Olly Wilkins ist old school. Er fährt nicht Rad, um Rennen oder Trophäen zu gewinnen. Er fährt, weil es das ist, was er schon immer gemacht hat. In den Surrey Hills, Ollys Homespot, wollten wir ein bisschen Air Time sammeln und mehr über den Dogfighter herausfinden.
Ich sitze im Snooty Fox Cafe und futtere das wahrscheinlich beste Frühstück in Guildford in mich hinein. Noch bevor ich Olly sehe, kann ich ihn hören. Sein nahezu unmöglich tiefergelegter-Mazda B2000 Pickup kommt bellend in Sichtweite, mit röhrenden Sidepipes, die Räder gerade noch so unter die Kotflügel gequetscht. „Er hat einen Mazda MX5-Motor, fährt sich also sehr schön“, antwortet Olly auf meine Frage nach dem Wagen. „Ich bin allerdings eine Null im Driften, deshalb ist es für mich ein gefährlicher Truck.“ Auf der Ladefläche liegt ein brandneues FOCUS JAM 140-mm-Trailbike. Ich weiß schon, dass Ollys Setup am Bike ein wenig anders ist als bei den meisten Bikern, die Federung ist straff und sehr progressiv, und der Hinterreifen hat über 3 bar, um Plattfüße zu verhindern. Dieses Trailbike wird in Zukunft kein leichtes Leben haben.
Olly gehört zu einer Gruppe von Fahrern aus den Surrey Hills, die seit 15 Jahren vorne dabei sind in der britischen MTB-Szene – obwohl sie keine hohen Berge vor der Haustür haben. Sie sind bescheiden, entspannt und mit Leidenschaft bei der Sache, sie haben schon immer Taten statt Worte sprechen lassen, wenn’s ums Biken ging, und hatten nie Angst vor großen Sprüngen. Auch heute sagt Olly noch: „Die verrücktesten Dinge, die ich je gemacht hat, passierten mit den Jungs im Wald, ganz ohne Kamera.“ Olly ist jetzt 31, seine Leidenschaft fürs Biken begann aber, wie bei vielen von uns, schon früh: Als Kind fuhr er mit seiner Familie durch den Wald, doch wie jeder richtige Junge wollte er vor allem eins: Airtime sammeln. Der Lust am Springen folgte die Lust am Bauen, und von dem Moment an, als er zum ersten Mal nach der Schaufel griff, war klar, dass er das in den nächsten Jahren noch ziemlich oft machen würde. Denn Biken sollte sein Leben bestimmen. „Ich war damals ein Riesenfan“, erzählt er mir. „Ich ging immer zu den lokalen Rennen, schaute mir alles an, achtete genau darauf, wie die schnellsten Jungs ihre Bikes um die Kurven pushten, wie ihr Setup war. Ich wusste sogar, wo sie alle wohnten – weiß ich immer noch.“
„Schau dir die Surfer an, die Jungs haben’s gut!”
