Stopp! Oder wenigstens langsamer fahren! Haben eure Scheibenbremsen so viel Power wie ein feuchter Schwamm? Gleicht die Bedienung eurer Bremshebel der eines hölzernen Bratpfannenstils? Müsst ihr etwa mit allen vier Fingern bremsen? Wir haben für euch ein paar Tipps parat, um eure Bremsen in Topform zu bringen und G-Kräfte zu spüren, die eure Augen hervortreten lassen.

Für welche Bremsen auch immer ihr euch entschieden habt, ihr könnt deutlich mehr aus ihnen herausholen, wenn ihr sie korrekt einstellt

Erinnert ihr euch an den Moment, als ihr eure neue Bike-Errungenschaft oder aber eure neu eingebauten Bremsen getestet habt? Wahrscheinlich habt ihr euren Bike-Buddies vorgeschwärmt, wie gut die Bremsen seien. Aber genau wie bei einem topaktuellen Laptop schwindet die Leistung langsam aber sicher – und lässt euch panisch in Kurven hineinbremsen bzw. das verfluchte Ladesymbol auf Netflix beschimpfen. Der einfachste Weg, die Leistung eurer Bremsen zu verbessern, ist schlichtweg, eine neue zu kaufen. Die beste Quelle dafür ist unser aktueller Scheibenbremsen-Vergleichstest. Allerdings haben wir nicht alle einen Kontostand mit lauter schwarzen Nullen, daher zeigen wir euch, wie ihr das Beste aus euren aktuellen Bremsen herausholt.

Viel zu klein! Die Rolle der Bremsscheibengröße

Wenn es um die Größe der Bremsscheiben geht, wird meist empfohlen, 160 mm Scheiben für XC, 180er für Trail und 200er für DH zu nutzen. Warum ist das so? Wir sagen zu diesem Rat: Schwachsinn. Warum sollten wir nicht kraftvolleres, besser zu kontrollierendes und zuverlässigeres Bremsen in allen Kategorien genießen dürfen? Von einer 180 mm auf eine 200 mm Scheibe zu wechseln, macht euer Bike lediglich 40 Gramm (SRAM Centerline) schwerer. Das ist gerade soviel wie ein kleines Multitool in eurer Tasche, aber es steigert das Bremsmoment zwischen 20% und 30% – eine riesige Verbesserung. Eine größere Scheibe zu montieren, wird euch nicht nur erhöhte Bremskraft bescheren und Armpump reduzieren, sondern auch die Dosierbarkeit und das Wärmemanagement verbessern, weil die Scheibe aufgrund des größeren Radius sich langsamer erhitzt und schneller abkühlt. Unser heißester Tipp würde daher lauten, 200 mm Scheiben an Front und Heck zu fahren. Für eine ultimative Bremskraft, und zwar für alle Einsatzbereiche. Bei einem 29er würden wir an der Front sogar eine 220 mm Scheibe in Betracht ziehen. Bevor ihr eure Scheibengröße erhöht, checkt die empfohlene maximale Größe, die an eurem Rahmen und eurer Gabel verwendet werden darf.

Habt keine Scheu vor großen Scheiben! Völlig egal, ob ihr Trailbiker oder Downhiller seid, wir alle brauchen gute Bremsen.

Antippen und abklopfen – für eine bessere Entlüftung.

Unabhängig davon, welche Scheibenbremsen ihr an eurem Bike montiert habt (außer ihr habt noch eine Seilzugbremse, dann solltet ihr wirklich aufrüsten), funktionieren sie alle auf die gleiche Weise: Ein Kolben im Bremshebel drückt eine Flüssigkeit durch den Schlauch und zwingt paarweise angeordnete Kolben im Bremssattel, die Beläge gegen die Scheibe zu pressen. Bremsflüssigkeit, ob nun Mineralöl oder DOT, kann nicht komprimiert werden. Das heißt, die gesamte Kraft, die ihr in den Hebel hineinsteckt, wird an die Scheibe weitergegeben. Allerdings kann es passieren, dass diese Flüssigkeit mit der Zeit durch Luft kontaminiert wird, die sich an den Dichtungen vorbeigeschlichen hat. Luft wiederum kann sich verdichten und wenn ihr am Bremshebel zieht, wird zuerst die Luft komprimiert, anstatt die Beläge gegen die Scheibe zu drücken. Wenn sich eure Bremsen am Hebel schwammig anfühlen, wird es Zeit für eine Entlüftung. Online sind unzählige exzellente Quellen verfügbar, die euch erklären, wie ihr eure Bremsen entlüftet. Aber hier kommt ein Pro-Tipp von uns: Wenn ihr eure Bremsen entlüftet, klopft auf das Gehäuse des Bremssattels (wir haben dafür den mit Kunststoff umwickelten Griff eines Inbusschlüssels benutzt). Dadurch wird jegliche Luft verdrängt, die sich hartnäckig um die Kolben herum befindet – so erhaltet ihr eine viel bessere Entlüftung. Schnippst mit euren Fingern auch an die Schläuche und klopft auf das Gehäuse des Bremshebels, denn Luft ist beim Entlüften einer Bremse der Feind im System.

