Ochain hat vor Kurzem einen 299 € teuren Kurbel-Spider veröffentlicht, der Pedalrückschlag reduzieren und den Hinterbau feinfühliger arbeiten lassen soll. Trotz installierter Kette soll er sich anfühlen, als wäre man ohne Kette unterwegs. Hier bei ENDURO haben wir ein Faible für die Theorie hinter unseren Hinterbauten, – klar, dass wir den Orchain testen.

Mit einfachen Worten ist der neue, von uns getestete aktive Spider von Ochain ein Ersatz-Kurbel-Spider für 299 €. Doch anstatt starr mit der Kurbel verbunden zu sein, erlaubt er ein einstellbares Maß an rückwärtiger Rotation (zwischen 6° und 12°) zwischen den Kurbeln und dem Kettenblatt. Diese Rotation des Spiders entkoppelt die Kurbelarme von der unerwünschten Rückwärtsrotation, die der Pedalrückschlag verursacht, wenn der Hinterbau des Bikes einfedert. Das hat zur Folge, dass an euren Pedalen weniger von den nervigen Kicks ankommen, die die Laufruhe eurer Fahrt ruinieren können. Der Spider wiegt 128 g und ist aus einer 7075 T6-Legierung gefertigt. Er ist mit 104-mm-Kettenblättern kompatibel und kommt ausschließlich mit einer 52-mm-Boost-Kettenlinie. Aktuell ist der Ochain passend für die Direct-Mount-Kurbeln/Interfaces von SRAM, Race Face und E*thirteen erhältlich und eine Hope-Version soll ebenfalls bald folgen.

Der 299 € teure und 128 g leichte Active Spider von Ochain wird zwischen Kettenblatt und Kurbel befestigt. Dort ermöglicht er eine von der Kurbel entkoppelte Rückwärtsrotation des Kettenblatts von 6°–12° und reduziert somit Pedalrückschlag.

Wie funktioniert der Ochain?

Als der Ochain bei uns ankam, mussten wir ihn sofort auseinandernehmen. Im seinem Inneren befinden sich zwei gegeneinander rotierende Platten: Eine ist mit der Kurbel verbunden und die andere mit dem Kettenblatt. Dreht man die Kurbeln vorwärts, rasten vier Metallzähne zwischen den beiden Platten ein, verbinden die Kurbeln mit dem Kettenblatt und sorgen so für einen ununterbrochenen Kraftfluss beim Pedalieren. Wird das Kettenblatt jedoch aufgrund von Pedalrückschlag nach hinten gezogen, erlaubt der Ochain-Spider dem Kettenblatt eine freie rückwärtige Rotation zwischen 6° und 12°, abhängig von den installierten Elastomeren. Damit absorbiert der Spider die von der Kettenlängung verursachte Rotation und ihr spürt nichts davon an den Pedalen. Kleine Federn im Inneren des Ochain verhindern den Eingriff der Zähne, wenn man nicht pedaliert, und Elastomere dämpfen das Bauteil an beiden Enden seines Rotationswegs, für einen lautlosen Betrieb.

Das Ochain-Bauteil besteht aus drei Teilen: einem Spider und zwei rotierend eingelagerten Ringen
Die beiden schwimmend gelagerten Ringe sind miteinander verbunden, wenn die vier Zähne des inneren Rings an ihren Konterpunkten am äußeren Ring einrasten
Drei innenliegende Federn rotieren den Ochain und somit das Kettenblatt in die „ready“-Position. Diese Federn sind beim Pedalieren nicht spürbar, doch sie sind stark genug, um Kettenschlagen zu verhindern.

WARNUNG: Der Ochain-Spider ist ein relativ simples Bauteil, das sich jedoch nur kompliziert erklären lässt. Wir müssen daher tief in die Thematik der Hinterbau-Kinematik eintauchen. Wenn ihr euch nur wenig für Kettenkräfte und Pedalrückschlag interessiert, dann scrollt für die knallharten Fakten direkt zum Fazit am Ende des Artikels. Doch wenn ihr eine Erklärung ohne Marketing-Bullshit wollt, dann lest weiter.

