„29er sind nichts für kleine Fahrer!”„Mit so einem langen Rad kann man ja keine Kurven mehr fahren!” Vorurteile wie diese hört und liest man ständig. Wir haben uns gefragt, ob das wirklich stimmt und mit einer Körpergröße von 1,60 m einen extremen Selbstversuch gestartet – mit dem noch immer riesigen Pole Evolink 140 in Größe S.

Pole EVOLINK 140 29 EN | 5.800 € | 160/140 mm (v/h) | 14,91 kg

Mit einer Körpergröße von 160 cm ist ENDURO-Testerin Antonia alles andere als eine typische 29er-Fahrerin. Bisher ist sie mit den großen Laufrädern nur durch Cross-Country-Bikes in Berührung gekommen. Kein Wunder: Potente Bikes mit 29”-Laufräder in kleinen Rahmengrößen sucht man bei vielen Herstellern vergebens. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist es eine echte Herausforderung bei der Entwicklung, die Laufräder überhaupt in den Rahmen zu integrieren und zum anderen sind viele Hersteller überzeugt, dass 29er für kleine Fahrer wenig Sinn machen. Der finnische Hersteller Pole ist da anderer Meinung. Mit seiner radikalen Geometrie sind die Bikes aktuell ohnehin in aller Munde. Und sie sind auch in Größe S für Fahrer ab 160 cm Körpergröße erhältlich – damit ist das Pole das wohl extremste Bike für kleine Fahrer.

Das Pole EVOLINK 140 im Detail

Das Pole EVOLINK 140 in Größe S ist noch immer groß, sehr groß! Zum Vergleich: Der Radstand ist länger als der eines Specialized Enduro in XL. Dennoch soll sich das Rad auch für kleine Fahrer ausgewogen fahren. Das Geheimnis: Statt nur den Hauptrahmen besonders lang und den Lenkwinkel super flach zu machen, ist beim Pole auch der Hinterbau lang. Der Alurahmen ist mit rund 3,6 kg (ohne Dämpfer) kein super Leichtgewicht und so ist es nicht verwunderlich, dass unser Testbike in Größe S mit robusten Doubledown-Hinterreifen 14,91 kg auf die Waage bringt. Pole bietet das Rad in zwei Ausstattungsvarianten und als Frame-Kit an. Das von uns getestete EVOLINK 140 29 EN mit einer RockShox Lyrik-Federgabel, SRAM XX1/X01-Antrieb und SRAM Guide-Bremsen geht für 5.800 € über den Ladentisch.

Federgabel RockShox Lyrik RCT3 160 mm
Dämpfer RockShox Monarch Plus RC3 140 mm
Bremsen SRAM Guide RSC 180/180 mm
Schaltung SRAM X01 Eagle
Sattelstütze Bikeyoke Revive 125 mm
Lenker Truvativ Descendant Carbon 800 mm
Vorbau Truvativ Descendant 40 mm
Laufradsatz DT Swiss EX1501 29″
Reifen Maxxis Minion DHF 2,5″ / Maxxis Minion SS II 2,3″
Gewicht 14,91 kg
Preis 5.800 €

Sehr hoch
Das lange Steuerrohr war anfangs sehr ungewohnt. Allerdings vermittelt es speziell im steilen Gelände viel Sicherheit. Druck am Vorderrad hatte Antonia stets genug.
Too much
Der Doubledown-Hinterreifen inklusive Huck Norris-Einlage bremst den Vorwärtsdrang. Serienmäßig kommt das Bike aber ohnehin mit einem EXO-Reifen.
Weniger ausgeprägt
Der Sitzwinkel ist mit 78° extrem steil. Antonia empfindet ihn aber nicht so extrem wie die größeren Tester beim Modell in Large.
Das Geheimnis
Damit der Fahrer ausreichend Grip am Vorderrad hat, verbaut Pole auch beim Modell in S lange Kettenstreben. Wheelies und Manuals sind so fast unmöglich, aber die Balance ist top.

Die Geometrie des Pole EVOLIK 140

Wie gut das EVOLINK 140 in Größe Large für 180 cm große Fahrer funktioniert, hat das Rad bei unserem Race-Bike-Vergleichstest in Finale Ligure bereits unter Beweis gestellt. Dort landete das Bike auf der zweiminütigen Rennstage auf Rang 2. Wäre die Stage länger gewesen, wären sich die Tester sogar sicher gewesen, dass das Pole ganz vorn gelandet wäre. Doch große Fahrer besitzen in der Regel nicht nur mehr Kraft, sondern auch mehr Masse, mit der sie Lenkimpulse und Richtungsänderungen einleiten können.

