Diese drei Dinge, gepaart mit etwas Entdeckergeist, Freundschaft und street credibility waren unser Antrieb in den rumänischen Bergen nach hierzulande noch unbekannten Trails zu schürfen. Rumänische Trails sind wie Diamanten, nicht leicht zu finden, aber wunderschön. Hunde sind allgegenwärtig und gehören zum Rumänen wie der Selbstgebrannte namens Tuica – der schmeckt mit jedem Schluck besser!

Als trailsüchtige Biker haben wir in Westeuropa alles was man braucht um glücklich zu sein. Die Alpen und Mittelgebirge befinden sich vor der Haustür, perfekt ausgebaute Infrastruktur und jeder Trip lässt sich am Vorabend der Abreise schnell via Booking und Trail-App planen. Zudem weiß man, wo der Kaiserschmarrn schmeckt, es guten Kaffee gibt, welche Kurve dieses Jahr quer genommen wird und was der Liftpass kostet. Kurzum: Komfortzone vom Feinsten. Doch was machen und wohin fahren, wenn man etwas „Abenteuer“ sucht? Nach einigem Suchen auf Google Maps hing der Mauszeiger auf dem Karpaten Gebirgsgürtel fest, das zweite große Gebirge nach den Alpen. Bei Recherchen stießen wir auf ein neues MTB-Etappen-Rennen, welches in den Karpaten, genauer gesagt in Rumänien, stattfindet. Rumänien? Genau – Rumänien, das Land worüber viele Menschen Meinungen haben, die weiter nicht auseinander gehen könnten. Die Einen lieben es und schwärmen davon und die Anderen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und denken sofort an Zigeuner, Gauner und Bären. Wir wollten uns selbst überzeugen – der Entschluss stand – wir nehmen am Carpathian MTB Epic Race teil. Um die Reise abzurunden, packten wir außerdem die Trailbikes ein.

Grenzkontrolle Richtung Rumänien
Nach 14h Fahrt noch eine letzte Pinkelpause
Der Morgen danach – noch etwas breit von der Fahrt…
…mussten wir erstmal die Umgebung erkunden

Die Planung war in vollem Gange. Leider ergab die Suche im World Wide Web nach vorhandenen und abenteuerlichen Trails keinen Durchbruch. Das Kartenmaterial ist ebenso löchrig wie die Straßen und dünn wie die vielen Straßenhunde in Rumänien. Also mussten wir neue Wege gehen. Wir begannen Hashtags auf Instagram zu durchforsten und auf Strava nach Segmenten zu suchen. Außerdem war Google Maps und dessen Bildersuche eine große Hilfe und siehe da, es gibt auch im äußersten Osten Europas eine aktive Bikeszene und augenscheinlich Jungs und Mädels die Trails so lieben wie wir. Die Entscheidung war gefallen, unsere Offdays werden irgendwo rund um Baisoara stattfinden. Die Suche nach einer cozy Unterkunft war, Airbnb sei Dank, zum Glück die einfachste Angelegenheit.

Der erste Ausritt und wir waren schon geflasht

Tag X war gekommen. Um 5:00 Uhr morgens starteten wir in Dresden. Wir stapelten die Spark RCs und dazu ein neues Genius sowie zwei Spark Plus in den Bus und ab ging die Fahrt. Zu unserem Erstaunen liefen die ersten 800 km Busfahrt bis an die rumänische Grenze wie am Schnürchen. Bereits am frühen Nachmittag standen wir an der Grenze von Ungarn nach Rumänien. Rumänien ist zwar in der EU, aber nicht im Schengen-Abkommen, d.h. ausführliche Grenzkontrolle. Drei junge Typen mit Cap und ein paar Bikes im T5 – serious? Die nachfolgenden 480 km dauerten genauso lang, wie die vorhergehende Strecke. Der rumänische Straßenmix ist einfach zu vielfältig – LKWs, Pferdewagen, Porsche, Dacia, Hunde, Kühe, Schafe und jeder versucht kein Tetris mit den Straßenlöchern zu spielen. Inklusive Zeitverschiebung waren wir 21:00 Uhr im Bucegi-Resort. Spannend blieb die Frage, wie am nächsten Morgen die Umgebung aussehen würde. Aktuell gab es keine Lichtquelle weit und breit, einfach nur tief schwarzer Sternenhimmel.

Wir waren im Bucegi-Nationalpark, dem östlichen Teil des Fagarash-Gebirges in den Ostkarpaten. Der morgendliche Blick aus dem Fenster war ungefähr so – WOW. Eine Mischung aus Karwendel, Südtirol und Berner Oberland, nur ursprünglich ohne Skiresort und Liftanlagen. Kuhweiden und Bauernhäuschen soweit das Auge reicht. Ob es hier richtig gute Trails gibt, sollten wir die nächsten Tage erfahren.
Die ersten fünf Tage unseres Roadtrips verbrachten wir im Bucegi Resort und fuhren das Carpathian MTB Epic Race – eines der best organisiertesten Etappenrennen welches wir je gefahren sind. Dazu hier mehr!