Zusammengefasst (wenn ihr euch die technische Fachsimpelei ersparen wollt)

In der Theorie:

  • Pedalrückschlag ist der unerwünschte, nach hinten gerichtete Ruck an euren Pedalen, wenn euer Bike sich durch den Federweg seines Hinterbaus bewegt.
  • Pedalrückschlag wird reduziert, wenn euer Bike schnell rollt und ihr in schwereren Gängen, also in kleineren Ritzeln unterwegs seid.
  • Der Ochain sollte Pedalrückschlag auch bei flüssiger Fahrt reduzieren, doch am meisten profitiert ihr davon bei niedrigen Geschwindigkeiten des Rads, langsamen Drops und wenn das Hinterrad blockiert ist.
  • Der Ochain hat keinen Einfluss auf den Anti-Squat oder die Effizienz des Bikes bergauf.
  • Der Ochain vergrößert den unerwünschten Leerweg der Kurbeln, bevor der Freilauf einrastet, wenn ihr in die Pedale tretet.

Was ist Pedalrückschlag?

Um die potenziellen Vorteile von Ochain zu verstehen und damit ihr euch nicht von Marketing-Versprechen täuschen lasst, müssen wir zuerst die Wissenschaft hinter der ganzen Geschichte begreifen. Also bevor wir loslegen können: Der Hinterbau eines Bikes ist nicht nur die Summe vieler Teile, sondern ein komplexes und dynamisches System. Wenn ihr mehr Details zu diesem Thema wünscht, dann seht euch unseren detaillierten Leitfaden zu den Eigenschaften von Bike-Hinterbauten an. In jedem Fall gilt: Jedes Bauteil, das die Kettenkräfte verändert oder eine Eigenschaft des Hinterbaus beeinflusst, wird mehr oder weniger effektiv sein, abhängig vom Design des Bikes, vom Dämpfer, der Übersetzung und vielen anderen Faktoren. Lasst uns zur Vereinfachung das simpelste Hinterbau-Design als Beispiel verwenden: den Eingelenker (Single Pivot). Wenn die Schwinge eures Bikes infolge eines Schlags nach oben rotiert, dreht sie sich dabei um den Hauptdrehpunkt. Wenn sich dieser Hauptdrehpunkt genau mittig im Zentrum des Tretlagers befindet, bleibt der Abstand zwischen Kassette und Kettenblatt beim Einfedern identisch.

In solchen Momenten spürt man den Pedalrückschlag: Bei Drops mit niedrigen Geschwindigkeiten federt der Hinterbau komplett ein und die Kettenlängung verursacht ein Ziehen an den Pedalen – was der Ochain dann kontert.

Allerdings befindet sich der Hauptdrehpunkt in nahezu allen Fällen nicht direkt am Tretlager, sodass sich der Abstand zwischen Kettenblatt und Kassette bei nach oben rotierender Schwinge verändert. In den meisten Fällen erhöht sich der Abstand zunächst, und da Kassette und Kettenblatt mit einer Kette verbunden sind, verursacht das ein Ziehen an der Kette, wodurch Kettenblatt und Pedale rückwärts rotieren. Das Resultat daraus ist ein unerwünschtes Gefühl, als würden eure Pedale ruckartig nach hinten gezogen werden: der Pedalrückschlag. An dieser Stelle ist es wichtig anzumerken, dass der Pedalrückschlag nur spürbar ist, wenn der Freilauf eingerastet ist, also entweder beim Pedalieren oder wenn das Hinterrad bei schneller Fahrt nicht frei rotieren kann, zum Beispiel beim Bremsen. Beim schnellen Rollen rotiert die Hinterradnabe vorwärts, sodass der Freilaufkörper nicht einrastet und somit auch kein Zug auf der Kette entsteht. Die Rückwärtsrotation der Kurbel in Grad gibt den Pedalrückschlag an.

