YT Industries hat sich innerhalb von 10 Jahren von einer Garagenfirma zu einer der bedeutendsten Marken im Trail-, Enduro- und Downhill-Segment entwickelt. Wir haben uns mit Markus Flossmann getroffen, um mehr über ihn und die Erfolgsgeschichte seiner jungen Marke zu erfahren.
Hi Markus, grüß dich! Beginnen wir klassisch, stell dich bitte einmal kurz vor!
Meine Name ist Markus Flossmann, ich bin 42 Jahre alt und Gründer und Geschäftsführer von YT Industries in Forchheim, Oberfranken. Ende der 90er Jahre habe ich mit dem Mountainbiken begonnen, nachdem ich verletzungsbedingt meine Karriere im Kraftsportbereich an den Nagel hängen musste. Seitdem bin ich Mountainbiker mit Herz und Seele und versuche so oft wie möglich auf dem Bike zu sitzen. Vor 10 Jahren habe ich YT gegründet, da ich der Meinung war, dass die meisten High End Mountainbikes viel zu teuer waren. Vor allem für die junge Zielgruppe.
Wie bist du auf die Idee gekommen, YT zu starten und wie lang hat es gedauert, bis ihr die ersten Räder produziert habt?
Ich habe damals zwei Kids im Alter von ungefähr 15 Jahren auf unserem Local Dirt Track in Forchheim getroffen. Die beiden gingen für damalige Verhältnisse auf den Jumps mächtig ab und ich war ziemlich beeindruckt. Dabei ist mir aufgefallen, dass sie auf absolut schrottigen Billigbikes aus dem Baumarkt unterwegs waren. Ich fragte sie, warum sie sich nicht ein richtiges DJ Bike kaufen würden, eines das für diese Art von Riding geeignet ist. Einer der beiden meinte nur „Würden wir, wenn wir uns eins leisten könnten“. Ein brauchbares Dirtjump Bike kostete damals etwas über 1.000 € und war für die Jungs schlichtweg nicht finanzierbar. Darüber hinaus war es in der Regel nur mit einem Stahlrahmen, einer einfachen Federgabel und einer Hinterradbremse ausgestattet. Keine Schaltung, keine anderen teuren Parts, nichts weiter. Abends zuhause dachte ich mir dann, dass es eigentlich ein Jammer ist, dass diese beiden jungen Talente ihrem Hobby und vielleicht auch ihrer Berufung nicht vernünftig nachgehen können, weil sie sich das Material dafür nicht leisten konnten. Es muss doch möglich sein, so ein Produkt deutlich günstiger anzubieten. Diese Gedanken führten zum Startschuss für mein neues, nebenberufliches Projekt. Mit Hilfe eines Freundes habe ich Kontakte nach Taiwan aufgebaut, einen DJ Rahmen entwickelt und 150 Stück davon produzieren lassen. Die Kohle war knapp. Also habe ich alles Verfügbare zusammengekratzt und neben den 150 Rahmen auch die passenden Komponenten erworben und bei mir zuhause in der Garage montiert.
Ich hatte ein klares Ziel vor Augen: Die Bikes sollten direkt über eine Website zum Verkauf angeboten werden. Dadurch konnte ich die Marge für Groß- und Einzelhändler einsparen und den Preisvorteil direkt an den Kunden weitergeben. Kurzum, 1 Jahr später hatte ich ein absolut wettkampftaugliches Bike für 499 € auf die Räder gestellt.
Mit meinem ersten montierten und getesteten Bike im Gepäck bin ich in München in der Redaktion des FREERIDE Magazins vorstellig geworden. Zu meiner Überraschung wurde mein Bike sofort in einen Vergleichstest mit all den großen US Brands aufgenommen. Wow, mir ging ganz schön die Düse. 4 Wochen später kürte das Magazin den Preis-Leistungs-Testsieger: „Dirt Love”. Mein Bike hatte es tatsächlich geschafft und die 150 Bikes, die ich aufgelegt hatte, waren innerhalb von 10 Tagen ausverkauft.
