Für viele Mountainbiker läuft der klassische Kanada-Urlaub so ab: Flug nach Vancouver, Taxi nach Whistler und dann drei Wochen Party Laps im Bikepark Whistler! Zugegeben, die A-Line und Dirt Merchant sind genial, aber das Land hat so viel mehr zu bieten. Wir waren im Osten von British Columbia und stellen euch hier mit Golden, Invermere und Nakusp drei besonders grandiose Orte vor.
Die Vorgeschichte – glaubt den Locals, nicht irgendwelchen Reise-Portalen
Wie plant ihr euren Mountainbike-Urlaub? TripAdvisor und andere Online-Portale taugen nur bedingt. Und macht man es doch, landet man an den gleichen vermeintlichen Geheimtipps wie fast alle anderen Touristen. Unsere Reiseplanung beginnt anders, und dafür ist eine kleine Vorgeschichte nötig. Wir, das sind meine Freundin Antonia und ich. Bei einem Enduro-Rennen in unserem Heimatort Aschau lernten wir durch Zufall den Kanadier Tucker Braund kennen. Er war enttäuscht von den offiziellen Stages und so gingen wir mit ihm am nächsten Tag nochmal auf Tour und zeigten ihm das wahre Trail-Gold, das sich im kleinen beschaulichen bayerischen Ort verbirgt. Nach einem Abendessen im Biergarten blieben wir über die nächsten Jahre via Social Media immer im Kontakt. Als dann unsere Entscheidung stand, den nächsten Sommerurlaub in Kanada zu verbringen, begann unsere Reiseplanung mit einer Nachricht an Tucker. Schnell war klar: Wir werden ihn im Panaroma-Bikepark bei Invermere, in dem er als Guide arbeitet, besuchen. Und so starteten wir von Vancouver – statt in Richtung Westen auf dem Sea-to-Sky Highway nach Whistler – zuerst in Richtung Nord-Osten.
Online-Portale führen Touristen in Massen zu Geheimtipps – unsere Reiseplanung beginnt anders.
Golden – ein verschlafener Ort, ein Bikepark und ein legendäres Rennen!
Einer unserer ersten Stopps auf dem Weg nach Invermere war das Kicking Horse Mountain-Resort. Unterwegs nach Golden, dem verschlafen Ort unterhalb des Resorts, passiert man Kamloops, die Heimat von Matt Hunter und Revelstoke – zwei Städte, die wir bereits in der Vergangenheit besucht hatten und die definitiv ebenfalls einen Stopp wert sind! Das Kicking Horse Mountain-Resort besitzt nach dem Whistler Bike-Park die zweitlängsten Abfahrten mit Gondel-Access in British Columbia. Der Bikepark selbst ist in seinem Charakter komplett anders als der in Whistler. Die Trails sind rougher, steiniger und insgesamt etwas weniger gepflegt. Im oberen Teil des Parks ist man in einem atemberaubenden alpinen Terrain unterwegs, weiter unten findet man neben zwei richtig langen Rock Rollern mit dem Trail „Devil’s Disco“ einen echten Traum-Trail. Eng, technisch und super loamy – unser Favorit.
Nichts für schwache Nerven – im oberen Teil ist der T4-Trail technisch und ausgesetzt!
Doch was das Kicking Horse Mountain-Resort so richtig besonders macht, ist der Trail names T4. Ein Highlight, das man sich jedoch erarbeiten muss. Nachdem man mit der Gondel ganz nach oben auf 2.347 Meter gekommen ist, quert man nach links und schiebt sein Rad für ca. 20 Minuten hinüber zu einem der nahe gelegenen Bergrücken. Dort schlängelt sich ein alpiner Weg hinab ins Tal. Erst steinig und steil mit grandioser Aussicht, dann wird er zunehmend flowiger. Kleine Gegenanstiege rauben Kraft und so waren wir super happy, als wir nach dem langen Tag erschöpft und ausgelaugt an der Tankstelle am Ende des Trails eine Cola und Süßigkeiten kaufen konnten – #foodporn! Um ins Resort zurückzukommen, kann man entweder weiter auf schönen Trails pedalieren. Oder man macht es wie wir und fährt kurz zur Straße weiter, um sich dort an den Straßenrand zu stellen und hinauf zum Resort zu trampen – jap, wir waren wirklich kaputt.
