Das Propain Tyee CF hat in der Vergangenheit in unserem Vergleichstest bereits den Kauftipp gewonnen. Damals allerdings in Größe L und mit 29”-Laufrädern. Jetzt wollten wir wissen: Wie schlägt sich das Bike in S und mit 27,5”? Unsere Testfahrerin Toni zieht nach einer Saison Bilanz.

Propain Tyee CF | 27,5” | 170/160 mm | 14,02 kg | 5.051 € | Herstellerwebsite

Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude und bei Propain gibt es davon massig. Denn bereits der Bestellprozess macht richtig Spaß. Im eigenen Online-Konfigurator kann das Traum-Bike ganz nach den eigenen Vorlieben angepasst werden. Das von uns getestete Enduro-Modell Tyee besitzt 170 mm Federweg in Front und 160 mm am Heck. Es ist wahlweise mit 27,5”- und 29”-Laufrädern in den Größen S–XL erhältlich. Allerdings muss man bei den kleinen Rädern auf die Größe XL und bei 29” auf S verzichten. Das Bike ist sowohl als Carbon- als auch Alu-Variante erhältlich, wobei letztere rund 1 kg Mehrgewicht mit sich bringt. Propain hat den Dämpfer, anders als beim Vorgänger, jetzt vor dem Sitzrohr platziert und so besser vor Dreckbeschuss geschützt. Dennoch setzt das Rad noch immer auf einen PRO10-Hinterbau mit virtuellem Hinterbau und bietet noch immer die Möglichkeit, einen Flaschenhalter zu montieren. Weitere Montagepunkte, etwa für Werkzeug oder einen Schlauch, bietet das Tyee leider nicht. Propain setzt auf bekannte Standards wie z. B. ein geschraubtes Tretlager – das macht den Service einfach. Schade ist allerdings, dass die Rahmenprotektoren, z. B. an der Kettenstrebe, aus sehr hartem Kunststoff gefertigt sind und Geräusche kaum dämpfen. Auch die Zugverlegung unter dem Tretlager, sehr nahe am Hinterreifen, ist nicht ideal. In unserem Test kam es hier immer wieder zu Kontakt und dadurch zu nerviger Geräuschentwicklung. Defekte entstanden durch das Reiben am Reifen allerdings nicht. Propain hat bereits angekündigt, sowohl bei der Zugführung als auch bei den Rahmenprotektoren in Zukunft nachzubessern.

Die Ausstattung des Propain Tyee CF im Test

Wer sich für das Propain Tyee entscheidet, steht vor unzähligen Fragen. Die offensichtlichsten lauten: Welche Laufradgröße, welche Rahmengröße und welches Rahmenmaterial soll ich wählen? Während sich diese drei noch recht einfach beantworten lassen, wird es bei der Ausstattung schon schwerer. Grundsätzlich stehen drei vorkonfigurierte Pakete zur Verfügung. Doch man kann jedes der Pakete noch sehr umfassend nach den eigenen Vorlieben anpassen. Wem das nicht reicht, kann das Tyee auch komplett von Grund auf konfigurieren, sodass man den Rahmen nach und nach mit seinen Traum-Parts bestückt. Unser Tyee CF-Test-Bike schlägt mit einem Preis von 5.051 € zu Buche. Dafür erhält man jedoch ein absolutes Highend-Bike, das keine Wünsche offen lässt.

Wunschlos glücklich
Der Online-Konfigurator ermöglicht es, das Tyee ganz nach dem eigenen Budget und den eigenen Vorlieben zu konfigurieren. Genial!
Luft oder Stahlfeder?
Wir sind das Tyee in Größe S nur mit Luftdämpfer gefahren, Dieser hat unsere Testfahrerin überzeugt und macht das Rad sehr vielseitig. Wer viel auf harten Strecken unterwegs ist, für den lohnt sich der Griff zum Coil-Dämpfer, wie frühere Tests gezeigt haben.
Warum?
Es wäre einfach, das Sitzrohr einfach zwei Zentimeter zu kürzen. So könnten viele Fahrer eine längere Sattelstütze verbauen.
Nachgebessert
Leider ist der Kettenstrebenschutz serienmäßig super hart und dämpft kaum Geräusche. Hier sollte man mit einer extra Lage Tape nachbessern.