Daraufhin kündigte ich meinen Job und setzte alles auf die YT Karte. Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut.
Was hast du vor YT gemacht?
Ursprünglich komme ich aus dem Kraftsportbereich und habe auch eine Ausbildung als Lehrer für Fitness, Gesundheit und Sportrehabilitation absolviert. Nebenbei habe ich mich im Marketingbereich weitergebildet, die Erfolgsgeschichten starker Marken haben mich schon immer fasziniert. Die letzten 8 Jahre vor Gründung von YT war ich als Marketingleiter der damals größten deutschen Fitnesskette tätig.
Am Ende des Tages zählt, was man abliefert und dass der Spaß dabei nicht zu kurz kommt.
Die Erfolgsgeschichte von YT ist beeindruckend – egal wo man unterwegs ist, überall sieht man eure Räder. Was macht ihr anders als andere Marken und was ist euer Schlüssel zum Erfolg?
Ich weiß nicht wirklich, was unsere Konkurrenten machen, damit setze ich mich nicht sonderlich auseinander. Das, was wir tun, ist auf jeden Fall kein Geheimnis oder etwas Besonderes. Wir sind selbst passionierte Mountainbiker und entwickeln unsere Bikes mit absolutem Herzblut. Wir lieben es verrückte Geschichte um unsere Produkte zu spinnen und zu erzählen. Wir sind authentisch und verstellen uns nicht, auch wenn das, was wir sagen, manchmal etwas polarisiert. Am Ende des Tages zählt, was man abliefert und dass der Spaß dabei nicht zu kurz kommt. Nicht mehr und nicht weniger. Viele dieser Ansätze verfolgen unsere Mitbewerber sicher auch recht gut, aber vielleicht macht es bei uns das Gesamtpaket aus. Oder wir machen es einfach nur einen Hauch besser.
Der Weg war aber sicher nicht immer leicht! Kannst du die schwersten und die schönsten Momente der letzten Jahre beschreiben?
Der Weg war tatsächlich alles andere als leicht. Zwischendurch habe ich mich oft gefragt, warum ich das Ganze angefangen habe und meinen gut bezahlten Job an den Nagel gehängt hatte. Gerade am Anfang waren wir chronisch unterfinanziert. Hierzulande ist es ja leider noch nicht so einfach als Start-up-Unternehmen zu einer Finanzierung zu kommen, vor allem dann, wenn man zwar eine fixe Idee und ein Konzept, aber so gut wie keine Erfahrung in der Branche hat. Aber wie heißt es so schön, ohne Moos nix los. Wer Bikes verkaufen will, muss nun mal vorher die Komponenten käuflich erwerben. Es war hart und wir hatten viele Rückschläge, aber wir haben uns durchgekämpft.
Wir wurden teilweise von Zulieferern blockiert, die uns keine Produkte verkaufen wollten, weil wir mit unserem Konzept den Markt kaputt machen würden.
Wir wurden teilweise von Zulieferern blockiert, die uns keine Produkte verkaufen wollten, weil wir mit unserem Konzept den Markt kaputt machen würden. Ein Mitbewerber forderte sogar von Komponentenherstellern, die mit uns zusammenarbeiteten, einen Lieferstopp an uns. Andernfalls würde er keine Ware mehr abnehmen. Einige haben das dann tatsächlich auch getan.
In den ersten Jahren durchlebten wir tatsächlich einen regelrechten Kampf, aber die positiven Momente haben alles andere wieder aufgewogen. Das Gefühl des ersten Testsieges, die Resonanz auf unser erstes CAPRA, der erste World Cup Sieg oder einfach nur die gute Zeit mit unseren Ridern und Freunden gemeinsam auf den eigenen Bikes. Das Gefühl nimmt dir keiner mehr und überflügelt alles.
