Sie sind schnell, effizient und stecken einiges weg: Moderne Cross Country-Bikes beweisen bei immer anspruchsvolleren World Cup-Rennen regelmäßig, wie potent sie angeblich sind. Doch welches von ihnen macht auch abseits der Rennstrecke Spaß und worauf kommt es wirklich an? Wir haben es herausgefunden.


Der Puls rast, die Beine brennen und im Mund schmeckt es nach Blut. Nein, das hier ist nicht die letzte Runde eines Cross Country-Rennens. Es ist ein ganz normaler Afterwork-Ride. 60 min lang Biken, das heißt 60 min lang abschalten, sich auf nichts außer die Strecke fokussieren, sich völlig verausgaben und am Ende doch mit einem dicken Grinsen im Gesicht zurück in die Hofeinfahrt rollen. Kurzhubige XC-Bikes bieten die volle Ladung Fahrerlebnis in konzentrierter Form und Fahrspaß ab der ersten Kurbelumdrehung – manche zumindest!

Es gibt nur einen Nino Schurter!
Lange Jahre wurde die Entwicklung von XC-Bikes unter anderem maßgeblich von den beiden Worten Gewicht und Steifigkeit beeinflusst. Zum Großteil völlig sinnlose und realitätsferne Labormessungen in der Medienlandschaft haben das Denken vieler Biker und auch der Industrie geprägt. Das hat dazu geführt, dass Räder an den Bedürfnissen der Kunden vorbei konstruiert und designt wurden. Denn wie viele Fahrer stehen mit ihrem XC-Bike tatsächlich jedes Wochenende an der Startlinie und wie viele fahren das Bike hauptsächlich auf Touren und den Hometrails? Laut Specialized tun Letzteres 95 % ihrer Epic-Kunden, und das ist auch logisch!

In kaum einer anderen Branche nutzen Hobby-Sportler das gleiche Material wie Top-Athleten. Kein Skifahrer käme auf die Idee, mit einem langen, harten und schweren Wettkampfski fahren zu wollen. Was zählt, ist einfaches Handling und Fahrspaß. Wieso wollen dann ausgerechnet Hobby-Biker das gleiche Material wie Nino Schurter, Manuel Fumic und Co. fahren?
„Um schneller zu sein“ ist eine der häufigsten Antworten – speziell in Europa. Das leichte Racebike dient zum Fitnessboost. Gewicht wird zum Kaufkriterium und die Geometrie wird anders als beim Enduro zur Nebensache.

„Slack & long“ bald auch im XC?
Die Geometrien von Endurobikes haben in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung durchlaufen. Von Modelljahr zu Modelljahr wurden die Hauptrahmen länger, Hinterbauten kürzer und der Lenkwinkel flacher. Auch immer mehr Trailbikes verfügen über solch moderne Geometrien. Nur im XC-Bereich sind sie noch nicht verbreitet. Das könnte sich jedoch bald ändern, wie unser Interview mit sechs Industrie-Experten und dieser Vergleichstest belegt. Denn auf dem Trail zeigten sich die Vorteile einer modernen Geometrie, wie sie das bspw. Pivot Mach 4 Carbon besitzt, deutlich – und zwar in jeder Fahrsituation. Kontrollierter durch Rock Gardens, geschmeidiger über Sprünge und flinker durch Kurven, Nachteile gibt es keine. Nicht einmal bergauf.

Performance vor Gewicht
Natürlich spielt das Gewicht bei XC-Bikes eine große Rolle. Ein leichtes Bike beschleunigt besser, fährt sich agiler und spart Energie. Doch es ist nicht alles! Am Ende führen geringe Zugeständnisse an der Waage zu einem deutlichen Plus an Fahrspaß und Fahrsicherheit. Die Kunst besteht darin, die perfekte Balance zu finden. Für diesen Vergleichstest haben wir den Herstellern erlaubt, Teile zu wechseln, die auch ein Händler austauscht, um das Rad an die Bedürfnisse seiner Kunden abzustimmen. Dazu zählen in erster Linie die Sattelstütze, die Reifen und das Cockpit. Am besten umgesetzt hat diese Anweisung das Team von SCOTT, das obendrein den Umwerfer inkl. Shifter demontiert und so von 2×11 auf 1×11 umgerüstet hat. Günstig und effektiv. Allen Hobby-Racern unter euch empfehlen wir: Wenn ihr im Rennen unbedingt das leichteste Bike fahren wollt – macht es. Im Training habt ihr aber garantiert mit ein paar mehr Gramm deutlich mehr Spaß.

