Liteville 301 MK12 – Das Monster für luftige Höhen

In unserem Eröffnungsartikel “Mehr als die Summe seiner Teile” haben wir euch unsere UK-Redakteure vorgestellt, die jeweils ein äußerst leckeres Custom-Bike aufgebaut haben. Im Folgenden berichtet Trev, wie sich sein Liteville 301 MK12 in den Schottischen Highlands behauptet.

Weit oben auf dem exponierten Grat klingeln alle meine Alarmglocken, ich atme schwer und bin mir des gähnenden Abgrunds zu meiner Linken sehr bewusst. Doch ich weiß auch, ich habe mit dem Bike unter mir die richtigen Entscheidungen getroffen. Beladen mit einem schweren Rucksack fahre ich über einen weiteren großen Stein und werde schlagartig nach vorne gerissen, während mein Herz fast stehenbleibt – doch wieder einmal behält das Liteville 301 MK12 die Kontrolle und fährt weiter wie auf Schienen.

Als ich die Möglichkeit bekam, mein perfektes Bike zu bauen, muss ich zugeben, dass mir die Wahl des Rahmens nicht leicht fiel. Schließlich ist der das Herzstück des Bikes. Ich wollte eine Maschine für alpine Abenteuer in den schottischen Highlands und ich brauchte etwas, das kampferprobt war und einiges wegstecken konnte. Nach langen nächtlichen Sitzungen, in denen die Auswahl immer enger wurde, überzeugte mich die 10-jährige Entwicklungsgeschichte des Liteville 301 MK12-Rahmens. Ich hatte viele Videos gesehen, in denen Leute auf diesen Bikes völlig verrücktes Zeug in den italienischen Alpen machen, und Litevilles Ruf, was langlebige Lager und robuste Vielseitigkeit angeht, sprach auch dafür. Ich entschied mich für die 160-mm-Version mit der neuen verstellbaren Kettenstrebe in der langen Position, um vorne und hinten den Einsatz von 27,5″-Laufrädern zu ermöglichen, und das Bike erwies sich als extrem gut ausbalanciert.

liteville 301 MK12

Obwohl die Konstruktion des Hinterbaus für echte Kerle vielleicht erstmal abschreckend aussieht, muss man sagen, dass die Art und Weise, wie die extrem sensible Anlenkung selbst harte Schläge wegschluckt, wirklich herausragend ist – besonders dann, wenn Hände und Verstand bereits eingefroren sind vor lauter Kälte. Man muss nur eine Linie wählen und draufhalten, auch die direktesten Linien nimmt es gelassen und die Traktion auf steilen Anstiegen ist einfach immens. Ich habe noch nicht eine einzige Sache gefunden, in der das Liteville 301 MK12 nicht verblüffend gut ist!

Liteville 301 MK12

Die Frage nach der richtigen Federgabel war nicht leicht zu beantworten, denn es gibt so viele exzellente Modelle auf dem Markt. Meine Prioritäten waren Zuverlässigkeit, gute Dichtungen, sehr gute Performance und nicht zu viel Verschleiß zwischen den Wartungsintervallen. Es klingt vielleicht langweilig, aber am Ende entschied ich mich für die kampferprobte und allseits beliebte RockShox PIKE RCT3. Mit zwei Bottomless Tokens ist die Gabel extrem gut auf den Dämpfer abgestimmt, taucht beim Bremsen nicht weg und schluckt auch überraschende Schläge gut weg, was die „Oh Shit“-Momente auf ein Minimum reduziert.

Die Wahl der Laufräder war aus meiner Sicht einfacher: Da ich vor allem in verblocktem Gelände unterwegs sein würde, war Aluminium das Material der Wahl. Wie mein Körper tragen auch meine Bikes Narben von gewonnenen und verlorenen Schlachten davon, und die Felgen sind dabei immer an vorderster Front. Ich wollte die Berechenbarkeit von Aluminium-Felgen, doch sie mussten breit sein, damit ich mit extrem niedrigem Luftdruck fahren und so maximalen Grip in den Bergen haben konnte. Ich weiß aus Erfahrung, dass keine Felge für immer hält, deshalb wollte ich etwas relativ Günstiges.

Der neue Easton Heist-Laufradsatz mit 30 mm Innenbreite wird all dem gerecht, sieht auch noch gut aus und fügt sich perfekt ins Gesamtbild im Stealth-Look ein. Eines späten Abends nach einem kleinen Schluck Whiskey muss es wohl ein bisschen mit mir durchgegangen sein – ich hasse Plattfüße, vor allem bei Kälte und Regen … Jedenfalls tat ich mir etwas Gutes und bestellte ein Schwalbe PROCORE-System. Der höhere Pannenschutz und das irre Maß an Grip bei Luftdrücken unter 20 psi sind eine Offenbarung, so klettert das nur 13,2 kg schwere Bike mit massig Traktion den steilsten Anstieg hoch und bietet bergab jede Menge Fahrsicherheit und präzise Kontrolle.

liteville 301 MK12

Das Cockpit ist sehr geschäftsmäßig und eine sehr persönliche, auf meinen Fahrstil abgestimmte Wahl. Ich bin zwar bei den Laufrädern kein Fan von Carbon, aber ich liebe es am Lenker, hier lässt sich gut Gewicht sparen an einer Stelle, wo es nicht so viel abkriegt. Der wunderbare 35-mm-Lenker Havoc von Easton und der 40-mm-Vorbau Haven von derselben Marke sorgen dafür, dass sich kritische, exponierte Serpentinen immer präzise nehmen lassen, und mit den Renthal Ultra Tacky-Griffen kleben meine Hände buchstäblich am Lenker.