Das Fan-Dasein war damals noch ein anderes. Olly beschreibt es so: „Wir hatten damals kein Internet, kein Instagram, keine Videos. Steve Pete fahren zu sehen war deshalb so, wie einen Gott auf der Straße zu treffen.“ Er selbst startete im Downhill zu einer Zeit, in der Gemeinschaft ganz klar im Vordergrund stand beim Biken: „Für mich ging es so richtig los mit der lokalen Pedalhounds Downhill-Rennserie, diese DH-Rennen waren verantwortlich für die Entwicklung vieler guter Fahrer. Das war so ein hervorragendes Fahrerfeld damals, ich fuhr gegen Leute wie Nico Vink, sogar Greg Minaar kam vorbei, das waren wirklich verrückte Zeiten. Ich habe dort viele Freunde fürs Leben gefunden. Mir tun manchmal die Leute Leid, die heute da draußen alleine sind, beim Fahren, beim Training, alles ist so ernst. Für uns war Mountainbiken wirklich eine Gemeinschaftssache.“
Bekannt ist Olly vor allem durch DMR, für deren Team er 14 Jahre lang fuhr. Er hat Grafikdesign an der Uni studiert und arbeitet heute im Büro von DMR, wo er der Marke seine Designhandschrift verleiht. „Ich fand die ganzen Grafik-Sachen schon als Kind toll, ich sammelte Sticker, schaute mir die Logos genau an“ erzählt er mir. „Gerade an die ganz großen Kampagnen erinnere ich mich noch gut, die funktionierten einfach und haben irgendwas in mir angesprochen.“ Vor Kurzem hat sein Style die Aufmerksamkeit der deutschen Marke FOCUS geweckt, und nun fährt Olly ihre Bikes. Ziemlich schnell wird allerdings klar, dass Olly gar nicht so viel über seinen Job reden will – er will lieber raus und mir die Trails zeige. „Da gibt’s diesen irren Hip Jump, den wir gerade fertig gebaut haben. Ich denke, wir haben eine gute Session.“
Olly ist Teil einer kleinen Gruppe von Bikern aus der Gegend, die sich mit den riesigen Sprüngen auf ihren Hometrails genauso wohlfühlen wie bei etwas so Wahnsinnigem wie der Red Bull Rampage. Ollys Philosophie ist da simpel: „Ich liebe es einfach zu biken, ich liebe alles daran. Es ist eine Schande, dass heute so viele Kids nichts anderes wollen, als einen Sponsor finden. Die verpassen so viel! Die Vorstellung, gesponsert zu werden, ist etwas völlig anderes als die Realität. Das bringt doch nur Druck.“
Immerhin kennt Olly beide Seiten: „Ich sehe die Leute bei den Weltcups, bei denen der Stress eines ganzes Jahres in 11 Rennen gepresst wird, mit immensen Selbstzweifeln, Druck und allem anderen. Als Media-Rider habe ich auch Stress, versteh das nicht falsch – es ist ein Traum, es ist das, was ich immer wollte. Aber manchmal, stehe ich vor einem krassen Feature und mache mir Gedanken, wie ich da runterkomme. Wenn ich mich verletze, haben schließlich die Jungs, die mich filmen, keinen Vertrag mehr. Ich liebe es, mit meinen Freunden zu fahren wie ein Wahnsinniger, aber wenn alle auf dich schauen und jemand ‚Go!‘ schreit, dann ist das ein ganz anderes Gefühl.“
Wenn es um die Karriere geht, passiert es schnell, dass junge Fahrer vom Rennzirkus mitgerissen werden, dass sie nach Sekunden jagen in der Hoffnung auf einen Sponsor. Aber es ist wie in der Surfwelt: Die Profis bei der World Tour kämpfen um die Punkte und versuchen, den Anforderungen der Sponsoren gerecht zu werden. Und auf der anderen Seite gibt es die Free Surfer, die surfen, weil sie das Surfen lieben, und die eine Karriere daraus machen, die schöne Seite des Sports zu zeigen. Genau da sieht sich Olly: Er meidet den Wettkampf und zeigt stattdessen großartige Locations und mühelos elegantes Fahrkönnen. Weil ich weiß, dass Olly große Features liebt, frage ich ihn, ob ein Trailbike dafür wirklich das Richtige ist. „Das FOCUS JAM ist ein großartiges Bike“, antwortet er. „Es ist zwar ein Trailbike, aber wahnsinnig potent. Obwohl es nur 140 mm Federweg hat, hat mir da nie was gefehlt. Vielleicht fahre ich auch einfach nicht krass genug.“
Olly Wilkins’ FOCUS JAM C
Olly fährt ein 140-mm-Trailbike, wie viele von uns. Doch wegen seines eher theatralischen Fahrstils ist das Setup seines FOCUS JAM ganz schön anders als das der meisten.