Wieviel Pedalrückschlag hat mein Bike?

Bis jetzt haben wir lediglich Eingelenker als Beispiel herangezogen, doch nahezu alle Hinterbau-Konstruktionen von Bikes leiden unter einem gewissen Maß an Pedalrückschlag – einige mehr als andere. Das Level an Pedalrückschlag eures Bikes ist abhängig vom Design eures Hinterbaus, von der Gangwahl und davon, wie tief das Bike im Federweg steht. Einige Hinterbau-Konstruktionen mit Kettenumlenkung haben ein äußerst niedriges Level an Pedalrückschlag, andere Konstruktionen hingegen sind für ihre Längung der Kettenstreben berüchtigt, wie beispielsweise Eingelenker mit hohem Drehpunkt. Solche Modelle zeigen eine Rückwärtsrotation der Kurbeln um bis zu 35° bei einem Übersetzungsverhältnis von 32/50! Pedalrückschlag ist grundsätzlich in den leichtesten Gängen am höchsten and reduziert sich erheblich, wenn ihr am Heck auf die kleineren Ritzel bzw. in einen schwereren Gang schaltet. Die aktuell beliebten kleinen Kettenblätter an der Front und Kassetten mit zunehmend größerer Bandbreite erhöhen den Pedalrückschlag in den leichtesten Gängen zusätzlich.

Warum ist kein Pedalrückschlag spürbar, wenn man schnell bergab rollt?

Eine gute Frage. Wir wissen bereits, dass die Längung der Kettenstrebe die Pedale nach hinten zieht, wenn der Hinterbau einfedert. Doch warum kickt es eure Füße dann nicht jedes Mal von den Pedalen, wenn ihr auf dem Trail bei schneller Fahrt auf ein Hindernis trefft? Die Antwort ist der Freilauf. Wenn das Hinterrad sich schneller dreht als der Freilauf, kann dieser vorwärts rotieren, um die Längung der Kettenstrebe auszugleichen. Ein Beispiel: Wenn das Bike sich mit Geschwindigkeit x mit schnell drehendem Hinterrad bewegt, wird der Freilaufkörper selbst von der Kette statisch gehalten und rotiert folglich nicht. In diesem Szenario kann Pedalrückschlag nur auftreten, wenn der Hinterbau mit einer ausreichend hohen Geschwindigkeit einfedert, sodass sich die Kettenstrebe längt. Somit zieht die Kette am Freilauf und beschleunigt ihn auf eine Rotationsgeschwindigkeit, die höher ist als die Geschwindigkeit x und der Freilauf rastet wieder ein. Zusammengefasst heißt das: Je schneller ihr unterwegs seid, desto schneller müsste auch der Hinterbau einfedern, damit Pedalrückschlag spürbar wird. Darum werden unsere Füße nicht bei jedem Stoß von den Pedalen gezerrt, wenn wir mit Speed den Trail herunterbrettern. Außerdem fällt der Pedalrückschlag – wie bereits erwähnt – in den höheren Gängen, die wir bei der Abfahrt normalerweise nutzen, geringer aus.

Wenn man mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, ist der Freilauf in der Lage, sich vorwärts zu drehen und so dem Pedalrückschlag entgegenzuwirken, indem er mehr Kette bereitstellt. Daher spürt man bei hohen Geschwindigkeiten weniger Pedalrückschlag.

Welchen Zweck haben Produkte wie der Ochain-Spider?

