Wer will es nicht? Dem winterlichen, kalten und grauen Sumpf entfliehen und mit dem Flugzeug direkt in den warmen Süden flüchten, das wär’s jetzt! Wir haben uns das nicht nur gedacht, sondern es auch getan und sind nach Madeira geflogen. Die Insel, unsere Bikes und das geniale Wetter bescherten uns eine Winterpause der extra klasse. Wie diese genau ausgesehen hat und was die Perle im Atlantik zu bieten hat erfahrt ihr in dieser Travel Story!

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Eingepfercht in der engen Sitzreihe der Economy Class will ich nur noch eins: den Gurt abschnallen und in letzter Sekunde aus dem Passagierflugzeug rennen. Doch es ist zu spät, wir haben bereits unsere Startposition erreicht und in wenigen Sekunden wird der Pilot mit Vollgas über die Landebahn in Richtung Meer rasen. Ich befinde mich kurz vor dem Rückflug von Madeira zurück ins winterliche Deutschland, zurück in den Alltag. Dabei wollte ich hier doch gar nicht mehr weg.
Am Ende fehlt es mir jedoch an einem: Mut. Mut, Neues zu wagen, vermeintliche Sicherheiten aufzugeben, Mut zur Veränderung. Jérémy, unser Gastgeber und Guide der letzten sechs Tage, hatte ihn, diesen Mut. Der perfekt Deutsch und Englisch sprechende Franzose, der die letzten 6 Jahre in Hamburg lebte, hat der nasskalten Hansestadt den Rücken gekehrt. Er hat seinen Job als Software-Entwickler aufgegeben um auf dem mitten im Atlantischen Ozean gelegenen kleinen Eiland sein Glück zu suchen.

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Ganz Hals über Kopf hat er sich natürlich nicht ins Abenteuer gestürzt, und er ist auch nicht einfach nach einem Bike-Urlaub hier geblieben, wie ich es jetzt am liebsten getan hätte. Er hatte von Anfang an einen Plan, ein Ziel: Er wollte den Winter nicht im kalten Deutschland verbringen und sein Hobby zum Beruf machen. Geeignete Bike-Destinationen für ein solches Unterfangen gibt es einige. Die bekannteste davon – zumindest für Deutsche – ist La Palma. Warum also Madeira? Vermutlich waren es die gleichen Gründe, die auch mich während meines Aufenthalts fast vom Auswandern überzeugt hätten, gepaart mit unternehmerischer Weitsicht und der Fähigkeit, das Potenzial der kleinen Insel zu erkennen.

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Mit 740 km² ist Madeira fast exakt so groß wie Jérémys letzte Heimatstadt Hamburg, besitzt jedoch nur knapp ein Zehntel der Einwohner. Die Insel ist ca. 57 km lang und 22 km breit und lässt sich mit dem Auto innerhalb von gut zwei Stunden einmal komplett umrunden. Direkt neben der Küstenstraße geht es steil bergauf. Diese Felswände sind ebenso typisch für die Insel wie die extrem farbenfrohe Vegetation und das enorme Angebot köstlicher Südfrüchte. Mangos, Maracujas, Passionsfrüchte, Bananen und etliches mehr werden direkt hier angebaut und auf einem großen Markt direkt in Funchal zum Verkauf angeboten – ein Besuch dort ist ein echtes Muss während des Aufenthalts! Hier taucht man ein in ein Universum verschiedenster Gerüche und Geschmäcker, eingerahmt vom offenen Wesen der extrem freundlichen und entspannten Inselbewohner. Deren Hilfsbereitschaft erfuhren auch wir, als ich stürzte und so unser Tagesplan komplett auf den Kopf gestellt wurde. Wir waren gerade in Prazeres, wo einige der schönsten Trails Madeiras enden, doch an Biken war nicht mehr zu denken. Im Restaurant Casa do Grelhados fragten wir um Hilfe und prompt lieh uns der Sohn der Inhaber seinen alten, klapprigen, aber immerhin fahrbereiten Peugeot 106 und rettete so den Tag. Ganz unbürokratisch und ohne Diskussion. Man hilft sich.

An dem Tag kamen wir gerade zurück von einer grandiosen Abfahrt, für die wir uns frühmorgens aus den Federn gequält hatten. Noch bei Dunkelheit machten wir uns auf den Weg, um pünktlich zum Sonnenaufgang am Beginn des Trails das warme Licht der ersten Sonnenstrahlen auf unserer Haut zu spüren. Genau rechtzeitig oben angekommen ließen wir den Blick schweifen, verharrten und genossen den Moment. Hinter uns lagen bereits vier Tage exzessiven Bikens. Wir hatten am Sandokan Enduro-Rennen teilgenommen, uns auf sieben grandiosen Rennstages gebattelt und wollten an unserem vorletzten Tag noch einmal ganz entspannt die besten Trails unter die Stollen nehmen. Die Red- und Black-Line hatten es uns dabei besonders angetan. Die zwei von der kleinen, aber superaktiven lokalen Bike-Community gebauten Strecken sind abwechslungsreich und anspruchsvoll. Sie führen durch wilde, duftende Eukalyptuswälder, besitzen gebaute Anlieger ebenso wie natürliche Abschnitte und lassen dank des staubtrockenen Untergrunds jedes von herbstlichem Regen gequälte Bikerherz höher schlagen.

