In den letzten drei Jahren standen Light-E-MTBs wie keine andere Bike-Kategorie im Rampenlicht. Jeder namhafte Hersteller hat ein Light-E-MTB entwickelt und ständig wurden neue Motorsysteme und Technologien auf den Markt gebracht. Doch so schnell, wie sie gekommen sind, werden sie auch wieder verschwinden. Ciao, Light-E-MTBs – es war uns eine Ehre.
Viel Power, große Akkus und eine robuste Ausstattung haben in der Vergangenheit zwangsläufig immer eines bedeutet: E-Mountainbikes haben die 20-kg-Marke ordentlich gesprengt und ein Gewicht von 24 kg oder mehr war keine Seltenheit. Vor allem Bikes wie das Norco Sight VLT oder ROTWILD R.X1000 haben mit Akku-Kapazitäten von über 900 Wh das Akku-Wettrüsten angeführt und ordentlich Gewicht auf die Waage gebracht. Auf der Gegenseite standen die Light-E-MTBs: weniger Motorpower, kleinere Akkus und geringeres Gewicht. Meilensteine waren hier Bikes wie das Lapierre eZesty und die erste Generation des Specialized Levo SL, die früh gezeigt haben, was diese Kategorie ermöglicht hat: Sie fahren sich beinahe wie analoge MTBs, sind kaum als E-Bikes zu erkennen und haben die E-Mountainbike-Entwicklung in wichtigen Aspekten vorangetrieben. Doch damit haben sich Light-E-MTBs auch ihr eigenes Grab geschaufelt …
Gemeinsam mit unserem Schwestermagazin E-MOUNTAINBIKE haben wir kürzlich die 9 spannendsten Light-E-MTBs gegeneinander antreten lassen – und bereits hitzig diskutiert, lange bevor es auf die Trails ging. Denn die Frage, wie sich Light-E-MTBs definieren, war nie abschließend geklärt, und die Hersteller haben unterschiedliche Light-Konzepte entwickelt. Das neue Feld? Nie trennscharf: Kleinere Akkus in Kombination mit Fullpower-Motoren oder spezielle Light-Motoren mit verschiedenen Akku-Konfigurationen führen hinsichtlich des Gesamtgewichts zu ähnlichen Ergebnissen. Auch die Wahl der Ausstattung kann das Endergebnis stark beeinflussen. Deshalb war die Entscheidung, welche Bikes letztendlich in unserem Vergleichstest antreten, keine einfache Aufgabe, und wir haben uns bewusst für unterschiedliche Konzepte entschieden. Nur dann lassen sich spannende und wegweisende Erkenntnisse gewinnen.
So hat unser Vergleichstest gezeigt, dass Konzepte, wie wir sie am Cannondale Moterra SL finden oder am neuen Orbea Rise LT – eines der spannendsten Light-E-MTBs der letzten Jahre –, wegweisend für die Zukunft sind. Beide Modelle setzen auf die volle Leistung ihres Motors, bieten ausreichend Akkukapazität und behalten dennoch ein niedriges Gesamtgewicht bei. Auch das MERIDA eONE-SIXTY folgt diesem Ansatz und kombiniert ihn mit extra Federweg und einer robusten Ausstattung. Ein echter Paukenschlag kam von DJI, dem Drohnenhersteller, der mit seinem Bike-Modell Amflow auf der EUROBIKE für Aufsehen sorgte: Die Spezialisten von DJI haben dazu ein Trail-Bike mit einem bärenstarken 120-Nm-Motor und einem 600-Wh-Akku kombiniert und es dennoch geschafft, trotz solider Ausstattung unter 20 kg zu bleiben. Ähnliches gilt für Hersteller wie ZF, die ebenfalls ein zukunftsorientiertes System auf den Markt gebracht haben.
So wie die neuen und vielversprechenden Player DJI und ZF den Markt aufmischen, so treiben auch Hersteller wie Shimano, Bosch und TQ die Entwicklung ständig voran. Mit der Folge, dass neue Motorsysteme kleiner, leichter und stärker werden. Die Frage, ob ein Light- oder ein Full-Power-Motor das Ziel ist, wird sich bald nicht mehr stellen. Dafür wird die Frage nach der passenden Akkukapazität immer wichtiger. Auch hier gibt es stetig neue Zelltechnologien, die die Akkus kleiner, leichter und leistungsfähiger machen. Kombiniert man all das mit der stetigen Entwicklung von Rahmen und Komponenten, lässt sich einfach ableiten, was uns in der Zukunft erwartet.
Bereits heute gibt es einige Bikes – wie das Orbea, Cannondale, Amflow oder MERIDA –, die den Start dieser neuen Generation ankündigen und wir werden Stück für Stück mehr solcher Bikes auf dem Markt sehen. Denn kraftvolle Motoren mit einer hohen Reichweite, variable Akku-Konzepte, smarte Features und eine robuste Ausstattung bedeuten nicht zwangsweise ein hohes Gewicht.
Auch preislich geraten die Light-E-MTBs immer mehr in eine Konfliktsituation. Durch deutlich größere Stückzahlen und Abnahmemengen der Motoren und Akkus von Full-Power-E-MTBs sind diese oftmals deutlich erschwinglicher als Light-Modelle mit vergleichbarer Ausstattung. Ein weiterer Nachteil der Light-E-MTBs: Sie sind meist nur in der teuren Top-Ausstattungsvariante wirklich leicht. Greift man weiter unten ins Regal und wählt eine günstigere Ausstattungsvariante, landet man durch Komponenten, die weniger gewichtsoptimiert sind, schnell wieder über 21 kg oder noch mehr. Da stellt sich doch die Frage: Warum dann noch ein Light-E-MTB kaufen und auf Motorpower oder Akkukapazität verzichten?
Doch Light-Systeme werden nicht vollständig aus der Bike-Industrie verschwinden und einige Bike-Hersteller werden auch in Zukunft noch auf schwächere Motoren und kleine Akkus setzen. Besonders bei CC-orientierten Konzepten wie dem Thömus Lightrider oder dem SCOTT Lumen eRIDE und im Gravel- und Road-Bereich machen solch kleine und „schwache“ Systeme noch Sinn. Aber: „Light“-E-MTBs mit wenig Drehmoment und kleinen Akkus sind im E-MTB Bereich Geschichte.
Light-E-MTBs waren ein notwendiger Gegentrend zum Akku- und Power-Wettrüsten und haben die Entwicklung leichterer Motorsysteme in vielerlei Hinsicht vorangetrieben. Jetzt pendelt sich – wie schon so oft in der Bike-Industrie – das Gleichgewicht wieder ein, und eine neue Generation von E-Mountainbikes steht in den Startlöchern. Diese Bikes sind leichter, stärker, effizienter und vor allem eines: noch spaßiger!
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Text & Fotos: Peter Walker