Lasst uns einen Blick hinter Ochains Marketing-Slogan #MTBGAMECHANGER werfen: Mit beeindruckenden Grafiken und Diagrammen wird die potenzielle Reduktion an Pedalrückschlag an verschiedenen Punkten des Federwegs eines Bikes gezeigt. Die Diagramme gehen von der Annahme aus, dass sich das Hinterrad nicht dreht. Doch sobald sich das Hinterrad schnell dreht, wirkt die Rotation des Freilaufs einem Großteil des Pedalrückschlags entgegen. Allerdings gibt es Situationen, in denen der Ochain einen deutlichen positiven Effekt haben sollte. Wenn man mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs ist und große, schnelle Schläge auftreten, kann der Hinterbau bei einem solchen Schlag schnell genug einfedern, um den Freilauf einrasten zu lassen. In diesem Szenario sollte der Ochain-Spider die durch den Pedalrückschlag auf den Fahrer wirkenden Kräfte reduzieren. Am meisten Vorteile dürfte der Ochain in Situationen bieten, in denen sich der Freilauf nur sehr langsam dreht und der Hinterbau schnell einfedert, etwa bei Schlägen während niedriger Geschwindigkeiten, bei Drops ins Flat bei langsamer Fahrt oder wenn das Hinterrad durch Bremsvorgänge blockiert ist. In solchen Fällen fällt der Pedalrückschlag stark aus und führt – abhängig vom Design des Bikes – zu einem kräftigen Ziehen an den Pedalen.

Verändert der Ochain die Klettereigenschaften bzw. das Maß an Anti-Squat meines Bikes?

Wenn die Kurbeln horizontal stehen und gleichmäßig belastet sind, nutzt die Konstruktion des Ochain interne Federn, um den Spider in seiner „ready“-Position zu halten: bereit dafür, rückwärts zu rotieren, den Pedalrückschlag zu reduzieren und die Kettenkräfte von den Kurbeln zu isolieren. Allerdings können unter gewissen Umständen Kettenkräfte eine positive Eigenschaft sein. Fahrt ihr beispielsweise mit eurem Bike bergauf, entwickeln die meisten Hinterbau-Designs Anti-Squat: Sie nutzen die Kettenkräfte, um den Hinterbau ein wenig auszufedern, sodass das Bike seine Geometrie beibehält und dem Wippen entgegengewirkt wird. Um den Anti-Squat eures Bikes nicht zu beeinflussen und seine Effizienz beizubehalten, ist der Ochain so konzipiert, dass er deaktiviert ist, wenn ihr in die Pedale tretet. Wenn ihr Druck auf ein Pedal ausübt, rotieren die Kurbeln zuerst den Ochain-Ring vorwärts, und zwar zwischen 6, 9 oder 12°, abhängig vom Setup. Erst danach rasten die internen Zähne ein und verbinden Kettenblatt und Kurbel miteinander. Während ihr kurbelt, bleiben die Zähne eingerastet und der Ochain funktioniert wie ein fester Spider. Wenn ihr aufhört zu pedalieren und keinen Druck mehr auf die Pedale gebt, lösen die internen Federn die Zähne und rotieren den Ochain-Ring entgegen dem Uhrzeigersinn zurück in die „ready“-Position. Noch ein Hinweis für alle, die sich Sorgen um ein schwammiges Gefühl beim Pedalieren gegen die Elastomere machen: Keine Angst, selbst mit den dicksten Elastomeren spürten wir keinerlei Nachgiebigkeit beim Pedalieren.

Zusammengefasst: Der Ochain ist inaktiv, wenn ihr pedaliert, und hat daher keine Auswirkung auf euren Anti-Squat. Allerdings hilft euch der Ochain dann auch nicht, den Pedalrückschlag zu reduzieren, wenn ihr technische Anstiege hinauf tretet oder in Passagen bergab zum Sprint ansetzt.

Beim Pedalieren ist der Ochain deaktiviert, reduziert somit den Pedalrückschlag nicht und arbeitet wie ein Standard-Spider (wenngleich der Ochain teurer ist)

Warum ist Ochain besser als ein günstiger Freilauf?