Du hast auch in anderen Branchen gearbeitet. Was läuft dort besser, was schlechter? Gibt es etwas an der Bike-Industrie, das dich nervt?
Von der Fitness Branche dachte ich oft, dass dies die wahrscheinlich unprofessionellste Branche des Universums ist. Nach kurzer Zeit in der Bike Branche merkte ich schnell, dass diese gar nicht soweit von der Fitness Branche entfernt ist. Nicht schlimm, aber manchmal wünsche ich mir schon etwas mehr Professionalität und Strukturen, die man in anderen Branchen wie z. B. in der Automobilindustrie vorfindet. Das wäre in einigen anderen Bereichen ebenfalls ziemlich hilfreich. Auf der anderen Seite ist es schon beeindruckend, wie einfach und schnell man Innovationen auf diesem Markt pushen und umsetzen kann. Das wäre woanders nicht so leicht möglich.
In der Vergangenheit hatten Versenderbikes oft das Image: „geiler Preis, geile Teile, aber billiger Rahmen.“ Mittlerweile habt ihr viele etablierte Marken auch in Sachen Performance hinter euch gelassen. Wie schafft ihr das?
Wir machen einfach nur unseren Job. Wir hatten es anfangs tatsächlich schwer gegen dieses Vorurteil zu kämpfen und mich hat es auch teilweise geärgert. Die Entwicklung eines Rahmens und eines Komplettbikes bei uns unterscheidet sich in keiner Weise von der aus Firmen, die ihre Produkte für den klassischen Distributionsweg entwickeln. Wer hier einen guten Job macht, hat am Ende ein gutes Produkt. Was also bitte hat der Vertriebsweg im Anschluss an die Produktion mit der Qualität des Produkts zu tun? Ob ich ein Bike nun zum Händler oder direkt zum Endkunden liefere – das macht das Bike nicht besser oder schlechter.
Natürlich gab und gibt es Hersteller, die ihre Rahmen nicht selbst entwickeln, sondern sogenannte Open Model Rahmen aus Asien einkaufen, lediglich mit Teilen bestücken und dann direkt vertreiben. Das muss nicht schlecht sein, aber leider sind in den meisten Fällen weder die Federelemente gut auf die Kinematik des Rahmens abgestimmt, noch die Kinematik und Geometrie selbst state of the art. Das ist natürlich ein einfacher Weg, um schnell und günstig in den Markt zu kommen, hat aber meiner Meinung nach langfristig keine Zukunft. Wir haben uns von Anfang an für den schweren Weg entschieden und entwickeln alle unsere Rahmen selbst.
Die erhöhte Entwicklungsarbeit und all euer Sponsoring (z. B. Aaron Gwin) kostet doch sicher jede Menge Geld. Werden die Bikes da nicht zwangsläufig immer teurer?
Diese Frage bekomme ich immer wieder gestellt und ich antworte immer mit einem ganz klaren „Nein“. Natürlich kosten unsere Entwicklungs-, Sponsoring- und Marketingaktivitäten eine ordentliche Stange Geld. Aber wir mussten aufgrund dessen noch kein einziges mal den Preis unserer Bikes nach oben schrauben. Die Rechnung ist ganz einfach: Bist du noch nicht so bekannt, verkaufst du lediglich eine kleinere Menge Bikes pro Jahr. Die Entwicklungskosten müssen dann auf diese Stückzahl umgelegt und relativ hohe Einkaufspreise bei den Teilezulieferern bezahlt werden. Entweder ist dein Produkt dadurch relativ teuer oder es bleibt nicht viel hängen.
Je größer aber dein Bekanntheitsgrad und je besser dein Ruf, desto mehr Bikes wirst du verkaufen. Dies führt wiederum zu günstigeren Einkaufskonditionen und unterm Strich günstigeren Entwicklungskosten pro verkauften Bike. Unser Entwicklungs- und Marketingaufwand hilft uns bekannter und begehrter zu werden.
