist.

La Palma? Das ist eine Stadt auf Gran Canaria, oder?

Wie kommt man nach La Palma?

Der La Palma Airport (SPC) ist 8 km von der Hauptstadt Santa Cruz entfernt. Aus Europa gibt es viele Direktflüge. Alternativ kann man auch nach Teneriffa fliegen und von dort aus eine Fähre oder einen Kurzstreckenflug nach La Palma nehmen. Eine superschnelle Fähre wird von der Reederei Fred. Olsen betrieben und braucht nur 2,5 h. Wer das nicht will, kann einen Linienflug vom Flughafen Tenerife Norte aus buchen. Dazu muss man allerdings erst vom Flughafen Tenerife Sur dorthin kommen, mit dem Bus dauert das ca. 50 min und kostet ungefähr 9.70 €.

La Palma ist eine Vulkaninsel ungefähr 400 km westlich von der Küste Marokkos
Ihr höchster Gipfel reicht auf über 2.400 m, mit Trails vom absolut höchsten Punkt der Insel bis hinunter zum Meer

Welche Transportmittel gibt es auf La Palma?

Die Fortbewegung auf La Palma ist unkompliziert. Es gibt reguläre Busverbindungen auf der gesamten Insel und die Busse haben Stauraum für Bikes und Bike-Bags. Es sind außerdem zahllose spezielle Shuttle-Anbieter verfügbar, wie z. B. La Palma FREEride und Aceshuttle La Palma. Diese Anbieter bieten Shuttles und Transfers für Biker an, außerdem Abholung und Transport zum Flughafen.

Die Fortbewegung auf La Palma ist easy: Es gibt zahllose Anbieter für Shuttles und Flughafen-Transfers

Mountainbiken auf La Palma

Die Trails auf La Palma sind wahrhaft einzigartig. Die Kombination aus atemberaubender Aussicht und gewaltiger Trail-Vielfalt sorgt für ein unvergessliches Fahrerlebnis. Doch aufgrund des abgelegenen und exponierten Charakters der Trails sowie des Terrains empfehlen wir euch dringend, an geführten Touren teilzunehmen. Dadurch maximiert ihr nicht nur eure Sicherheit, sondern sorgt auch dafür, dass ihr die für euch besten Trails fahrt – schließlich können die Guides die Touren an eure Vorlieben sowie euer Fahrkönnen anpassen. Da die Vielfalt an Trails so enorm ist, könnt ihr leicht eine Woche mit dem Bike unterwegs sein, ohne denselben Trail zweimal zu fahren! Falls ihr nach einer Guiding-Firma in Puerto Naos Ausschau haltet, können wir euch Atlantic Cycling and Bike Station empfehlen: reibungsloser Ablauf und spitzenmäßige Guides garantiert!

Die Trails auf La Palma sind vielfältig und haben für jeden Fahrer und jedes Fahrlevel etwas zu bieten
Wir sind zufällig RedBull-Fahrer Tom Oehler begegnet, der das Trail-Angebot genauso zu genießen schien wie wir!

Welches Bike sollte man dabeihaben?

Die Trails sind ziemlich technisch, deshalb empfehlen wir euch, euer eigenes Bike mitzubringen – schließlich werdet ihr auf einem Bike, das ihr kennt, am meisten Selbstsicherheit haben. Unserer Meinung nach ist das ideale Bike für La Palma eine langhubiges 29er. Außerdem würden wir dringend zu einem Tubeless-Setup mit stabilen Reifen, idealerweise sogar Dual-Ply-Reifen raten. Auch 200-mm-Bremsscheiben sind von Vorteil, da die größeren Scheiben besser mit der Hitze klarkommen, die sich auf den langen, steilen Abfahrten entwickelt. Auch Rahmenschutzfolien oder Ähnliches sind nicht verkehrt und erweisen sich auf den felsigen Trails als nützlich. Wenn es für euch keine Option ist, euer eigenes Bike mitzubringen – keine Panik. Alle Tour-Anbieter auf der Insel haben ihre eigene Verleihflotte, der Preis für ein Fully liegt bei ungefähr 40 € pro Tag. Spezielle Wochentarife sind ebenfalls oft verfügbar.

Was kann man auf La Palma noch anstellen?

Mountainbiken ist nicht die einzige Beschäftigung auf der Insel. La Palmas unterschiedliche Facetten lernt ihr am besten kennen, wenn ihr zwischendurch auch mal am Strand Sonne tankt oder den wunderschönen Nationalpark Caldera de Taburiente erkundet. Ein weiterer Ort, der definitiv einen Besuch wert ist: die Plaza La Glorieta, ein bezaubernder kleiner Platz mit verschachtelten Mosaikböden und farbenprächtigen Blumen, angelehnt an Gaudis Parc Güell. Er liegt gleich neben einem Weinmuseum, das sich in einem für Santa Cruz typischen Gebäude befindet und zudem ein großartiger Ort ist, um den Sonnenuntergang zu beobachten und Wein aus der Region zu probieren. Wenn Wandern und Sightseeing nicht so euer Ding sind, dann gibt es eine Vielzahl anderer Sportarten im Angebot, wie beispielsweise Sporttauchen und Paragliden. Auf La Palma findet sicher jeder eine Aktivität nach seinem Geschmack!

Essen und Trinken

Die Gastronomie auf La Palma ist ebenfalls fantastisch. Der Schwerpunkt liegt auf frischen Meeresfrüchten sowie Obst und Gemüse aus der Region. Fleisch ist ebenfalls beliebt, speziell gegrilltes Schwein. Wenn ihr auf La Palma seid, müsst ihr unbedingt den geräucherten Ziegenkäse (Queso de Cabra) probieren – er ist absolut köstlich, wenn er gegrillt und zusammen mit einer grünen Chilisauce namens Mojo Verde serviert wird. Einfache, aber schmackhafte Speisen sind beliebt, also rechnet mit einer Vielzahl an leckeren Eintöpfen sowie den berühmten Papas Arrugadas, in Salzwasser gekochten Runzelkartoffeln aus La Palma.

Die Lieblings-Spots der Einheimischen haben oft das beste, authentischste Essen zu günstigen Preisen

Ein Barraquito Completo ist ein Muss für Kaffee-Liebhaber!

Wir hatten eine großartige Zeit beim Biken und Relaxen auf La Palma und werden definitiv zurückkommen! Einen ganz besonderen Dank an Atlantic Cycling und Bike Station für die fantastischen Touren. Wir sehen uns wieder!


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