Wenn es der Zweck des Ochain ist, ein wenig Rotation des Kettenblattes in rückwärtige Richtung zu erlauben, aber ein Freilauf abhängig von seinem Einrastwinkel ebenfalls vorwärts rotieren kann, warum dann nicht einfach die 300 € sparen und stattdessen einen einfachen Freilauf mit einem größeren Einrastwinkel nutzen? Die teuersten Freiläufe verfügen über Einrastwinkel von 0,5–5° – das heißt, 0,5–5° Rotation an der Kassette sind nötig, um den Freilauf einrasten zu lassen und Vortrieb zu erzeugen. Die günstigeren Freiläufe mit weniger internen Einrastpunkten können hingegen Einrastwinkel von 10–20° besitzen. Bedeutet das, dass ein günstiger Freilauf dieselbe Aufgabe erledigen kann, wie der Ochain, wenn es um die Reduzierung von Pedalrückschlag geht? Unter gewissen Umständen ja, doch es gibt einen äußerst großen Unterschied: Nach jeder Bewegung nutzt der Ochain-Spider seine internen Federn, um zurück in seine Ausgangsposition zu rotieren und jederzeit 6, 9 oder 12° an Rückwärtsrotation des Kettenblatts bereitstellen zu können. Der Freilauf hingegen funktioniert nicht auf diese Weise, sondern sitzt einfach nur zwischen den Einrastpunkten. Stellen wir uns einen Freilauf mit einem 15°-Einrastwinkel vor: Mit den Pedalen in Abfahrtsposition könnte es also möglich sein, dass er sich um volle 15° drehen muss, bevor er einrastet, oder lediglich um 1°. Das Ganze ist abhängig von seiner Position zwischen den internen Sperrklinken und Zähnen. Zusammengefasst: Der Effekt eines Freilaufs auf den Pedalrückschlag ist äußerst komplex, und seine Fähigkeit, die Kettenstrebenlängung auszugleichen, um den Pedalrückschlag zu reduzieren, variiert in Relation zu seiner sich stets verändernden Position. Der Ochain hingegen ist so konzipiert, dass er stets 6, 9 bzw. 12° an Rotation zwischen Kurbelarm und Kettenblatt bereitstellt. Wenn ihr eine sehr fein verzahnte Nabe mit geringem Einrastwinkel besitzt, dann erhöht sich in der Theorie die Häufigkeit von Situationen, in denen ihr Pedalrückschlag spüren könnt. Um den Einfluss der Rotation des Freilaufs bei unserem Test so klein wie möglich zu halten, entschieden wir uns, den schnellsten Freilauf auf dem Markt zu verwenden: Die Industry Nine Hydra-Nabe mit einem Einrastwinkel von nur 0,5°. Ein Test mit einem Freilauf, der einen größeren Einrastwinkel besitzt, würde den Ochain bei der Reduzierung von Pedalrückschlag effektiver machen, da der Freilauf sich ebenfalls mitdrehen könnte, um die Kettenkräfte zu minimieren – abhängig von seiner Position.

Kann man den Ochain tunen?

Der Ochain ermöglicht standardmäßig eine rückwärtige Rotation von 6°, wird jedoch auch mit Elastomeren ausgeliefert, die eine Bewegung von 9° bzw. 12° ermöglichen. Mehr Rotation bedeutet potenziell weniger spürbaren Pedalrückschlag für den Fahrer, allerdings auch mehr Leerweg für die Kurbeln. Man braucht zwar ein paar Minuten, um die Elastomere auszutauschen, aber sie lassen sich wechseln, ohne dass man dafür das Kettenblatt vom Ochain lösen muss.

Für die Einstellung des Rotationswinkels des Ochain wechselt man einfach die Elastomere. Mitgeliefert werden drei Varianten für 6, 9 oder 12° an Rotation.

Funktioniert das Ganze? Der Ochain im Test

300 € sind nicht gerade eine kleine Summe für ein Investment in den Hinterbau eures Bikes und sollten daher wohl überlegt und ihr Geld wert sein. Der Ochain sollte daher spürbare und erhebliche Vorteile mit sich bringen.

