Doppelt hält besser? Zwei neue Bike-Modelle innerhalb 7 Tagen und zwei Versionen für das neue Occam 2022. Der spanische Bike-Hersteller Orbea liefert direkt die nächste Neuheit und bietet seine Trail-Rakete mit 140 mm Federweg oder als LT-Version mit 150 mm an. Wir haben das abfahrtsorientierte Occam M10 LT 2022 für euch im ersten Test.

Orbea Occam M10 LT 2022 | 150/150 mm Federweg (v/h) | 29” | 14,22 kg (Größe L) | 5.699 € | Hersteller-Website

Bock auf Abenteuer? Orbea stellt eine Woche nach dem Launch ihres neuen Enduro-Bikes bereits das nächste Geschoss vor und liefert mit dem neuen Occam für 2022 gleich zwei Optionen. Für lange Tage im Sattel und auf der Suche nach neuen Trails soll das Occam mit 140 mm Federweg die perfekte Wahl sein. Lasst ihr es mehr krachen oder stattet sogar dem Bikepark mal einen Besuch ab, empfiehlt euch Orbea die LT-Version mit 10 mm mehr Federweg. Wir haben uns in Spanien für einige Tage auf das 5.399 € teure Orbea Occam M10 LT 2022 geschwungen. Wem das zu teuer oder sogar zu günstig ist, der wird aber dennoch fündig. Das neue Occam startet mit einem Preisschild von 2.399 € für die Alu-Variante Occam H30. Wer es gerne edel möchte, kann sich aber auch für satte 7.999 € das M-LTD-Modell gönnen.

Das neue Orbea Occam LT 2022 im Detail

Wie bereits sein Vorgänger kommt das neue und komplett überarbeitete Orbea Occam mit Carbon- oder Alu-(Hydro-)Rahmen und 29”-Laufrädern. Zusätzlich finden sich einige praktische Neuerungen am Bike. Beim Kauf erhaltet ihr ein in der Dämpferwippe magnetisch befestigtes Mini-Tool mit Inbussen von 2 – 5 mm. Das Tool sitzt sicher und klapperfrei an seinem Platz, benötigt aber auch etwas Fingerkraft, um davon gelöst zu werden. Ein 6-mm-Inbusschlüssel findet sich in der Steckachse. Leider gibt es keinen 25-mm-Torx. Falls ihr z. B. die Schrauben eurer Bremsscheibe oder SRAM-Komponenten nachziehen wollt, müsst ihr ein extra Tool mitnehmen. Einen Stauraum unter dem Flaschenhalter – wie er am neuen Rallon zu finden ist – gibt es aber nicht. Schade, denn so hätte man vollständig auf einen Rucksack oder Hipbag verzichten können.

Das magnetische Mini-Tool in der Dämpferwippe liefert euch Inbusschlüssel von 2 – 5 mm.

Alle Leitungen verlaufen schön im Inneren des Rahmens und sind an den Ein- und Ausgängen ausreichend geklemmt. Lediglich oberhalb des Tretlagers verlaufen sie im Freien, besitzen hier aber eine zusätzliche Ummantelung zum Schutz und zur Geräuschunterdrückung. Auch der Kettenstrebenschutz des Occam ist ausreichend gedämpft und bis zum Ende der Kettenstrebe verlängert, um nerviges Kettenschlagen zu vermeiden – 1A!

Die innenverlegten Züge verlaufen elegant aus dem Rahmen und sind dort ausreichend geklemmt, um nerviges Klappern zu verhindern.
Oberhalb des Tretlagers laufen die Leitungen im Freien, sind hier aber mit einer extra Ummantelung geschützt.
Der Kettenstrebenschutz des neuen Occam ist weich genug, um das Kettenschlagen zu vermeiden.
Zusätzlich ist er lang genug, um die ganze Kettenstrebe zu schützen.

Die Ausstattung des neuen Orbea Occam 2022 und der MyO-Konfigurator

MyO steht für MyOrbea und ermöglicht euch direkt beim Kauf eine individuelle Gestaltung von eurem Bike. Zusätzlich zur Wahl verschiedener Komponenten, wie Fahrwerk, Bremsen und Reifen, lassen sich auch die Rahmenfarbe und Decals nach Lust und Laune anpassen. So stehen euch über eine Millionen Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung. Einen Aufpreis verlangt Orbea nur für bestimmte Komponenten, nicht jedoch für die jeweils gewählte Rahmenfarbe und Decals.