Alle Bikes im Test
Bike | Federweg | Gewicht | Preis |
---|---|---|---|
CANYON LUX CF RACE 9.9 RACE | 100/100 mm | 10,76 kg | 4.499 € |
GIANT ANTHEM SX ADVANCED | 120/100 mm | 12,01 kg | 4.599 € |
PIVOT MACH 4 CARBON | 120/115 mm | 11.62 kg | 4.999 € |
ROSE THRILL HILL 3 | 100/115 mm | 11,04 kg | 4.799 € |
ROTWILD R.R2 FS EVO | 120/115 mm | 11,50 kg | 5.999 € |
SCOTT SPARK 710 | 120/120 mm | 11,76 kg | 4.499 € |
SPECIALIZED EPIC ELITE CARBON 29 World Cup | 100/95 mm | 11,20 kg | 4.999 € |
TREK TOP FUEL 9.8 SL | 100/100 mm | 11,14 kg | 4.999 € |








Tops:




Flops:



Fazit
Das Testfeld besteht aus acht Bikes, die sich auf dem Papier alle stark ähneln. Sie besitzen laut Hersteller nicht nur alle den gleichen Einsatzbereich, sondern verfügen auch über einen ähnlichen Federweg (100–120 mm) und einen ähnlichen Preis (das 1.000 € teurere ROTWILD ausgenommen). Selbst das Gewicht ist mit einer Differenz von 10 % zwischen dem leichtesten (Canyon Lux CF, 10,76 kg) und dem schwersten Bike (Giant Anthem SX Advanced, 12,01 kg) nicht extrem weit voneinander entfernt. Zwischen den Fahreigenschaften liegen jedoch signifikante Unterschiede – und das deutlich weniger im Uphill als vielmehr in der Abfahrt. Bergab brillieren vor allem zwei Modelle: das Giant Anthem SX Advanced und das Pivot Mach 4 Carbon. Das ROSE THRILL HILL und das Canyon Lux CF hingegen erfordern mehr Kraft und einen beherzteren Fahrstil, um sicher auf Kurs zu bleiben. Das Trek Top Fuel 9.8 SL ist eine echte Augenweide und bergauf ebenso eine Rakete wie das Specialized Epic. Das ROTWILD R.R2 ist auf langen Strecken das komfortabelste Bike und vermittelt ab der ersten Kurbelumdrehung echtes Wohlfühlhandling. Den Kauftipp sichert sich das agile Giant Anthem SX Advanced. Für einen Preis von 4.599 € bietet es eine absolut stimmige Austattung (inkl. Carbonlaufrädern) und jede Menge Fahrspaß bergab. Den begehrten Testsieg sichert sich das Pivot Mach 4 Carbon, das mit herausragenden Fahreigenschaften und einer grandiosen Verarbeitungsqualität überzeugt.

So wurde getestet:
Als Testrevier dienten die vielfältigen Trails rund um Barcelona. Steile Anstiege, anspruchsvolle Trails bergauf wie bergab und das grandiose Wetter an der Mittelmeerküste boten die perfekten Rahmenbedingungen – und das im Februar. Das Test-Team bestand aus vier Fahrern mit verschiedenen Vorlieben und unterschiedlichen Backgrounds, die aber alle eines gemeinsam haben: jahrelange Testkompetenz. Die Räder wurden auf einer 5 km langen Runde mit 150 hm Differenz im direkten Vergleich getestet. Die Teststrecke verlief nach einer kurzen Einfahrzeit über einen bis zu 25 % steilen Asphaltanstieg weiter über technische Singletrails bergauf. Nach einigen verblockten Metern bergab folgte ein weiterer Zwischensprint bergauf, ehe der Trail sich über steinigen, sandigen und mit Wurzeln durchzogenen Untergrund zurück zum Ausgangspunkt schlängelte. Die letzten Meter wurden auf einer breiten und leicht ansteigenden Forststraße absolviert.

Alle Bikes im Test: Canyon Lux CF 9.9 Race | Giant Anthem SX Advanced | Pivot Mach 4 Carbon | ROSE THRILL HILL 3 27,5″ 2016 | ROTWILD R.R2 FS 29 Evo | SCOTT Spark 710 | Specialized Epic Elite Carbon 29 World Cup | Trek Top Fuel 9.8 SL
Text: Christoph Bayer Bilder: Christoph Bayer/Klaus Kneist
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