Die neue MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse ist größer und bulliger, bringt aber nicht mehr Power als die bisherigen Bremsen des Herstellers. Das Ziel bei der Entwicklung war stattdessen eine konstante Bremsung und eine einfache Servicebarkeit mit neuem EASY LINK-System. Wir haben sie getestet.

MAGURA ist ein Unternehmen mit über 100-jähriger Geschichte, das superviel Erfahrung mit Bremsen und Composite-Materialien hat. Die erste GUSTAV-Bremse kam bereits 1996 auf den Markt und wurde jetzt mit der neuen MAGURA GUSTAV PRO wiederbelebt. Sie ist die erste Bremse der neuen GUSTAV-Familie, die später noch um weitere Modelle ergänzt werden soll. Die bekannte MT-Familie bleibt dabei unverändert und wird um die neue GUSTAV-Familie erweitert.
Das Ziel bei der Entwicklung der GUSTAV PRO-MTB-Bremse war dabei nicht maximale Power, sondern eine konstante Bremsperformance und einfache Wartung. Durch ihr bulliges Auftreten ist sie mit einem Gewicht von 696 g allerdings kein Leichtgewicht und bringt über 100 g mehr auf die Waage als der Durchschnitt unseres großen Bremsen-Vergleichstests. Für ihre Größe ist das allerdings noch ein akzeptabler Wert, der auch durch die leichte Bauweise mit Carbotecture-Kunststoff ermöglicht wird. Die GUSTAV PRO ist kompatibel mit dem Bosch eBike ABS-System und soll dadurch auch für Trekking- oder Touren-Bikes spannend sein. Der Preis pro Bremse liegt bei 300 €, erste Produkte sollen ab Mitte Oktober erhältlich sein.

Die MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse im Detail
Die neue GUSTAV PRO-MTB-Bremse ist trotz des neuen Looks optisch direkt als MAGURA erkennbar, aber dennoch eine komplette Neuentwicklung. Durch die größere Bauform können größere Kolben und mehr Ölvolumen verwendet werden. Dadurch wird weniger Öldruck für die gleiche Bremspower benötigt und das System ist weniger störungsanfällig. Zudem hilft die große Ölmenge beim Einsatz mit dem ABS-System, da das für seine Funktion etwas Öl aus dem System nimmt. Passend zum bulligen Auftreten der Bremse sind auch die neuen MDR-S 2.5-Bremsscheiben mit einer Dicke von 2,5 mm ziemlich massig. Das soll ein besseres Hitzemanagement und dadurch eine konstantere Bremspower sowie weniger Geräuschbildung durch die steifere Scheibe bieten. An der Innenseite sind die Bremsscheiben abgefräst, damit sie etwas weiter innen in Richtung Laufrad sitzen und trotz der größeren Dicke nicht zu nah an den Rahmen kommen. Die GUSTAV PRO-MTB-Bremse ist aber auch mit den standardmäßigen 2-mm-Rotoren von MAGURA kompatibel. Durch das große Ölvolumen der Bremse ist nicht einmal Entlüften nötig. Die dicken 2,5-mm-Bremsscheiben sind nur bis zu einem Durchmesser von 203 mm erhältlich, sollen aber durch die größere Kontaktfläche mit den Bremsbelägen bereits ausreichend Power besitzen. Für diese große Kontaktfläche sorgen die neu entwickelten Bremsbeläge, die ebenfalls größer geworden sind und zudem eine neue Belagmischung haben. Zusammen mit den größeren Kolben im Bremssattel sollen die Beläge gleichmäßigen Druck auf die Scheibe bringen und nicht verkanten. Dadurch soll mit der GUSTAV auch kein nerviges Einbremsen mehr nötig sein.