Orbea Occam M10 LT 2022

5.699 €

Specifications

Fork FOX 36 Factory GRIP2 150mm mm
Rear Shock FOX DHX Factory 150mm mm
Seatpost OC2 Dropper 125/150/170 mm
Brakes Shimano XT 200/180 mm
Drivetrain Shimano XT 1x12
Stem Race Face Aeffect R35 mm
Handlebar Race Face Next R 35 780 mm
Wheelset Race Face TURBINE R30 29"
Tires MAXXIS Minion DHF/Dissector MaxxTerra 3C EXO 2.5/2.4

Technical Data

Size S M L XL

Unser Test-Bike: Das Orbea Occam LT 2022 als M10-Version

Unser 5.699 € teures Test-Bike kommt mit einem FOX Factory-Fahrwerk, bestehend aus einer FOX 36 GRIP2-Federgabel mit 150 mm Federweg und einem FOX DHX Factory-Stahlfederdämpfer. Die passende Federhärte lässt sich im Konfigurator auswählen. Hier steht euch auch die Option auf einen FOX FLOAT X-Luftfederdämpfer zur Verfügung.

Die GRIP2-Kartusche der FOX 36 Factory-Federgabel bietet ausreichend Einstellmöglichkeiten.
Am Heck sorgt der neue FOX DHX-Stahlfederdämpfer für ausreichend Traktion und Gegenhalt.

Für Vortrieb und Verzögerung sorgt die Shimano XT-Reihe. So kommt das Occam LT M10 mit einem XT 12-fach-Schaltwerk, Trigger und 10–51-Kassette. Abgerundet wird die Ausstattung von einer XT-Vierkolbenbremse mit 200/180 mm-Bremsscheiben. Die kleine Scheibe am Heck wird jedoch dem Potenzial des LT-Modells nicht gerecht und sorgt durch schnelles Überhitzen für einen schwammigen Druckpunkt und früher eintretenden Armpump. Orbea bietet jedoch größere Bremsscheiben an und wir raten euch in jedem Fall, diese auch im Konfigurator auszuwählen. Auch die Wahl auf eine XTR-Bremsanlage steht euch zur Verfügung, sie bringt jedoch nur einen geringen Gewichtsvorteil und hat einen Aufpreis von XXX €.

Die XT-Vierkolbenbremse sorgt für eine Menge Bremspower …
… wäre da nicht die zu kleine 180-mm-Scheibe am Heck.
Beim Antrieb finden sich ebenfalls die Teile der XT-Schaltgruppe. Kombiniert wird das 12-fach-Schaltwerk mit einer 10–51-Kassette und dem zugehörigen Trigger.
Auch eine kleine Kettenführung besitzt das Occam LT. So bleibt auch im ruppigen Gelände alles an Ort und Stelle.

Bei den weiteren Anbauteilen setzt Orbea auf Produkte von Race Face. So findet sich ein solider Turbine R30 Alu-Laufradsatz und ein Next R Carbon-Lenker mit 780 mm Breite am Occam LT. Bei den Reifen steht euch die Wahl zwischen einer Kombination aus MAXXIS Minion DHF und DISSECTOR mit MaxxTerra Gummimischung und EXO-Karkasse oder einem MAXXIS ASSEGAI und Minion DHR2 in DH-Karkasse. Wer es ordentlich krachen lassen will und sich nicht zu den Fliegengewichten zählt, kann zur robusteren DH-Karkasse greifen. Sie bringt einen besseren Pannenschutz und eine erhöhte Stabilität und lässt zusätzlich einen niedrigeren Reifendruck zu, ist aber auch viel schwerer und rollt schlechter. Die Doubledown-Karkasse bietet einen Kompromiss zwischen den beiden Extremen EXO und DH, steht im Konfigurator aber leider nicht zur Verfügung.

Unser Test-Bike war mit der MAXXIS-Kombination aus Minion DHF und DISSECTOR ausgestattet. So rollt das Bike leichter, besitzt aber durch die EXO-Karkasse auch deutlich weniger Pannenschutz als die Alternative mit DH-Karkasse.
Montiert sind die MAXXIS-Reifen auf einem soliden Race Face Turbine R30 Alu-Laufradsatz.

Als Sattelstütze dient die hauseigene OC2-Dropper, bei der ihr zwischen 125, 150 oder 170 mm Hub auswählen könnt. Für einen Aufpreis von XX € stehen euch auch verschieden lange FOX Transfer Factory-Sattelstützen zur Verfügung. Wir hatten allerdings keine Probleme mit der hauseigenen Stütze und durch die Kombination mit einer Lenker-Remote von Shimano ist die Haptik und Bedienung sehr gut. Im Allgemeinen steht das Occam LT in der M10-Version und seinen Konfigurationsmöglichkeiten in einer top Ausstattung da und ihr bekommt einen echten Mini-Shredder für einen fairen Preis.

Die hauseigene OC2-Sattelstütze lässt sich in drei unterschiedlichen Längen auswählen und liefert eine solide Performance.
Kombiniert ist sie mit einer Lenker-Remote von Shimano. Sie bietet eine super Ergonomie und benötigt nur wenig Kraft.