Der Markt in Bran nebst Dracula-Schloss hatte einiges zu bieten

Ein großer Vorteil von solchen Rennen, man lernt die richtigen Leute kennen. Unter anderem trafen wir einen alten Rennfahrerkollegen – Robert Dobai – der mit uns schon die ein oder andere Transalp bestritten hatte. Beim abendlichen Bier lud uns Robert, nach Brasov auf eine kleine Trailrunde ein. Solch eine Einladung ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Nach dem letzten rumänischen Hotelfrühstück – wir konnten keine Wurst und Ziegenkäse mehr sehen – ging es für einen kurzen Ausflug in das im Tal gelegene Bran. In Bran steht das berühmte Schloss Drakula und auf dem davorliegenden Markt gab es alles was das Herz begehrt – Schaffellhausschuhe, Marmelade, handgeschnitzte Suppenlöffel und weißes Nougat. Nachdem die Taschen voll waren, ging es weiter nach Brasov. Robert nahm uns mit zur Seilbahn auf den 1400 m hohen Hausberg und von da sollte es einen „ganz netten“ Trail runter in die Stadt geben. Brasov liegt auf rund 300 m Höhe, macht nach Adam Ries 1100 hm Downhill. Klingt wie ein Sechser im rumänischen Traillotto. Unten an der Gondelstation lernten wir die nächste Lektion. Preise sind zwar ausgeschildert, aber in Rumänien ist vieles Verhandlungssache. Statt den ausgeschriebenen 20 Lei (3,50€) pro Person zzgl. Bikes, sind wir fünf für insgesamt 15€ all inklusive gefahren. Passt! Auf die Frage, ob dies bei Touristen anders sei, wurde uns trocken erwidert: „Nein, warum? Heute ist doch nicht viel los.“

Die Zigeuner-Reisegruppe in Brasov
Die komfortable Gondel fährt ganzjährig

Oben angekommen hat man einen unglaublichen 360° Blick von einem 1400 m Berg auf die umliegenden Gebirge Bucegi, Fagarasch usw. – Hammer! Der unbekannte Trail, welcher eigentlich ein Wanderweg war, bot alles was ein richtig guter Enduro-Trail braucht. Flow, technische und steile Abschnitte und wilde verwinkelte Passagen. Der Trailrausch war ungebrochen, für einen Wanderweg war dieser Trail richtig potent.

Der Untergrund und die Vegetation wechselten auf der Abfahrt ein paar Mal
Keine Gebauten Sprünge, Gaps oder Anlieger – alles Natur!
Geniale Lines durch’s Dickicht des Brasover Hausbergs

Die eine Abfahrt hat uns so viel abverlangt, dass der zweite Run gegen eine Pizza auf dem Marktplatz getauscht wurde. Auf die Frage: „Gibt es hier wirklich Bären?“, antwortete Robert ganz entspannt, wenn wir noch weiter Fotos im Wald machen würden, würde sicher bald einer auftauchen. Klingt beruhigend! Die bis zu 200 kg schweren Braunbären kommen nachts wohl gern bis in die Stadt und checken das Menü in den Mülltonnen. Da unser Bus noch oben an der Seilbahn abgeparkt war, d.h. in ca. 5 km Entfernung, stand eine kurze Verdauungsfahrt auf dem Plan. Jedoch wären wir nicht in Rumänien, wenn wir nicht in Rumänien wären! Ein kurzer Anruf von Robert und die schnellste rumänische Mountainbikerin shuttelte uns zum Parkplatz.. Zur Info: In den Sommermonaten, gibt es einen offiziellen Shuttle-Service, welcher für 2 Euro Biker aus der Stadt zur Seilbahn befördert. Alle vorhandenen Trails enden in der Stadt.

Anschließend brachen wir zu unserer zweiten Destination, einem kleinen Bergdorf im Norden des Apuseni Gebirges namens Runc, auf. Zwar gibt es in Rumänien nicht die Hoteldichte wie in den Alpen, aber man findet Übernachtungsmöglichkeiten aller Klassen, egal in welchem Teil des Landes man sucht. Zur größten Not ist es sicher auch okay, irgendwo zu klingeln, und nach einer Bleibe zu fragen. Nach 280 km und vier Stunden, waren wir dann endlich, zwei Stunden nach der versprochenen Ankunftszeit, angekommen. Zur Begrüßung gab es als Entschädigung eine volle Flasche Tuica.

Jordi beim Ansetzen des nächsten Tuica
Unser Häuschen

Der nächste Morgen war wieder einmal WOW! Wir befanden uns inmitten eines alten Bauerndorfes, welches nicht nur wirkte wie vor 100 Jahren – nein, die Menschen lebten zum Großteil auch wie vor 100 Jahren. Runc war umgeben von teils bewaldeten, teils begrasten Hügeln, welche Höhen bis 1300 m erreichten. Diese waren zersetzt von imposanten Felsformationen und überwiegend unbesiedelt.

