„Tour, Trail, All-Mountain? Was denn jetzt? Das neue Hugene hat die Antwort parat.“ Mit diesem Claim bewirbt die deutsche Bike-Schmiede Propain das neu vorgestellte Hugene und verspricht das eine Bike für alles geschaffen zu haben. Ideal also für unseren großen Mountainbike-Vergleichstest! Ob Propain ihr Versprechen halten kann?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test
Das im Frühjahr 2021 neu vorgestellte Propain Hugene hat tiefgreifende Updates und einen neuen Look bekommen und ähnelt jetzt wieder stark seinen größeren Geschwistern Tyee und Spindrift, wobei es weiterhin auf das PRO10-Federungssystem setzt. Alle Modelle des Hugene besitzen einen Carbon-Rahmen mit Alu-Umlenkung, der sich im hauseigenen Konfigurator mit verschiedenen Rahmenfarben und Decals gestalten lässt. Darüber hinaus könnt ihr die Ausstattung im umfangreichen Konfigurator nach euren Vorlieben anpassen. Der 29”-Rahmen in mattem Creme-Lack hat in unserem Test jedoch schon nach kurzer Fahrzeit deutliche Abriebspuren gezeigt. Der Rahmen besitzt gedichtete Lager, die den gröbsten Dreck abhalten und für eine längere Haltbarkeit sorgen sollen. Trotz der aufwendigen PRO10-Dämpferanlenkung im Rahmendreieck bietet er genug Platz für eine große Flasche und hat sogar einen Tool-Mount am Oberrohr. Alle Leitungen besitzen eine Gummi-Fixierung, die an die Cableports der innenverlegten Züge gehören. Dort bleiben sie allerdings nicht und das Verrutschen der Fixierungen sieht nicht nur komisch aus, sondern sorgt auch für nerviges Klappern der Leitungen am Rahmen. Ebenso ist die Kette sehr laut, denn der aufwendig verbaut erscheinende Kettenschutz ist aus viel zu hartem Plastik. Das macht das Hugene zu einem der lautesten Bikes, die wir in den letzten Jahren getestet haben. Zum Schutz des Rahmens vor anfliegenden Steinen ist zusätzlich ein Protektor am Unterrohr angebracht.
Unikate vom Band – Die Custom Ausstattung unseres Propain Hugene
Das Hugene wird in drei vorgefertigten Ausstattungsvarianten angeboten oder lässt sich komplett individuell konfigurieren – ideal, um es an individuelle Vorlieben anzupassen! Unser 13,98 kg schweres Test-Bike basiert auf dem 7.203 € teuren High-End-Modell, hat aber einige Upgrades spendiert bekommen. Allen voran die FOX 36 GRIP2-Gabel, die 150 mm Federweg statt 140 mm der FOX 34-FIT4 bietet. Der zusätzliche Zentimeter Federweg, die fetteren Standrohre und die bessere Dämpfung kosten 355 € mehr als das Modell mit FOX 34 FIT4. Am Heck befindet sich der FOX Factory DPX2-Dämpfer und verschafft dem Bike 140 mm Federweg. Geschaltet wird mit einer SRAM XX1 AXS 12-fach-Schaltgruppe mit 10–52-Kassette. Als Bremse dient eine SRAM G2 Ultimate mit 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck. Im Gegensatz zu den anderen Modellen besitzt die G2 Ultimate einen Bremshebel aus Carbon und schicke Schrauben aus Titan für zusätzliche Gewichtsersparnis. Sie bietet mit den großen Bremsscheiben zwar eine konstantere Leistung als die meisten anderen G2-Bremsen im Test, kommt allerdings bei langen Fahrten und schweren Fahrern dennoch an ihre Grenzen und fordert hohe Bedienkräfte.
Der hauseigene Konfigurator bietet eine Menge sinnvoller Möglichkeiten, sein Bike auf die eigenen Vorlieben anzupassen. Einen schmaleren Lenker gibt es aber leider nicht. Hier sollte nachgebessert werden.