Auf der gegenüberliegenden Seite von Golden befindet sich der Mount7. Auf den Berg führt eine gut gepflegte Forststraße, welche – typisch Kanada – problemlos mit dem eigenen Auto befahren und so auch geshuttelt werden kann. Alternativ gibt es auch einen nicht enden wollenden Climbing-Trail, der sich in unzähligen Kurven hinauf schlängelt. Der Berg ist ein beliebtes Ziel für Drachenflieger, Paraglider und jede Menge Mountainbiker. Im Jahr 2009 wurde hier das legendäre Psychosis Mountainbike-Rennen ausgetragen, das über mehrere, noch heute ausgeschilderte Trails führte. Der wohl bekannteste und gleichzeitig beängstigendste Trail hört auf den Namen „Dead Dog“ und ist vor allem eins: verdammt steil und super lose! Wer sich am Start des Trails nicht sicher ist, ob er ihn fahren will, sollte hier nicht einbiegen! Denn richtig steil wird „Dead Dog“ nämlich erst im Verlauf und in der letzten Rechtskurve. Bevor er auf den Summit-Trail mündet, sind schon so manche Biker über den Lenker gegangen. Doch keine Angst – am Mount7 gibt es noch jede Menge anderer, einfacherer und nicht weniger spaßige Trails. Unsere Lieblingskombi war “Summit” auf “10 k” auf “Erichs” auf “5 k” und “True Valey” – wer jetzt nur Bahnhof versteht, kann sich die Kombination gerne auf Trail-Forks genauer ansehen.
Die besten Tipps für Mountainbiker zu Golden und das Kicking Horse Mountain-Resort
- Fahrt einen halben Tag im Bikepark und macht euch gegen 14 Uhr auf dem Weg zum T4-Trail.
- Guten Kaffee und leckeres Frühstück im Kicking Horse Resort gibt’s im Double Black Cafe.
- Zurück ins Resort kann man von Golden relativ einfach trampen.
- Das Bluebird Café in Golden ist die Anlaufstelle, wenn man nicht im Resort übernachtet.
- In der Whitetooth Brewing Company gibt’s klasse Bier, regelmäßig Live-Konzerte und einen leckeren Food-Truck.
- Abendessen im Wolf Den – lecker, fleisch-lastig mit gemütlicher Terrasse.
Für weitere Informationen rund um Golden besucht die offizielle Website tourismgolden.com bzw. klickt auf die Website des Kicking Horse Resort um über aktuelle Angebote zu erfahren.
Invermere und Panorama – ein Bikepark mit endlosen Möglichkeiten
Racern ist der Panorama Bikepark ein Begriff: Kein Wunder, schließlich fanden hier nicht nur die kanadische National Downhill-Meisterschaft, sondern auch einige Enduro-Rennen statt. Der Bikepark besitzt mit dem Trail „Hell’s Bells“ nicht nur einen Jumptrail mit ordentlich großen Sprüngen, sondern auch einige erstklassige Enduro-Trails, wie z. B. die Trails „Moose Powder“ oder „Lookout“. Was Panorama aber so richtig besonders macht, sind die alpinen Trails, die direkt vom Park aus erreicht werden können. Leider lief der zweite Lift nach oben in diesem Jahr nicht und so sind die rund 600 Höhenmeter nach auf der steilen Forststraße recht beschwerlich – nächstes Jahr soll er aber wieder laufen. Auf dem Plateau hat man nicht nur einen grandiosen Rundumblick, sondern ist auch fernab der Massen aus dem Tal. Wir entschieden uns für den „G.L.D-Trail“, der dann in den „Hopeful-Trail“ mündet. Völlig allein mit einem herannahenden Gewitter in der Ferne und dem Wissen, dass es in der Region durchaus auch Grizzlybären gibt, beeilten wir uns und flogen die erste Stage des BC-Enduro Race förmlich Richtung Tal. Flowig, aber durchaus anspruchsvoll: mal über Steine, dann durch verbrannte Wälder und gegen Ende entlang eines Bachs zurück in den Bikepark – der Trail ist super abwechslungsreich und zieht einen völlig in seinen Bann. Abgerundet wird dies von einem Run über den Jump-Trail „Hell’s Bells“.