Um ein Gefühl für den Ochain zu entwickeln und herauszufinden, wie er funktioniert, haben wir ihn in einer Vielzahl an Szenarien auf die Probe gestellt. Wir testeten ihn im direkten Duell mit einem starren SRAM Direct-Mount-Kettenblatt und fuhren mit verschiedenen Geschwindigkeiten und in unterschiedlichen Gängen durch grobe Steinfelder und über Wurzelteppiche, sowohl mit gezogener Bremse als auch ohne. Auch einige Drops ins Flat gehörten zu unserem Test-Prozedere, inklusive einiger super langsamer Wheely Drops, für einen breiteren Bewertungsmaßstab. Unser Test-Bike war dafür das RAAW Madonna V1, das wir bereits seit 18 Monaten fahren, daher sind wir bestens vertraut mit seiner Kinematik. Das RAAW Madonna weist eine moderate Längung der Kettenstrebe auf und im allerschlimmsten Fall fuhren wir mit der Kette auf einem kleinen 32-Zahn-Kettenblatt und dem 50er-Ritzel der Kassette. Der Pedalrückschlag des RAAW Madonna V1 variiert zwischen 0–22° im Verlauf seines Federwegs von 0–160 mm, mit 14° an verbleibendem Rückschlag zwischen dem Sag bei 48 mm und den vollen 160 mm des Federwegs. Außerdem nutzten wir an dem Bike eine Industry Nine Hydra-Hinterradnabe mit einem branchenführenden Einrastwinkel von 0,5°, um den im System spürbaren Pedalrückschlag zu maximieren und die Zunahme des Leerwegs im Kurbeltritt besser zu spüren.

Wir haben den Ochain an einem RAAW Madonna V1 montiert – ein Bike mit einem durchschnittlichen Level an Pedalrückschlag
Um eine Unterstützung durch den Freilauf bei der Reduktion des Pedalrückschlags nahezu auszuschließen, haben wir den Ochain mit einer super schnellen Industry Nine Hydra-Nabe mit einem Einrastwinkel von nur 0,5° getestet

Zusammengefasst: Was sind die Vorteile des Ochain?

Nach ausführlichem Testen war eine Sache klar: Wenn es darum geht, den Pedalrückschlag zu reduzieren, lässt sich definitiv nicht leugnen, dass der Ochain funktioniert. Wir haben den Ochain im direkten Vergleich gegen einen starren Spider antreten lassen, und zwar beim Durchfahren grober Steinfelder mit hohem Speed, um Pedalrückschlag hervorzurufen. Dabei stellten wir fest, dass in den leichteren Gängen mit 36, 42 und 50 Zähnen an der Kassette signifikant weniger Schläge an den Pedalen spürbar waren. Aber: Niemand fährt bergab in solch einem Gang. In realistischen Abfahrtsszenarien und Gängen (10–16 Zähne an der SRAM Eagle-Kassette) ist der Pedalrückschlag naturgegeben weitaus geringer und unser RAAW Madonna bereits ohne Ochain ein super geschmeidiges Bike. Doch bei den größten und schnellsten Schlägen ist an den Pedalen gelegentlich ein abrupter Ruck spürbar. Nach Installation des Ochain mit dem 12°-Elastomer fühlten wir auf denselben Strecken bei gleicher Geschwindigkeit eine spürbare Reduktion des ruckartigen Ziehens an den Pedalen, und das Kettenblatt konnte sich deutlich sichtbar blitzschnell nach hinten drehen bei denselben Schlägen, die mit fixiertem Spider Pedalrückschlag verursacht haben. Mit installiertem 6°-Elastomer wurden die Schläge erwartungsgemäß noch immer reduziert und nur die größten Schläge waren an den Pedalen spürbar. Allerdings reduzierte eine höhere Geschwindigkeit den Pedalrückschlag auch ohne installierten Ochain, daher ändern sich die Resultate je nach Rotationsgeschwindigkeit des Hinterrads. Die Funktion des Ochain war am meisten spürbar bei niedrigen Geschwindigkeiten, beispielsweise beim langsamen Überqueren von Steinfeldern und Wurzelteppichen und speziell dann, wenn man die Hinterradbremse stark nutzt. In genau diesen Situationen fühlt sich das Bike geschmeidiger an, mit lediglich minimalem Pedalrückschlag bis hin zu gänzlich ohne. Man sollte außerdem nicht vergessen, dass dieselben Kettenkräfte das Einfedern des Hinterbaus bei einem Schlag behindern, wann immer Pedalrückschlag auftritt. Der Ochain jedoch reduziert diese Kräfte und ermöglicht es dem Hinterbau, sich bei einem Schlag freier und widerstandsloser zu bewegen. An einem Bike mit einem hohen Maß an Pedalrückschlag kann das bei niedrigen Geschwindigkeiten und generell hinsichtlich der auf den Hinterbau wirkenden Kräfte ein echter Vorteil sein.