Entlüftet eure Bremsen wie ein Pro, um Schwammigkeit und mangelhafte Leistung zu vermeiden

Oberstes Gebot: Richtig einbremsen!

„Einbremsen“ wird der Prozess genannt, bei dem der Bremsbelag ein wenig von seinem Material auf die Scheibe überträgt und dabei mikroskopisch kleine Unvollkommenheiten ausfüllt. Dies sorgt für maximale Reibungskraft während der Lebensdauer des Bremsbelages. Aber genau an diesem Punkt macht fast jeder einen Fehler. Wir leben in einer augenblicklichen Welt: Wir erwarten sofortige Ergebnisse. Aber einfach nur ein paar frische Beläge einzuwerfen, einige Stoppies zu machen und dann mit brutalen Bremsaktionen über die Trails zu jagen, um so die Beläge einzubremsen, wird einfach nicht funktionieren. Alles was ihr damit erreicht ist, dass sich dicke Ablagerungen auf jenen Bereichen der Scheibe festsetzen, an denen ihr das Rad blockiert habt. Dies resultiert in fehlerhaften Stellen auf der Scheibe, Lärm und suboptimalem Bremsen – Fail. Bremsbeläge sind teuer und es ist einfach unerlässlich, sich fünf Minuten Zeit zu nehmen, um seine Beläge richtig auf die Scheiben einzubremsen. Sucht euch dazu einen langen, stetig abfallenden Hügel, den ihr bequem herunterrollen könnt. Sobald ihr eine gemächliche Geschwindigkeit erreicht habt, führt behutsam eine einzelne, sanfte und bestimmte Bremsung durch. Ihr wollt nicht skidden oder stoppen, sondern einfach kontrolliert bremsen. Kurz bevor ihr zum Stillstand kommt, öffnet ihr die Bremse und erlaubt dem Bike, wieder Geschwindigkeit aufzunehmen – keine Drifts oder Stoppies – dann wiederholt das Ganze. Absolviert so viele Wiederholungen, wie ihr könnt oder bis ihr merkt, dass sich der Bremsvorgang nicht weiter verbessert. Im Testlabor konnten wir beobachteten, dass mindestens 10 bis 20 Wiederholungen nötig waren, um das maximale Bremsmoment zu erreichen. Wenn es euch an Zeit mangelt, könnt ihr die Beläge befeuchten, wodurch sie sich schneller einschleifen.

Hier seht ihr, wie die Bremskraft durch das Einbremsen steigt: Der Bremshebel wurde bei 40 Wiederholungen jeweils 1 Sekunde lang gezogen. Ergebnis: Das Bremsmoment verdoppelte sich fast!
Die Oberfläche zwischen dem Belag und der Scheibe ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Sorgt dafür, dass ihr eine gleichmäßige Spur hinterlasst.

Einstellung der Bremshebel – wie ihr eure Bedienelemente vernünftig einrichtet

Überprüft die Einstellung eurer Bremsen am Lenker. Ein optimiertes Cockpit wird Armpump verringern, die Bremsleistung verbessern und euer Selbstvertrauen erhöhen – alles erstrebenswerte Dinge. Und die Einstellung nimmt lediglich fünf Minuten in Anspruch. Die meisten Bremsen lassen euch die Position des Hebels am Lenker, den Winkel des Hebels und die Hebelweite anpassen. Wenn ihr die Position am Lenker einstellt, solltet ihr die Hebel so positionieren, dass der Bremsfinger auf der Krümmung am Ende des Bremsgriffs ruht und sich dabei mit den Händen und Unterarmen in einer Linie befindet. Zu weit innen oder außen montiert wird dies eure Effizienz verringern. Der Winkel der Bremshebel hängt stark von persönlichen Vorlieben ab und ist noch immer umstritten. Generell werden aktive Fahrer, die steiles und ruppiges Terrain lieben, eine flachere Hebelposition bevorzugen: Für mehr Power und um besser mit einer flacheren, aggressiveren Position auf dem Bike zu harmonieren. Fahrer, die vorwiegend auf Touren fokussiert sind, werden eher eine komfortablere, lineare Position bevorzugen, bei welcher sich ihr Handgelenk und Unterarm mit dem Bremsfinger auf einer Linie befinden. Wenn eure Bremse eine Hebelweitenverstellung besitzt, empfehlen wir euch, den Regler herein- oder herauszudrehen, bis euer erstes Fingergelenk auf dem Bremsgriff aufliegt. Ihr könnt auch die Mitte eures Fingers auf den Griff legen, falls ihr bereits ein erfahrener Biker seid, der maximale Power beim späten Bremsen sucht.