Als Sattelstütze dient eine BikeYoke REVIVE mit 185 mm Hub. Alle Hebel sind an einem SIXPACK Millenium Carbon-Lenker befestigt, der jedoch sehr steif und mit 805 mm extrem breit ist. Hier hätten wir uns, selbst bei einer Fahrergröße von 190 cm, eine schmalere Option im Konfigurator gewünscht, da das Kürzen den Lenker nur noch steifer macht. Propain setzt mit dem Schwalbe Magic Mary in Front und Big Betty am Hinterrad auf eine starke Reifenkombination. Denn die Super Trail-Karkasse beider Reifen bietet einen tollen Kompromiss aus Pannenschutz und niedrigem Gewicht und auch die ADDIX Soft-Gummimischung passt mit ihrer Kombination aus Grip und Rollwiderstand gut zum Einsatzbereich des Hugene – top! Dank der robusten Karkasse sind die NEWMAN Advanced SL A.30 Carbon-Laufräder besser vor Durchschlägen geschützt als beim RAAW Jibb.
Propain Hugene
7.203 €
Specifications
Fork FOX 36 Factory 150 mm
Rear Shock FOX DPX2 Factory 140 mm
Seatpost BikeYoke REVIVE 185 mm
Brakes SRAM G2 Ultimate 200/200 mm
Drivetrain SRAM XX1 Eagle AXS 1x12
Stem SIXPACK Millenium 45 mm
Handlebar SIXPACK Millenium805 Carbon 805 mm
Wheelset NEWMEN Advanced SL A.30 29"
Tires Schwalbe Big Betty/Magic Mary Super Trail ADDIX Soft 2,4
Technical Data
Size S M L XL
Weight 13,98 kg
Specific Features
Konfigurator
Die Geometrie des Propain Hugene
Das Propain Hugene ist in vier Größen von S–XL erhältlich und deckt eine Fahrergröße von 158 cm bis 202 cm ab. Es hat einen Reach von 476 mm und sorgt in Kombination mit einem Stack von 634 mm und einer Sattelrohrlänge von 450 mm dennoch für ausreichend Bewegungsfreiheit. Das Sattelrohr erlaubt auch das vollständige Einschieben der Sattelstütze und bietet so eine gute Bewegungsfreiheit im Stehen. Die Kettenstreben bleiben dennoch bei allen Größen gleich und gehören mit 445 mm zu den längsten im Test. Das Hugene gesellt sich auch zu den Bikes im Test mit einem flachen Lenkwinkel. Dieser liegt mit einer 150-mm-Gabel bei rund 65,1°. Der Sitzwinkel von 76,1°sorgt im Flachen für zu viel Druck auf den Händen, entwickelt sich jedoch im steileren Uphill zur optimalen Sitzposition mit aufrechtem Oberkörper. So klettert das Hugene antriebsstark jeden Berg hinauf. Der Hinterbau bleibt trotz offenem Dämpfer straff und wandelt Druck am Pedal direkt in Geschwindigkeit um. Dennoch muss sich das Hugene dem Kletterass Yeti SB115 auf richtig groben Pfaden knapp geschlagen geben. Denn unter Kettenzug verhärtet der Hinterbau, sodass das Hinterrad an Kanten hängen bleibt. So vermittelt das Hugene trotz offenem Dämpfer bei rundem Tritt, im Antritt und an Hindernissen den Eindruck und die Traktion eines Hardtails.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 400 mm | 425 mm | 450 mm | 480 mm |
Oberrohr | 578 mm | 605 mm | 632 mm | 660 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 110 mm | 120 mm | 130 mm |
Lenkwinkel | 65,1° | 65,1° | 65,1° | 65,1° |
Sitzwinkel | 76,1° | 76,1° | 76,1° | 76,1° |
Kettenstrebe | 445 mm | 445 mm | 445 mm | 445 mm |
BB Drop | 30 mm | 30 mm | 30 mm | 30 mm |
Radstand | 1.188 mm | 1.217 mm | 1.246 mm | 1.275 mm |
Reach | 426 mm | 451 mm | 476 mm | 501 mm |
Stack | 616 mm | 625 mm | 634 mm | 644 mm |
Ping-Pong – Das Propain Hugene auf dem Trail
Sobald sich der Trail in Richtung Tal windet, ist das Hugene von Weitem zu hören. Das laute Schlagen der Kette und das nervige Klappern der Leitungen sind ständiger Begleiter. Im ruppigen Downhill erfordert das Hugene eine hohe Konzentration und sehr genaue Linienwahl, um auf der Strecke zu bleiben. Denn bereits kleinere Einwirkungen auf das Vorderrad, wie Steine oder Wurzelfelder, sorgen durch die sehr steife Front für ein Fahrgefühl, was einem Flipper-Automaten ähnelt. Die Kombination aus sehr steifen Komponenten gibt Impulse direkt und ungefiltert an den Fahrer weiter und erfordert extrem schnelle Reaktionen. Das macht vor allem harte Trails zu einer Herausforderung und bringt auch geübte Fahrer an ihr Limit. Bikes wie das Canyon Spectral oder Nukeproof Reactor können hier mit Leichtigkeit vorbeiziehen und verzeihen mehr Fahrfehler. Der sehr breite Lenker zieht den Fahrer über die Front und so ist das Bike bei Highspeed, trotz der langen Kettenstreben, unruhig und erfordert permanent eine sehr aktive und wachsame Fahrweise.