Zusammengefasst: In Szenarien, in denen hoher Pedalrückschlag auftritt, wie etwa bei sehr schnellen, harten Schlägen, starkem Anbremsen und Drops bei niedrigen Geschwindigkeiten, fühlt sich das Bike mit installiertem Ochain an den Pedalen spürbar ruhiger an. Beim Rollen mit höheren Geschwindigkeiten oder reinem Pedalieren ist die Funktion des Ochain vernachlässigbar bis hin zu nicht spürbar.

Wir wechselten während unseres Tests zwischen einem Ochain und einem starren Spider, um die Vorteile und Tücken des Ochain herauszufinden
Der Ochain macht euren Antrieb ca. 100 g schwerer und erhöht die Komplexität des Gesamtsystems
Ob der Ochain für euch das Richtige ist, hängt von euren Prioritäten ab. Wenn euer Fokus allein auf Downhill liegt, funktioniert der Ochain tatsächlich in einigen Szenarien. Wenn ihr jedoch ein Allround-Fahrer seid, der technische Anstiege mag, gibt es klare Nachteile.

Zusammengefasst: Was sind die Nachteile des Ochain?

Der Ochain verbessert die Downhill-Performance eures Hinterbaus, soviel ist klar, doch es gibt auch ein Aber – und zwar ein gewaltiges. Jeder Aspekt, der mit dem Hinterbau eines Bikes zu tun hat, beeinflusst das Gleichgewicht des Gesamtsystems. Ein Vorteil in eine Richtung bedeutet einen Kompromiss an anderer Stelle – und beim Ochain ist das nicht anders. Mit montiertem Ochain muss abhängig vom installierten Elastomer zunächst ein Leerweg von 6°, 9° oder 12° überwunden werden, bevor eure Kraft am Pedal in Vortrieb umgewandelt werden kann – also bevor der Freilauf überhaupt einrasten kann. Folglich vergrößert sich der Leerweg und reduziert damit die Direktheit eures Antriebs. Das Ganze intensiviert sich je nach installiertem Elastomer: von 6°, was sich nicht allzu schlimm anfühlt, bis hin zu 12°, was deutlich spürbar ist. Wenn ihr eine langsame Nabe mit einem Einrastwinkel von etwa 10–15° besitzt, wird sich diese durch die zusätzlichen 12° Leerweg schrecklich anfühlen. Der vermehrte Leerweg beim Pedaltritt hat zur Folge, dass es schwieriger ist, sich im technischen Gelände mit kurzen spritzigen Antritten voranzutasten, was auch bei kurzen technischen Anstiegen spürbar ist. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass jemand, der ein 300 €-Upgrade seines Hinterbaus in Betracht zieht, bereits seinen Laufradsatz aufgerüstet hat und sich für eine Nabe mit kleinerem Einrastwinkel für ein schnelles Einrasten entschieden hat – und der Ochain würde diesen Vorteil wieder zunichte machen. Selbst mit unserer superschnellen Hydra-Nabe entschieden wir uns für das kleinste Elastomer mit 6°, um den zusätzlichen Leerweg so gering wie möglich zu halten, und räumten damit sofortiger Kraftübertragung eine höhere Priorität ein als einer maximalen Verringerung des Pedalrückschlags. Die Elastomere mit 9° und 12° sind wohl am besten geeignet für Abfahrtsjunkies, die regelmäßig Shuttles oder Lifte nutzen und sich nicht um augenblickliche Kraftübertragung scheren. Von der Treteffizienz einmal abgesehen, stellt der Ochain ein weiteres bewegliches Teil dar, das regelmäßige Wartung benötigt – anstelle eines starren Kettenblatts, das nichts dergleichen erfordert. Um die Dauerhaltbarkeit der Elastomere zu prüfen, ist jedoch ein Langzeittest erforderlich.