Nehmt euch etwas Zeit, um eure Hebel für maximale Performance einzustellen

Gesintert versus organisch – nicht alle Bremsbeläge sind von gleicher Beschaffenheit

Das in euren Bremsbelägen verwendete Material hat den größten Einfluss auf Bremsverhalten, Fading und Lebensdauer. Die Hersteller investieren ein kleines Vermögen, um das Belagmaterial zu testen und zu verbessern, aber die meisten fallen unter zwei Arten: Organisch und gesintert. Organische Beläge bestehen aus Gummi-, Carbon- oder Kevlarfasern, die mit Harz verbunden werden, während gesinterte Beläge aus Metallpartikeln bestehen, die unter hohem Druck verschmolzen werden. Weichere organische Beläge greifen normalerweise härter zu und laufen geräuschärmer. Als wir in unseren Tests die gesinterten und organischen Beläge eines Herstellers miteinander verglichen, war das Bremsmoment der organischen circa 10% höher und die Abbremszeit um 9% besser. Jedoch funktionieren organische Beläge viel schlechter auf langen, alpinen Abfahrten, da das Harz durch die Hitze ausgast, was wiederum Fading verursacht. Außerdem verschleißen sie bei Nässe sehr schnell. Gesinterte Beläge werden mit Hitze viel besser fertig als organische Beläge und funktionieren bei Nässe beständiger – aber sie sind laut. Vergesst auch nicht die Beläge auf dem Nachrüstmarkt! Bei unseren Tests montierten wir die Trickstuff Power+ Bremsbeläge an eine SRAM CODE R, was in Verbesserungen des durchschnittlichen Bremsmoments um 20% und der durchschnittlichen Abbremszeit um 18% resultierte – leise waren sie noch dazu. Wenn ihr viel in den Alpen oder bei Nässe unterwegs seid, könnten gesinterte Beläge wie für euch gemacht sein. Wenn ihr aber Kraft und Lautlosigkeit schätzt, dann dürften organische geeigneter sein. Pro-Tipp: Viele aus unserem ENDURO Team fahren organische Beläge an der Front und gesinterte am Heck, für ein Gleichgewicht aus Power und Langlebigkeit. Achtung, einige Hersteller empfehlen, bei einem Wechsel von gesinterten zu organischen Belägen die Scheibe zu tauschen.

Der Wechsel von SRAMs firmeneigenen Belägen auf Trickstuff Power+ hat die Leistung merklich erhöht

Zentriert die Bremssättel

Wenn ihr bremst, bewegen sich die Kolben aus dem Bremssattel heraus, um die Beläge gegen die Scheibe zu pressen. Wenn der Bremssattel nicht zentral über der Scheibe ausgerichtet ist, muss ein Kolben (bzw. zwei Kolben, je nach Bremssystem) auf einer Seite weiter herausgedrückt werden, um die Scheibe zu erreichen, was die Effizienz verringert. Schaut euch eure Kolben an: Steht eine Seite viel weiter heraus, als die andere, ist euer Bremssattel falsch ausgerichtet. Nun wird es Zeit, sich die Hände schmutzig zu machen: Nehmt das Laufrad aus dem Rahmen oder der Gabel und entfernt die Beläge. Drückt nun mit einem Reifenheber oder einem anderen geeigneten Tool behutsam alle Kolben zurück in den Bremssattel. Setzt jetzt die Beläge und das Laufrad wieder ein. Dann löst ihr die beiden Hauptschrauben am Bremssattel, die den Bremssattel am Rahmen oder der Gabel befestigen, gerade so weit, dass sich der Bremssattel leicht bewegen lässt. Haltet den Bremssattel zentral über die Bremsscheibe, mit einer gleichmäßigen Lücke auf jeder Seite und zieht die Schrauben des Bremssattels vorsichtig fest. Zieht einige Male am Bremshebel, um den Kolben ein gleichmäßiges Ausfahren zu ermöglichen. Die Scheibe sollte nun zentral zwischen den Belägen sitzen. Für die Feineinstellung löst die Schrauben des Bremssattels erneut nur so viel, um dessen Bewegung zu ermöglichen. Zieht und haltet den Bremshebel fest, dadurch wird sich der Bremssattel bewegen und in der richtigen Stellung verriegeln. Haltet den Hebel weiterhin gezogen und zieht die Schrauben wieder fest – dies sollte zum schleiffreien Fahrvergnügen führen.

Dreht euer Laufrad in einem Montageständer: Ist es schleiffrei? Ihr solltet einen winzigen Spalt zwischen den Belägen und der Scheibe sehen können.

Viel Spaß auf den Trails!


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