Wenn man mit einem schweren Rucksack in steilem Gelände unterwegs ist, sind superkraftvolle Bremsen so angenehm, wie wenn man den Kopf in ein Wespennest steckt. Deshalb hielt ich Ausschau nach etwas besser Dosierbarem. Hier sind die Hope E4s das Nonplusultra, besonders in Kombination mit den weniger kraftvollen Hope Race-Hebeln. Nun kann ich selbst mit dicken Handschuhen beim Betätigen des Hebels auf Bremsen mit außergewöhnlicher Dosierbarkeit und Power zurückgreifen, ohne Angst zu haben, mich bei jeder Gelegenheit über den Lenker zu katapultieren. Es heißt ja: „Kraft ist nichts ohne Kontrolle“ – und die Hopes haben definitiv beides.

Liteville 301 MK12 Custom-built

Nicht alles ist allerdings immer eitel Sonnenschein. Auf einem dieser langen, kontinuierlichen Anstiege brachte mich der 1×11-Antrieb dann doch ins Schwitzen. Vielleicht war mein Streben nach Einfachheit hier doch etwas übertrieben für ein „Big Mountain“-Bike. Als der Anstieg steiler wurde und das Laktat meinen Blutkreislauf flutete, protestierten meine Beine lautstark und ich hätte ohne Zögern meine Seele verkauft für ein kleineres Kettenblatt. An der Funktion gibt es aber nichts auszusetzen, der SRAM XX1-Antrieb schaltet sauber und blitzschnell zwischen den Gängen und das 30er-Kettenblatt ermöglicht es mir gerade noch, mich die meisten Steigungen einfach weiter hochzukämpfen.

Und wenn wir schon beim Thema Komfort sind: Mein bestens eingefahrener SDG Ti-Fly-Sattel sieht schnittig aus, ohne dass ich das Gefühl habe, auf einer Stecknadel zu sitzen.
Und das Beste zum Schluss: Das Teil, das ich an meinem LIteville 301 KM12 am meisten liebe, ist auch das günstigste. Die Rede ist vom MRP Decapitator, einer Abdeckkappe für die Umwerferaufnahme mit Flaschenöffnerfunktion. Das Bier danach ist immer ein angemessenes Ende für eine geile Tour, und außerdem ist der Decapitator ein super Gesprächseinstieg.

custom_liteville_301

Liteville 301 MK12: Mit seiner langen Tradition und seinen belegten Leistungen da draußen ist das zähe Liteville ein richtiges Mountainbike für richtige Berge.

SRAM_XX1-Cranks

SRAM XX1 Black: Das 1-fach-Setup macht das Ganze schön einfach und präzise, hat aber einen Preis – die geringe Übersetzungsbandbreite.

Easton Heist Laufräder

Easton Heist 30mm: Die Aluminium-Heists sorgen für maximale Traktion und Performance zu einem erschwinglichen Preis.

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Hope E4 mit Race Hebeln: Dosierbarkeit ist alles und in dieser Hinsicht kann den Hopes niemand das Wasser reichen.

Liteville 301 MK12

RockShox Pike und Monarch: Lange Wartungsintervalle und geringer Verschleiß machen die RockShox-Komponenten zu einer naheliegenden Wahl.

Easton Havoc 35mm
Easton Havoc 35mm Carbonlenker und Havoc 40mm Vorbau: Für maximale Kontrolle in heiklen Situationen.

Schwalbe Magic Mary

Schwalbe Magic Mary Snakeskin und Hans Dampf SG mit Procore: Das ultimative Setup für viel Grip in allen Situationen.

Cockpit_301_1

Grips: Auf langen Abfahrten mit müden Armen ist entscheidend, dass es klebt, und nichts klebt besser als die neuen Renthal Ultra Tacky-Griffe.

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MRP Decapitator: Dieses simple Accessoire macht das Bike zum coolsten und womöglich teuersten Flaschenöffner der Welt.

Alles in allem bin ich sehr glücklich mit den Entscheidungen, die ich bei diesem Bike getroffen habe. Das alpine Gelände ist kein Ort für unerprobte oder sehr empfindliche Technik, und ich habe meinen zuverlässigen Bergsteiger sehr ins Herz geschlossen. Mit seinem massiven Grip und dem zuverlässigen Handling zaubert das Liteville 301 MK12 mir jedes Mal ein irres Grinsen ins Gesicht. Es gibt leichtere und schnellere Bikes, aber das hier hat mir viele Abenteuer in den Bergen geschenkt und nichts dafür verlangt. Wie ein guter Freund hat es mich immer sicher nach Hause geleitet.

Weitere Bikes in diesem Special: Kinesis Maxlight FF29 Testbericht | Kingdom Switch Testbericht

Text und Fotos: Trev Worsey


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