Größe S M L XL
Sattelrohr 420 mm 440 mm 480 mm 510 mm
Oberrohr 584 mm 614 mm 644 mm 669 mm
Steuerrohr 135 mm 135 mm 135 mm 135 mm
Lenkwinkel 64,5° 64,5° 64,5° 64,5°
Sitzwinkel 78° 78° 78° 78°
Kettenstrebe 455 mm 455 mm 455 mm 455 mm
Tretlagerabsenkung 20 mm 20 mm 20 mm 20 mm
Radstand 1.257 mm 1.287 mm 1.317 mm 1.342 mm
Reach 450 mm 480 mm 510 mm 535 mm
Stack 639 mm 639 mm 639 mm 639 mm

Helm Specialized Ambush | Shirt Mons Royale Phoenix 3/4 Raglan Tee | Short ION SCRUB AMP | Knieschoner iXS Flow Knee | Schuhe FiveTen Freerider Pro

Das Pole EVOLINK 140 auf dem Trail

Bergauf schätzen große Fahrer besonders den steilen Sitzwinkel des Pole EVOLINK. Man sitzt super zentral im Bike und das Vorderrad klebt selbst bei steilsten Uphills förmlich am Boden. In der Größe S ist das ebenso, allerdings ist der Effekt im Vergleich zu anderen Bikes aufgrund des geringen Sattelauszugs und den dadurch generell meist steileren Sitzwinkel nicht so stark ausgeprägt. Spitzenzeiten knackt man mit dem Pole bergauf nicht, das eher hohe Gewicht, die großen Laufräder und das 32er Kettenblatt erfordern generell einiges an Kraft. Antonia beschreibt, dass es etwas Mühe erfordert, die großen Laufräder zu beschleunigen, was sich auch auf ihr im Vergleich zu größeren Fahrern geringeres Gewicht zurückführen lässt.

Bang boom Bang! Je steiler und schneller es bergab geht, umso mehr blüht das Pole auf!

Neigt sich der Trail jedoch bergab, ist das Pole in seinem Element. Speziell als kleinerer Fahrer steht man extrem gut integriert zwischen den großen Laufrädern. Gepaart mit dem langen Steuerrohr und dem riesigen Hauptrahmen sind Überschlagsgefühle im steilen Gelände fast unmöglich. Je härter, verblockter und schneller der Trail wird, umso mehr zeigt das EVOLINK 140, was es drauf hat. Die Fahrsicherheit und Stabilität, die das Bike vermittelt, sind enorm. Allerdings muss man seinen Fahrstil etwas anpassen, auch um nicht mit dem Gesäß an den großen Laufrädern zu streifen. Während Antonia bei anderen Bikes ihr Becken im steilen Gelände etwas nach hinten schiebt, kann sie beim Pole insgesamt noch zentraler im Bike stehen. Das lässt sich zum Teil auf die langen Kettenstreben zurückführen, die für ausreichend Druck am Lenker sorgen. Auch bei Sprüngen ist das Rad sehr ausgewogen, allerdings lässt sich Antonia dabei eher hinaustragen als aktiv mit dem Bike abzuspringen – hier ist das große Rad für die kleine Fahrerin zu schwerfällig.

Von wegen zu klein für 29er – Antonia ist von den Vorteilen der großen Laufräder überzeugt!

Wer glaubt, ein so langes Bike könnte keine Kurve fahren, der irrt. Selbst enge Spitzkehren sind für unsere Testerin kein Problem. Es bedarf aber einen beherzten Fahrstil, etwas Eingewöhnung und Vertrauen, um das Rad in die Kurve zu drücken. Die Schwachstelle des langen Bikes und der großen Laufräder sind für unsere kleine Testerin schnelle Richtungswechsel. Hier ist insgesamt viel Kraft gefragt und das Rad fährt sich deutlich behäbiger als bei den größeren Kollegen.

Fazit

Wie schon bei vorherigen Tests begeistert das Pole EVOLINK 140 auch in Größe Small mit einem hohen Maß an Fahrsicherheit und enormen Speed. Je härter der Trail ist, umso mehr spürt man als Fahrer die Vorteile des Konzepts. Allerdings erfordert das Bike von kleinen Fahrern bergauf und in engen Sektionen viel Kraft und Input. Damit ist es für Racer und als Alternative zum Downhill-Bike zwar sicher ein spannendes Bike, für den normalen Bike-Alltag aber einfach too much.

Stärken

+ im steilen Gelände sehr hohe Sicherheit
+ bügelt Hindernisse einfach platt

Schwächen

– braucht viel Körpereinsatz
– bei schnellen Richtungswechseln behäbig

Mehr Infos unter polebicycles.com


Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #035

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