Bergauf ist das Propain Hugene einer der besten Kletterer. Es ist bei offenem Dämpfer antriebsneutral und bringt die Power auf den Boden. Lediglich an Kanten muss wegen dem Kettenzug auf ein gutes Timing geachtet werden.
Tuning-Tipps: Für mehr Compliance im Konfigurator einen Alu-Laufradsatz auswählen | schmalerer Lenker (leider keine Option im Konfigurator) | schwere Fahrer sollten eine stärkere Bremse im Konfigurator wählen – z. B. eine Formula Cura 4 für denselben Preis | Slapper-Tape auf den Kettenstrebenschutz
Bei sehr langsamen Fahrmanövern und großen Kompressionen wird die extreme Steifigkeit zum Vorteil und das Bike lässt sich extrem präzise durch Kurven fahren und verwindet sich selbst bei einem Durchschlag kaum. Das Propain Hugene macht vor allem auf Flowtrails so richtig Spaß und liegt mit seinem agilen Handling auf einem Niveau mit dem YT IZZO. Es bietet geilen Gegenhalt in Anliegern und Sprüngen und kann die Geschwindigkeit gekonnt halten, da es nicht in seinem Fahrwerk versackt. Wellen pushen und Doubles springen machen so auch dank des niedrigen Gewichts richtig Bock.
Fazit
Der Propain-typische Konfigurator bietet super Möglichkeiten, sein Bike an die individuellen Vorlieben anzupassen. Bergauf ist das Hugene eine richtige Rakete und meistert auch steile Rampen mit Leichtigkeit. Im ruppigen Downhill ist das Bike selbst für geübte Fahrer eine Herausforderung, denn seine super steife Front sorgt für einen Ping-Pong-Effekt auf dem Trail. Hohe Geschwindigkeiten kosten enorm viel Aufmerksamkeit und erfordern einen erfahrenen Piloten. Bei langsamer Fahrt oder auf Flowtrails macht es hingegen richtig Spaß und kann mit gutem Gegenhalt aus dem Fahrwerk viel Geschwindigkeit behalten und verleitet zum Abziehen an Kanten.
Tops
- sehr umfangreicher Konfigurator
- Rakete bergauf
Flops
- sehr forderndes Handling bergab
- sehr laut im Downhill
- schlechte Lackqualität
Mehr Informationen findet ihr unter propain-bikes.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test
Alle Bikes im Test: Canyon Neuron CF SLX 9 (Zum Test) | Canyon Spectral 29 LTD (Zum Test) | Canyon Stoic 4 (Zum Test) | FOCUS THRON 6.9 (Zum Test) | Ibis Ripmo V2 (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 10K (Zum Test) | MERIDA NINETY-SIX 8000 (Zum Test) | Nukeproof Reactor 290C (Zum Test) | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Propain Hugene | RAAW Jibb XTR Build (Zum Test) | Rocky Mountain Instinct C70 (Zum Test) | Santa Cruz 5010 X01 (Zum Test) | Santa Cruz Tallboy CC X01 (Zum Test) | SCOTT Ransom 900 Tuned AXS (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper EVO (Zum Test) | Specialized S-Works Turbo Levo SL (Zum Test) | Trek Fuel EX 9.8 GX (Zum Test) | Trek Top Fuel 9.9 X01 (Zum Test) | Yeti SB115 TURQ3 (Zum Test) | YT IZZO BLAZE 29 (Zum Test)
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Peter Walker Fotos: Diverse