Warum Runc? Nach bodenloser Suche, wälzen von allen auffindbaren Kartenmaterial, googeln auf rumänisch und durchforsten von Instagram, bot das Apuseni Gebirge einiges an Wanderwegen. Zudem versteckten sich auf dem Berg Buskat angeblich angelegte Trails. Die Gastgeber unserer Unterkunft Jordi und Bente sind aus Holland nach Rumänien ausgewandert und haben sich dort den Traum von einem eigenen kleinen Bauernhaus erfüllt. Nun leben sie von der Vermietung der Ferienwohnung, einem kleinen Hostel und einer Campingwiese. Wie in Rumänien üblich laufen alle Haus- und Hoftiere frei herum und lassen sich auch von Besuch nicht ablenken. Kurzum, vielleicht kein Urlaub auf dem Bauernhof, jedoch Urlaub im echten rumänischen Leben.

Den ersten Tag nutzten wir einfach um etwas zu entspannen und ließen die Bikes mal stehen. Stattdessen starteten wir einen kleinen Trackwalk. Schnell wurde klar, dass das Kartenmaterial nicht ganz hält, was es verspricht. Entweder gab es einen Weg oder eine Markierung – beides gleichzeitig jedoch nicht. Egal! Wozu braucht man einen Weg, wenn man das Ziel vor Augen hat. Der Ausblick von den Bergen war unglaublich, welchen wir in den nächsten Tagen noch mehrfach genossen haben.

Nach der Wanderung kam uns die Einladung zum Abendessen bei der Nachbarin wie gerufen. Unsere temporäre Nachbarin war eine sehr gute Köchin und für 30 Lei kochte sie uns ein sehr leckeres drei Gänge Menü. Das sie bzw. ihr Mann auch der Besitzer einer Destille waren, ließen wir uns später durch den Kopf gehen. Ob es am bevorstehenden Winter lag oder an der Köchin, es war überaus lecker, aber rumänische Küche ist doch recht FETT.

Am nächsten Morgen war es dann auch endlich soweit, wir hatten wieder Bock auf Biken. Mit klarem Kopf ging es Richtung Baskot nach Biasoara, zu den vermeintlichen Enduro-Trails. Da hier eine Woche zuvor ein Enduro-Rennen stattgefunden haben muss, hofften wir noch einige Spuren zu finden.

Kanada ist näher als gedacht. Die Trails von Biasoara haben uns sprachlos gemacht.
Gefunden! WIr sind auf den Strecken des Enduro-Rennens unterwegs.
Trails, Trails, Trails genau nach unserem Geschmack – der Flow lässt Grüßen.

Wir bemerkten, dass wir einen Abzweig falsch gewählt haben, denn die nächsten 400 Höhenmeter führte durch ein Flussbett. Später erfuhren wir, dass uns auch ein Nachbar mit dem Traktor geshutttelt hätte, da er ohnehin auf dem Berg Heu machen wollte. Egal – auf dem Kamm angekommen, eröffnete sich wieder ein unglaubliches Panorama, hundert Jahre alte Bauernhäuser, Schweine so groß wie Pferde und einige wilde Hunde. An Wochenenden und im Winter läuft auf den letzten 250hm ein Sessellift, welcher auch Bikes transportiert. Da die Ausschilderung vom Endurorennen zum Teil noch komplett vorhanden war, war die Suche nach den Trails super easy. Die ersten Meter, durch frei geschnittene Latschenkiefern bis zum Einstieg in den Wald, ließen den richtigen Modus finden.

Kurze Zeit später schlängelte sich eine schmale braune Linie durch endloses Grün. Hätten wir es nicht besser gewusst, hätte jeder von uns behauptet wir sind in Squamish. Rechts und links sah man abzweigende Trails mit diversen „Holzelementen“. Das Gerücht von den Biasoara-Enduro-Trails ist wahr und der fluffige Waldboden war ein Fest. Sicher, wir waren nicht in Kanada, aber derart coole Trails im tiefsten Rumänien mit dieser unvergleichbaren Landschaft zu fahren hat sich in jedem Fall gelohnt! Übrigens auch auf den Karren- und Traktorwegen macht sich ein potentes Trailbike alias Genius oder Spark Plus sehr gut. Diese Wege können streckenweise gut als verblockter Trail durchgehen.

Close to the edge – neben dem Pfad ging es 200 m senkrecht abwärts.

Insgesamt lässt sich sagen, Rumänien ist mehr als nur ein Abenteuerland. Ein Trip bedarf sicherlich mehr Planung als ein Ausflug nach Südtirol, dafür bekommt man definitiv mehr zu erzählen und vielleicht eine etwas andere Sichtweise auf das eigene Leben. Eines ist auf jeden Fall sicher, wir kommen wieder! Und auf das was hinter den Bergen und Wäldern von Siebenbürgen liegt sind wir noch mehr gespannt.


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text & Fotos: Alexander Stark, Florian Schön