Die Geber der neuen MAGURA-Bremse setzen weiterhin auf ein Flip-Flop-Design, was bedeutet, dass ihr die beiden Bremshebel beliebig auf der rechten oder linken Lenkerseite montieren könnt. Allerdings hat der Geber nur eine Entlüftungsschraube und auf der linken Seite müsst ihr ihn demontieren oder zum Entlüften drehen. Die komplette Gebereinheit inklusive Hebel besteht natürlich aus dem Carbotecture-Kunststoff, aus dem auch die MT-Modelle gefertigt sind. Die Bremsleitung verlässt den Geber mit 0° Winkel, sprich parallel zum Lenker, was für einen kleineren Bogen der Leitung sorgt und vor allem bei Rahmen, bei denen die Kabel durch den Steuersatz laufen, ein cleanes Cockpit bringt. Somit geht MAGURA hier einen ähnlichen Weg wie SRAM, die sowohl mit der CODE Stealth als auch der MAVEN die Leitungen näher an den Lenker geholt haben. Die Klemme wurde für die GUSTAV neu entwickelt, besteht aus Aluminium und befestigt die Bremse mit einer Schraube, die in der Schelle festgeschraubt wird, ähnlich wie es bei den Bremsen von Shimano funktioniert. In der Schelle ist direkt ein Interface für das Anbringen von Schaltung oder Dropper angebracht, sodass man nur noch den passenden MAGURA-Adapter für SRAM- oder Shimano-Schaltungen braucht. Vorerst wird es die GUSTAV PRO-Bremse nur mit einem Bremsbelag und einem Hebel geben. Letzterer ist mit einer kleinen Kerbe ausgestattet, die im Falle eines Crashs als Sollbruchstelle dienen soll, um den Geber zu schützen. Der Hebel kann einfach mit einem Torx 15 entfernt werden, das Öl-System ist davon nicht betroffen und bleibt weiterhin dicht. Die Hebelweite lässt sich werkzeuglos mit einem kleinen Rädchen, das in den Hebel eingelassen ist, verstellen, den Druckpunkt kann man hingegen nicht verstellen.


Die wahrscheinlich spannendste Neuerung an der GUSTAV PRO-MTB-Bremse ist allerdings das sogenannte EASY LINK-System. Das beschreibt eine hydraulische Kupplung am Geber, in die die Bremsleitung mit dem passenden Adapter nach Entfernen eines Sicherheitsclips einfach eingeclippt werden kann. Das soll wiederum Zeit und Nerven bei der Montage sparen – sowohl für Heimwerker als auch für OEM-Kunden von MAGURA, die große Mengen an Bremsen montieren müssen. Damit die Leitung in das EASY LINK-System passt, muss daran ein Adapter mit sogenannter EASY TUBE-Technologie angebracht werden. Dieser Adapter kann entweder geklemmt oder geschraubt werden. Um ihn zu klemmen, wird allerdings Spezialwerkzeug benötigt und diese Methode ist somit hauptsächlich für OEMs oder große Werkstätten interessant. Heimwerker können den Adapter nach dem Kürzen der Bremsleitung einfach mit einem Gabelschlüssel anschrauben. EASY LINK kann mit einem einschraubbaren Adapter auch an den MT-Modellen nachgerüstet werden.
Installation und Entlüftung der MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse
Wenn ihr die MAGURA GUSTAV PRO an eurem Bike nachrüsten wollt, kommt die Bremse in zwei Teilen: dem Geber und dem Sattel inklusive Leitung. Beide Teile sind fertig entlüftet, versiegelt und mit einem Transportclip gesichert, der nach einer halben Umdrehung einfach herausgezogen werden kann. Da ihr den Hebel sowohl rechts als auch links an eurem Lenker anbringen könnt, wird die Bremse nicht spezifisch für das Vorderrad- oder Hinterrad angeboten, sondern kommt immer mit 2 m Bremsleitung. Passt diese Länge auch für die Hinterbremse, müsst ihr nach dem Verlegen der Leitung nichts mehr machen und könnt die Leitung einfach in den EASY LINK des Gebers stecken – fertig. Für die Vorderbremse ist allerdings in jedem Fall erforderlich, die Leitung zu kürzen. Nachdem ihr das gemacht habt, schraubt ihr einfach den EASY LINK-Adapter, der mit jeder Bremse mitgeliefert wird, in die Leitung und clippt ihn danach in den Geber ein. Ein Entlüften der Bremse ist danach nicht nötig.


Ist alles installiert und der Sicherheitsclip wieder angebracht, müsst ihr einfach einmal am Hebel ziehen, wodurch eine Membran im Geber durchgedrückt wird. Dann ist die Bremse fertig und ihr könnt direkt auf die Trails starten. Die Geber können auch einzeln gekauft werden und da sie schon fertig entlüftet und verschlossen geliefert werden, kann man sie auch einfach als Ersatzteil mitnehmen und hat einen fertig entlüfteten Geber, den man im Falle eines Ausfalls austauschen kann, ohne danach entlüften zu müssen. Aber auch wenn ihr die Bremse noch einmal ausbauen müsst, zum Beispiel zum Service an eurem Steuersatz, könnt ihr den Geber einfach mit dem Transportclip schließen und nach dem Service die Leitung wieder einclippen. Auch hierbei sollte kein Öl herauslaufen, wenn ihr etwas vorsichtig seid, aber eventuell ist es dennoch nötig, die Bremse zu entlüften.
Zum Entlüften der Bremsen könnt ihr, wie ihr es von den MT-Modellen kennt, den Quick Bleed über den Geber oder eine vollständige Entlüftung durchführen, bei der ihr frisches Öl von der Zange in das gesamte System drückt. Für Letzteres müsst ihr lediglich das Ventil an der Bremszange mit einem Gabelschlüssel um 90° öffnen, eine volle Spritze von oben einstecken und eine leere Spritze an den Geber anschließen. Dann könnt ihr das frische Öl in das System drücken und das alte, schmutzige Öl fließt in die Spritze am Geber. Der Ölfluss an der Bremszange zu den Kolben ist in Reihe geschaltet statt parallel, was vermeiden soll, dass altes Öl nach dem Entlüften in Winkeln der Zange zurückbleibt.