Der Hopeful Trail ist auf unserer persönlichen weltweiten Top5 – ein echter Traum für jeden Biker!
Wie schon in Golden, wartet auch in Invermere auf der anderen Seite der Stadt ein Berg, an dem man auf einer Forststraße mit dem Auto shutteln bzw. auf einem Uphill-Trail aus eigener Kraft und in unzähligen Kurven nach oben pedalieren kann. Wer sich für das Auto entscheidet, sollte hier besser über ein Allrad-Fahrzeug verfügen – zum Teil geht’s hier echt steil bergauf. Die Rede ist vom Mt. Swansea. Bergab haben wir uns hier für den Trail „Southpark“ entschieden. Dabei handelt es sich um einen erstklassigen Flowtrail, der wirklich jedem Biker jeglichen Levels massig Fahrspaß bietet. Schnelle Anliegerkurven, gepaart mit Wellen und Kanten ohne Ende, sorgen dafür, dass es einem förmlich schwindelig wird. Invermere selbst ist ein kleines verschlafenes Städtchen, direkt am Lake Windermere gelegen. Entweder man chillt direkt dort, oder fährt kurz hinauf zum kleineren und ruhigeren Lillian Lake.
Die besten Tipps für Invermere und das Panorama Resort mit dem MTB
- Für ein Buddy-Shuttle am Mt. Swansea ist 4×4 absolut empfehlenswert.
- Der Lillian Lake eignet sich super zum Entspannen.
- Peppi’s Pizza ist ein leckerer Italiener in Invermere.
- Im Kicking Horse Cafe gibts klasse Sandwiches zum Frühstück.
- Das Fuze Cafe ist die gesunde alternative zum Kicking Horse Cafe.
- Feinstes Essen in Panorama Resort gibt’s in der Earl Grey Lodge.
- Der Panorama Bikepark ist super, aber die hochalpinen Trails rund herum sind nochmals besser – nehmt euch dafür Zeit!
Für mehr Informationen rund um Invermere und Panorama besucht die Website des Panorama Resort.
Nakusp – ein kleines Trail-Paradies mitten im Nirgendwo
Nakusp ist definitiv kein Hotspot, im Gegenteil! Die nächste Ampel ist über 100 km entfernt – und zwar in jede Himmelsrichtung. Von dem Ort haben wir überhaupt nur durch die freundliche Nachricht von Daniel, einem unserer Leser erfahren, der uns nach einem unserer Newsletter dorthin eingeladen hat – vielen Dank dafür nochmal! Beim Weg nach Nakusp entschieden wir uns ganz bewusst für einen Umweg und nahmen von Kootenay Bay die weltweit längste kostenlose Fähre nach Balfour, um von dort über Kaslo nach Nakusp zu fahren. Kaslo, das ist eine kleine, verschlafene Hippie-Stadt. Hier muss man einfach eine Pause machen und den relaxten Vibe der Ortschaft auf sich wirken lassen. Weiter nach Nakusp passiert man die Retallack Lodge – ebenfalls ein lohnenswerter Spot für Mountainbiker. Alternativ kann man auch von Revelstoke relativ schnell nach Nakusp gelangen – um eine Fähre kommt man aber auch hier nicht umher.
Die Trails direkt rund um Nakusp sind eher kurz, aber abwechslungsreich – hierher kommt man vor allem wegen der super entspannten Atmosphäre!