„Ich versuche ja nicht, Rennen zu gewinnen, deswegen brauche ich nicht das Setup mit dem meisten Grip“, erklärt er. „Ich liebe zwar das Gefühl von Durchschlägen, will aber trotzdem, dass ich es nicht haben kann.“
„Manchmal ist es verrückt, so nah an London aufzuwachsen, wo das große Geld ist. Aber ich weiß gar nicht, was ich mit mehr Kohle anfangen würde, wahrscheinlich noch viel mehr Kaffee kaufen. Mehr Kohle, mehr Kaffee.”
Doch alles hat zwei Seiten und als ich sehe, wie Olly seinen Knöchel in eine Hochleistungs-Stützbandage packt, muss ich an die Unfälle denken, die auf der extremen Seite des Sports nicht gerade selten sind. Als ich ihn danach frage, meint er: „Ich hatte über die Jahre einige echt beschissene Verletzungen, aber ich schätze, dadurch wird einem auch bewusst, wie sehr man den Sport liebt. Klar habe ich die ganze Zeit Schmerzen und wahrscheinlich bin ich nicht mehr so optimistisch, wenn ich älter bin. Aber das ist doch alles langweilig, lass uns nicht über Verletzungen sprechen.“ Also wechseln wir das Thema und gehen lieber auf den Trail. Denn darum geht es schließlich.
[/emaillocker]The art of flight
Man muss Olly nur einen Trail hinab folgen, um zu sehen, was ihn antreibt: Auf diesem DH-Trail in den Surrey Hills wechselt er mühelos von einem Nose Manual in einen Anlieger, um dann einen Absprung wegzuscrubben. Ich folge ihm, während er von einer Seite des Trails zur anderen hüpft, jeder Zentimeter hier ist sein Spielplatz, jede Kante ein Absprung. Man kann ganz einfach sehen, dass er auf diesen Trails aufgewachsen ist. Das zeigt wieder einmal, dass man keine hohen Berge braucht, um ein guter Fahrer zu werden, sondern vor allem Leidenschaft. „Weil wir nur die Hügel haben, packen wir alles in eine Abfahrt“, erklärt er mir zwischen ein paar Sprüngen. „Auch wenn die Fahrer hier vielleicht nicht so gut sind auf krassen Steinfeldern, haben die meisten top Skills. Und natürlich haben wir Hero-Loam.“
Wir begegnen zwei Jugendlichen auf alten Bikes, Olly kommt direkt mit ihnen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass sie denselben Trail suchen, zu dem auch wir unterwegs sind. Nachdem sie uns zum Startpunkt gefolgt sind, wünschen wir ihnen alles Gute. Bei der Abfahrt lasse ich mich durch ein paar crazy Lines ziehen, die ich selbst nie gesehen hätte. Während ich, unten angekommen, noch nach Luft schnappe, rattern die Kids an uns vorbei. Ich muss lachen, als ich sie beim Weiterfahren höre: „Oh Mann, ich war so schnell, die haben mich hart am Gas gesehen! Das war so cool, so schnell war ich noch nie – krass, Alter!“
Die Surrey Hills haben nicht zu viel versprochen. Wir fahren zurück zum Auto und reden Quatsch, ich erzähle von der Aufregung der Kids und dabei wird mir klar, worum es geht: Biken macht Spaß, das war schon immer so. Doch nun, in Zeiten von Social Media, sind wir dem Leben der Profi-Athleten näher als je zuvor und es ist viel zu leicht, nach einer Profikarriere zu lechzen. Olly Wilkins ist alles andere als naiv, wenn es um die Macht von Social Media in einer Welt voller gesponserter Profis geht, die ihr sorgsam gepflegtes Image Horden von Instagram-Fans präsentieren. Doch bei Olly ist es wie bei den Free Surfern – er fährt Mountainbike, weil er es liebt. Ein moderner Freerider, einer von den echten Dogfightern.
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