Die weiteren Optionen des neuen Orbea Occam 2022

Orbea bietet auch vorkonfigurierte Bikes, die ihr entweder direkt so kaufen oder weiter anpassen könnt. Es gibt Modelle mit Carbon-Rahmen, die sich preislich zwischen 3.699 € (M30) und 7.999 € (M-LTD) bewegen. Bei den Modellen mit Alu-Rahmen – also den Hydro-Modellen – habt ihr die Wahl, angefangen von der H30-Version für 2.399 € bis zum Alu Top-Modell H10 für 3.399 €. Einige Versionen bieten dann noch die Wahl zwischen dem Standard-Modell und dem LT-Modell des Occam. Solltet ihr euch für Ersteres entscheiden, bekommt ihr eine andere Gabel (z. B. eine FOX 34 statt 36) und feinprofiliertere und leichtere Reifen.

Orbea Occam M-LTD 2022 | 140/140 mm Federweg (v/h) | 29” | 7.999 €
Orbea Occam H30 2022 | 140/140 mm Federweg (v/h) | 29” | 2.399 €

Die Geometrie des neuen Orbea Occam LT 2022

Das neue Occam soll durch seine vier Größen von S – XL Fahrer von 150 cm – 198 cm abdecken. Unser Test-Bike in Größe L besitzt einen Reach von 474 mm und einen Stack von 627 mm. Das sorgt für eine zentrale und ausgeglichene Position auf dem Bike und macht es einfach, zu steuern. Jedoch ist das Sitzrohr mit einer Höhe von 457 mm zu lang und schränkt euch in der Bewegungsfreiheit ein. Zusätzlich lässt es keine freie Größenwahl anhand der Länge des Bikes zu, denn bereits bei einem Reach von 500 mm (Größe XL) beträgt die Sitzrohrlänge 508 mm. Durch den relativ steilen Sitzwinkel von 76,5° positioniert euch das Occam LT kompakt auf dem Rad. Die Kettenstrebenlänge bleibt bei allen Größen gleich und beträgt 440 mm.

Die Geometrie des neuen Orbea Occam LT
Helm Rapha/Smith Forefront 2 | Brille NAKED The Falcon | Trikot ION Tee SS Scrub AMP Mesh | Hose ION Traze | Knieschoner ION K-Pact | Handschuhe ION Scrub AMP

Unser erster Eindruck: Das neue Orbea Occam LT 2022 auf dem Trail

Das Orbea Occam LT 2022 positioniert den Piloten durch seinen recht steilen Sitzwinkel kompakt auf dem Rad und sorgt so dafür, dass auch bei steilen Anstiegen das Vorderrad keinen Bodenkontakt verliert und durchgehend präzise Lenkbewegungen zulässt. Durch die aufrechte Sitzposition lastet nur wenig Druck auf den Händen und ermöglicht lange Touren. Wechselt man in den Wiegetritt, sprintet das Bike willig vorwärts und wippt nur gering mit. Durch den offenen Dämpfer hat man auch auf technischen Uphill-Passagen ausreichend Traktion.

Geht es bergab, ermöglicht das Occam LT eine zentrale Position mit einer ausgeglichenen Gewichtsverteilung auf dem Bike. So lässt es sich intuitiv steuern. In engen Kurven und Passagen kommt euch das wendige und verspielte Fahrverhalten zugute und dank seinem Fahrwerk bietet das Occam auch in offenen Kurven und Highspeed-Passagen ausreichend Traktion und Kontrolle. Das sorgt schnell für Übermut, denn das Occam LT vermittelt das Gefühl, auf einem sehr potenten Bike zu sitzen, und so findet man sich schnell im Race-Mode auf dem Trail wieder.

Wird es aber zu ruppig, fehlt es dem Coil-Dämpfer an Endprogression und die Durchschläge am Heck ziehen einen zurück in die Realität. Denn auch wenn man das Gefühl hat, jedes Hindernis überrollen zu können: Das LT-Modell besitzt nur 150 mm Federweg am Heck und kommt früher oder später an seine Grenzen. So eignet es sich super für schnelle Trail-Runden und verspielte Ausfahrten. Wer es jedoch im Bikepark oder auf steilen und ruppigen Strecken krachen lassen will, oder auf ein Extra an Sicherheit steht, sollte sich den großen Bruder, das neue Orbea Rallon anschauen.

Fazit

Das neue Orbea Occam LT 2022 ist mit seinem wendigen und intuitiven Handling ein super Bike für spaßige Runden und lange Touren. Durch die vielfältige Auswahl im MyO-Konfigurator lässt sich ein echter Mini-Shredder basteln und die vielfältige Auswahl an Designs sorgt dafür, dass euer Bike ein absolutes Unikat ist. Dennoch schränkt das zu hohe Sitzrohr die Bewegungsfreiheit und Größenwahl ein und limitiert das Potenzial des Occam so vor allem auf steilen Trails.

Tops

  • intuitives und wendiges Handling
  • individuelle Gestaltung im MyO-Konfigurator
  • tolle Integration von Tools

Flops

  • hohes Sitzrohr sorgt für eingeschränkte Bewegungsfreiheit und Größenwahl

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Text & Fotos: Peter Walker

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!