Nakusp ist das beste Synonym für ein verschlafenes Städtchen, hier gibt es eine Hauptstraße durch den Ort mit einigen Cafés und Restaurants – aber kaum Verkehr und so gut wie keine Touristen. Herzstück der lokalen Mountainbike-Szene ist Shon’s Bike-Shop, der vom gleichnamigen Besitzer geführt wird. Apropos Bike-Szene: Die größte Besonderheit in Nakusp ist das Trail-Netz am Mt. Abriel mit Trails, die extra so designt wurden, dass sie für wirklich jeden fahrbar sind. Echte Vollgas Enduro-Profis werden hier enttäuscht, doch als Familie ist man hier genau richtig. Kurze Anstiege treffen auf kurze, einfachere Abfahrten. Ein Jump-Trail und eine längere Abfahrt sind gerade im Bau. Außerdem gibt es in Nakusp gleich zwei Adaptive-Trails – diese sind so geschaffen, dass sie auch von Menschen mit körperlicher Behinderung in einem Sport-Rollstuhl fahrbar sind. Wer auf der Suche nach einer langen, anspruchsvollen Abfahrt ist, sollte sich den Butter-Trail rund 45 min. von Nakusp entfernt ansehen. Loser Waldboden und staubige Kurven – ein echter Traum. Entspannen kann man in Nakusp entweder wunderbar am See oder in den offiziellen Hotsprings. Von solchen warmen Quellen gibt es in British Columbia etliche. Manche sind wie in Nakusp offiziell erschlossen, andere sind noch immer komplett natürlich, aber meist nur schwer erreichbar.
Die besten Tipps für Mountainbiker in Nakusp
- Shon’s Bikeshop ist die beste Adresse für alle Trail-Tipps.
- Das Hostel von Shon und Janis ist super zum Übernachten.
- Nehmt euch Zeit für die Hotsprings.
- Nakusp besitzt einen ganz besonderen Vibe, verbringt ein paar Stunden im Städtchen und lasst es auf euch wirken.
- Besucht unbedingt Kaslo auf dem Weg.
Wer mehr über Nakusp und das Adaptive-Biking Projekt erfahren möchte, findet auf Kootneyadaptive.com viele Informationen. Infos zu den Trails und aktuellen Bike-Projekten gibt’s auf der Website der Nakusp-Bike-Society.
Golden, Invermere und Nakusp – die drei von uns besuchten Orte sind nur ein Bruchteil von all dem, was es in British Columbia zu entdecken gibt. Nahezu in jedem Ort gibt es eine MTB-Community und so mittlerweile auch ein offizielles Trail-Netz. Auf Trailforks bekommt man einen sehr guten Überblick von der Vielfalt der ganzen Orte. Die besten Trails erfährt man aber noch immer von den Locals vor Ort. Wer überlegt, nach Kanada zu reisen, der sollte sich auf jeden Fall nicht nur so lang wie irgendwie möglich Zeit nehmen, sondern auf jeden Fall über eine Reiseroute abseits der absoluten Klassikern nachdenken. Erst so bekommt man die Chance, Land und Leute richtig kennenzulernen. Fakt ist allerdings: Auch Whistler, Squamish, Pemberton, North Vancouver oder die Sunshine Coast bieten so unglaublich viele gute Trails und atemberaubende Natur – Kanada ist einfach ein echtes Juwel und immer eine Reise wert!
Die wichtigsten Reise-Tipps für Kanada mit dem MTB
- Das Land ist riesig – plant so viel Zeit wie irgendwie möglich!
- Ein Enduro Bike mit 150–170 mm Federweg ist in Kanada ideal – wir waren mit einem Juliana Roubion und einem Santa Cruz Megatower unterwegs.
- Kanada ist teuer – macht euch dessen bewusst, wirklich billig wird ein Urlaub hier nicht!
- Campen geht easy, wer mind. sechs Wochen bleibt, sollte über den Kauf eines Campers vor Ort nachdenken, statt ihn zu mieten – das kann richtig Geld sparen.
- Redet mit den Leuten – Kanadier sind in der Regel super freundlich und hilfsbereit!
- Kanada ist Wild! Informiert euch vorab über die wichtigsten Verhaltensregeln mit Bären und anderen Tieren – sie sind wirklich überall!
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