Ochain stellt eine gute Lösung für ausschließlich abfahrtsorientierte Fahrer dar – speziell für diejenigen, die Bikes mit einem hohen Maß an Pedalrückschlag besitzen, wie etwa Eingelenker mit hohem Drehpunkt. Allround-Fahrer dürften den erhöhten Leerweg der Kurbeln jedoch frustrierend finden.

Ist Ochain ein #GAMECHANGER?

Die Effektivität des Ochain-Spiders hängt vom Design eures Bikes ab, von der Übersetzung, der Rotationsgeschwindigkeit der Räder, dem Terrain und wo für euch die Prioritäten hinsichtlich der Performance eures Bikes liegen. In jedem Fall ist es eine gute – wenn auch teure – Lösung für all jene, die in Szenarien mit niedrigen Geschwindigkeiten frustriert sind wegen unerwünschtem Pedalrückschlag. Bei den meisten Hinterbau-Designs dürfte die Nutzung des Ochain das Fahrgefühl immer dann etwas geschmeidiger machen, wenn man bei moderaten Geschwindigkeiten den Trail hinunter surft. Doch wenn ihr keine Probleme mit Pedalrückschlag habt, dann erhöht der Ochain unnötigerweise den Leerweg eurer Kurbeln und die Komplexität eures Antriebs. Am meisten Vorteile bringt der Ochain für Fahrer mit sich, die damit gewisse Probleme lösen wollen, beispielsweise für Besitzer von Bikes mit einem hohen Maß an Pedalrückschlag oder Nutzer von Flat-Pedalen, die auf Trails mit starken Bremswellen und großen Schlägen unterwegs sind. Wie sehr der Ochain euer Fahrerlebnis revolutioniert, hängt stark von euren Prioritäten ab. Wenn ihr allein auf maximale Performance eures Hinterbaus aus seid und im Gegenzug mit einem dicken Kompromiss hinsichtlich des Leerwegs eurer Kurbeln leben könnt, dann ist der Ochain eine äußerst clevere Lösung.

Der Ochain ist ein super interessantes Produkt, das uns eindrücklich die Auswirkungen von Pedalrückschlag vor Augen geführt hat. Doch ob es für euch einen Vorteil bringt, hängt davon ab, welche Fahreigenschaften euch wichtig sind.

Fazit

Der Active Spider von Ochain funktioniert hervorragend hinsichtlich seines erklärten Ziels: Pedalrückschlag zu reduzieren und somit in Szenarien mit hohem Rückschlag-Potenzial spürbar weniger Schläge an die Pedale weiterzugeben, etwa bei langsamen Drops und bei harten Bremsmanövern. Allerdings erhöht der Ochain erheblich den Leerweg beim Pedalieren und ist daher ein Produkt für Fahrer, deren Fokus allein auf Downhill-Performance liegt oder die Bikes mit einem sehr hohen Maß an Pedalrückschlag besitzen.

Tops

  • reduziert effektiv Pedalrückschlag
  • gut für Bikes mit starkem Pedalrückschlag
  • leise im Betrieb

Flops

  • erhöht die Komplexität des Antriebs
  • erhöht den Leerweg der Kurbeln
  • teure Lösung

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Fotos: Trevor Worsey und Finlay Anderson