Unsere Bikes sind zwar auch im Laufe der Zeit etwas teurer geworden, das hat aber nichts mit unseren Marketingaktivitäten zu tun. Wer genau hinsieht wird sehen, dass wir unsere Bikes mit immer hochwertigeren und dadurch teureren Komponenten ausgestattet haben. Außerdem ist der größte Preistreiber für ein Unternehmen, das seine Produkte in US Dollar einkauft, die Wechselkursentwicklung. Und die war in den letzten paar Jahren leider eine regelrechte Achterbahnfahrt.
Mit Bryan Regnier und Ace Hayden habt ihr zwei super sympathische und extrem stylishe Enduro-Fahrer unter Vertrag, einen Vollblut-EWS-Racer sucht man jedoch vergebens – wie kommt das?
Das Wichtigste bei der Auswahl unser Teamfahrer ist die Persönlichkeit und das Image dieser Person. Der zweite Punkt ist, dass diese Rider nicht nur gesponserte Teamfahrer sind, sondern Teil unserer family. Da muss einfach alles passen. Ich glaube, mit der aktuellen Teamaufstellung haben wir ein regelrechtes Spiegelbild der Kernwerte unserer Marke geschaffen. Enduro Racing ist ein sehr interessantes Feld für uns, aber bis dato haben wir noch nicht die Möglichkeit gehabt ein Team für diesen Bereich aufzubauen. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend. ?
Was meinst du, wäre es wichtig, noch günstigere Bikes zu bauen, um Mountainbiken für noch mehr Menschen zugänglich zu machen?
Grundsätzlich ja – und das ist ja auch der Kern unserer Marke und unser Bestreben seit Anfang an. Allerdings gibt es hier eine Grenze. Ab einem gewissen Punkt kannst du ein Bike nur noch günstiger machen, wenn du auf Teile zurück greifst, die nicht mehr 100%ig für den Einsatzzweck geeignet bzw. fragwürdig sind. Ab diesem Punkt steigen wir aus. Solche günstigen Bikes wird es von YT nie geben. Uns ist es wichtig, dass auch das günstige Bike in unserer Produktpalette noch uneingeschränkt für den jeweiligen Einsatzbereich tauglich ist. Und zwar so, dass ich es selbst noch fahren möchte.
Aktuell dreht sich die gesamte Bike-Industrie um ein Thema: E-Mountainbikes. Wie stehst du dazu? Passt euer Motto „Good Times“ mit E-Mountainbikes zusammen und wenn ja, wann bekommen wir eins von YT zu sehen?
E-Mountainbiken macht einen Heidenspaß und wird eine feste Kategorie im Mountainbike Bereich werden. Vorausgesetzt, das Bike erfüllt ein paar wichtige Kriterien. Wir wären absolute Dilettanten, wenn wir uns nicht mit diesem Thema auseinandersetzen würden. Ob und wann es ein E-MTB von YT geben wird, steht aber noch nicht fest.
Letzte Frage: Was sind deine Ziele? Wo soll YT in 5 bzw. 10 Jahren stehen?
10 Jahre ist eine verdammt lange Zeit. Obwohl…, wenn ich genau darüber nachdenke, eigentlich nicht. Wir haben dieses Jahr unser 10-jähriges Jubiläum und es fühlt sich an, als hätte ich erst gestern die Firma gegründet und als wären wir immer noch im Start-up Stadium. Also, mein persönliches Ziel für YT in den nächsten 5–10 Jahren ist ganz klar: Wir werden die besten Bikes bauen, die krasseste MTB Brand weltweit werden und dabei mächtig Spaß haben. Cheers!
Cheers!
Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #033
Das ENDURO Mountainbike Magazin erscheint auf Deutsch und Englisch im digitalen App-Format. Ladet euch jetzt die App für iOS oder Android und lest alle Artikel auf eurem Tablet oder Smartphone. Kostenlos!
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Fotos: YT Industries, Christoph Bayer