Die MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse dem Trail
Wir sind die neue MAGURA GUSTAV PRO-Bremse mit den neuen, dicken 2,5-mm-Bremsscheiben mit 203 mm Durchmesser vorne und hinten am Canyon Strive:ON-E-Bike gefahren. Das Setup der Bremse geht schnell und easy: Einfach Geber in die Schelle einlegen und mit einer Schraube in der gewünschten Position festziehen. Danach kann man die Hebelweite werkzeuglos einstellen. Durch die Positionierung des Einstellrads im Bremshebel, lässt es sich allerdings nicht ganz einfach drehen und man braucht etwas Fingerkraft. Dafür ist das Rädchen in dieser Position bei Bodenkontakt gut geschützt und weniger gefährdet, abzubrechen. Selbst wenn man den Hebel so nah wie möglich an den Lenker stellt, ist er noch recht weit entfernt und Fahrer mit kurzen Fingern oder alle, die ihre Griffe gerne sehr nah am Lenker fahren, bekommen hier Probleme. Dieser Abstand zum Lenker kommt durch die ABS-Kompatibilität der GUSTAV, da dabei immer ein gewisser Abstand zum Lenker eingehalten werden muss, um auch bei Eingriff des Systems noch etwas Spielraum zu haben. MAGURA hat allerdings schon angekündigt, dass andere Hebel, die eine optimierte Griffweiteneinstellung ermöglichen, in Planung sind. Die Einstellung von Schaltung und Dropper mit den Adaptern an der Bremsschelle ist auch etwas eingeschränkt. Die Adapter stehen weit nach unten ab und so befinden sich auch Schaltung und Dropper-Hebel sehr weit weg vom Lenker.

Startet man nach dem Setup dann auf den Trail, wird man ab der ersten Bremsung direkt mit ordentlich Power begrüßt. Das nervige Einbremsen kann man sich mit der GUSTAV also getrost sparen. Mega nice! Die Bremskraft der Bremse ist nicht brachial, aber durchaus sehr solide und etwa auf dem Level der MT7. Was aber wirklich beeindruckend ist, ist die Konstanz, die die neue MAGURA-Bremse an den Tag legt. Bei unserem Test war das Wetter sehr durchwachsen und die Bremse musste nassgeregnet, vollgespritzt oder nach langen Abfahrten heiß gefahren einiges durchmachen. Aber egal, was auf der Abfahrt passiert, die GUSTAV PRO liefert eine superkonstante, hohe Bremspower bei gleichbleibendem Druckpunkt. Der Druckpunkt ist dabei sehr knackig, ähnlich wie man es von anderen MAGURA-Bremsen bereits kennt, bleibt dabei aber gut dosierbar und lässt kein digitales Bremsgefühl aufkommen. Die GUSTAV PRO setzt also keine neuen Maßstäbe in roher Bremskraft, dafür beeindruckt sie aber mit einfachem Handling und sehr hoher Konstanz.


Das Fazit zur MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse
Die MAGURA GUSTAV PRO-MTB-Bremse ist groß und wuchtig, allerdings nicht unbedingt für High-Performance-Racer gedacht, sondern für alle, die lieber mehr Zeit auf dem Bike statt in der Werkstatt verbringen. Ihre wahre Stärke liegt in den Details: Durch das EASY LINK-System ist sie einfach montiert und Einbremsen ist nicht nötig. Ergonomie und Hebelweite lassen sich (noch) nicht für alle Fahrer gut anpassen, aber die GUSTAV PRO bietet sehr solide Power, egal unter welchen Bedingungen.

Tops
- smarte Service-Details
- sehr konstante Bremspower

Flops
- Hebel lässt sich nicht nah am Lenker einstellen
- Ergonomie-Einstellung eingeschränkt
Mehr Infos findet Ihr auf der Website von MAGURA.

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Text: Simon Kohler Fotos: MAGURA