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Doch Madeira kann auch anders, wie ich am eigenen Leib spüren sollte. Im feuchten Norden finden Biker verwinkelte Trails in einem dschungelartigen Wald. Wie eine Achterbahn schlängeln sich hier die angelegten Trails durch das dichte Unterholz. Mal geht es über Steine, mal über Wurzeln, dann über losen Waldboden und manchmal auch über Black Ice. Dabei handelt es sich nicht um eine zuckersüße Köstlichkeit, sondern extrem rutschigen, unberechenbaren Untergrund, bei dem die Reifen schon bei der geringsten überhasteten Lenkbewegung ihren Grip verlieren. Ruhe bewahren und nicht bremsen, dann klappt das – meistens.

Das Black Ice war es auch nicht, das zu meinem Sturz führte. Vielmehr war es mein eigener Übermut, als ich versuchte eine Linie, die ich im Rennlauf nicht genommen hatte, doch noch zu fahren. Das Resultat war ein mächtig geschwollener Daumen, der es mir unmöglich machte, den Lenker zu greifen. Noch auf dem Trail schmissen wir unsere Pläne für diesen Tag über den Haufen und planten eine Fahrt nach Funchal, der Hauptstadt Madeiras. Das war der Punkt, an dem der klapprige Peugeot ins Spiel kam. Denn ohne ihn wären wir nicht zu unserem Appartement im ruhigen, beschaulichen Örtchen Jardim do Mar gekommen, das nebenbei bemerkt ein echter Surf-Geheimtipp ist – und wir hätten es erst recht nicht in die belebte Hauptstadt geschafft.

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Das Zentrum Funchals war an diesem Tag wie so oft überschwemmt von Touristen. Überall sah man ältere Ehepaare, die bewaffnet mit einer Digitalkamera und Socken in ihren Sandalen die Straßen und Gassen unsicher machen. Viele bleiben nur für wenige Stunden, ehe sie wieder an Bord eines der riesigen Kreuzfahrtschiffe im Hafen gehen und weiterziehen. Wir bevorzugten die kleinen Nebengassen, ließen die Touri-Restaurants mit ihren in alle möglichen Sprachen übersetzen Speisekarten hinter uns und flanierten eine enge, mit Kopfsteinpflaster versehene Gasse hinauf. Die besten Orte findet man meist nicht in irgendwelchen Reiseführern und so verließen auch wir uns auf den Tipp eines jungen Pärchens – und landeten damit einen Treffer ins Schwarze.

Den Abend beendeten wir, wie für Madeira typisch, mit einem Espada-Filet und einigen Gläsern Poncha, einen mit Zitrone verfeinerten und anschließend gesüßten Zuckerrohrschnaps. Während die Wellen an der befestigten Steinküste brachen und uns beim Blick von der Terrasse aufs Meer der Wind ins Gesicht wehte, drängte sich fast zwangsläufig die Frage auf: Warum nicht einfach hier bleiben? Alles, was wir dafür bräuchten, wäre der nötige Mut. Mut, den Jérémy schon bewiesen hat.

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Reisetipps Madeira

Beste Reisezeit

Auf Madeira kann man nahezu das gesamte Jahr bei relativ konstanten Temperaturen von 20–25°C biken. In den Monaten Oktober bis März gibt es meist rund 6–8 Regentage pro Monat, was angesichts des kalten Wetters in Zentraleuropa dann jedoch noch immer zu verschmerzen ist. Wer gern eine besondere Silvesternacht erleben möchte, sollte sie auf Madeira verbringen – Funchal ist bekannt für eines der größten Feuerwerke Europas.

Anreise

Madeira wird mehrmals die Woche von verschiedenen deutschen Flughäfen angeflogen. Solltet ihr keinen Direktflug ergattern, plant einige Stunden Aufenthalt in Lissabon. Eine kurze Stadtbesichtigung lohnt sich auf jeden Fall!

Guiding

Jérémy und Jo von Bikulture Madeira kennen die Insel wie ihre Westentasche. Sie bringen euch zu den besten Trails und können euch bei Bedarf über ihren eigenen kleinen Bikeshop auch mit den nötigsten Ersatzteilen versorgen.

Hotels

Die besten Unterkünfte empfiehlt euch Jérémy von Bikulture Madeira. In Jardim do Mar gibt es vom Dreisternehotel bis hin zum geräumigen und modernen Appartement alles.

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Text & Bilder: Christoph Bayer


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