Ein erstklassiges RockShox Ultimate-Fahrwerk, mit einer Lyrik-Federgabel und einem Super Deluxe-Dämpfer – Check! Standfeste SRAM CODE RSC Bremse? Vorhanden! Eine X01 Eagle-Schaltung mit 10–52er Kassette? Natürlich verbaut. Abgerundet wird das Gesamtpaket von hochwertigen Stans Flow MK3-Laufrädern, einer Schwalbe-Reifenkombo, bestehend aus Magic Mary-Vorderreifen und Big Betty-Hinterreifen, einer BikeYoke REVIVE-Teleskopstütze und einem Sixpack-Cockpit. Allerdings sollte der mit 805 mm extrem breite Lenker unbedingt gekürzt werden. Unsere 160 cm große Testerin hat sich hier für 770 mm entschieden. Ein schmaleres Modell lässt sich im Konfigurator nicht wählen.

Perfekt abgestimmt
Die RockShox Lyrik liefert im Tyee eine hervorragende Performance ab und begeistert mit ihrem feinfühligen Ansprechverhalten. Sie verwaltet den Federweg hervorragend und liefert viel Grip und Kontrolle.
Nervig!
Die Zugführung unterm Tretlager ist leider nicht optimal gelöst. In unserem Test streiften die Züge immer wieder am Reifen. Beschädigungen entstanden zwar keine, aber das Schleifgeräusch nervt!

Die Geometrie des Propain Tyee CF 27,5” im Detail

Wie bereits erwähnt, bietet Propain das Tyee mit 27,5”-Laufrädern in drei Größen an. Mit einer Körpergröße von 160 cm fiel die Wahl direkt auf das Bike in Größe Small. Betrachtet man die Geometrie, wirkt diese auf Anhieb super ausgewogen, modern und stimmig. Der Reach beträgt lange 431 mm, der Lenkwinkel ist 64,5° flach. Ein steiler 76,6° Sitzwinkel positioniert einen bergauf angenehm zentral im Rad. Störend empfinden wir nur das unnötig lange Sitzrohr mit 420 mm. Wäre es etwas kürzer, könnte man problemlos eine 150 mm lange Sattelstütze statt dem 125er-Modell verbauen. Das Tretlager ist um 10,5 mm abgesenkt, wodurch man angenehm im Rad stehen sollte, die Kettenstreben sind 430 mm kurz. Das sollte für eine ausgewogene Lastverteilung aus Hauptrahmen und Hinterbau sorgen.

Größe S M L
Oberrohr 575 mm 597 mm 620 mm
Steuerrohr 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 64,5° 54,5° 64,5°
Sitzwinkel 76,6° 76,6° 76,6°
BB Drop 10,5 mm 10,5 mm 10,5 mm
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm
Radstand 1182 mm 1206 mm 1230 mm
Reach 431 mm 451 mm 471 mm
Stack 602,5 mm 611,5 mm 620,5 mm

Das Propain Tyee auf dem Trail

Wohlfühlen, Spaß, und Vollgas – so beschreibt man das Propain Tyee mit drei Worten. Einmal aufgestiegen, fühlt man sich schon direkt beim Start der Tour super wohl. Die Sitzposition auf dem Tyee ist komfortabel und zentral. Man sitzt aufrecht und – egal wie steil der Anstieg auch wird –, man hat nie den Eindruck zu weit über dem Hinterrad zu sitzen. Das Fahrwerk ist bergauf angenehm antriebsneutral und den Griff zum weit entfernten und verbauten Verstellhebel der Plattformdämpfung kann man sich getrost sparen. Technische Uphills meistert das Tyee mit einem guten Mix aus Traktion und Vortrieb und seinem berechenbaren Handling souverän. Auch bei niedrigen Geschwindigkeiten bergauf ist das Rad super kontrollierbar und fährt genau dahin, wo man es möchte. Das Tyee klettert für ein Enduro-Bike richtig gut und bringt seinen Fahrer entspannt zum Trail-Einstieg.

Klein, aber oho!
27,5” ist doch noch nicht tot und macht bei Rahmengröße S durchaus Sinn. Die kleinen Laufräder lassen sich von kleinen Fahrern deutlich besser kontrollieren.

Seien wir ähnlich: Wenn ein Enduro-Bike gut bergauf klettert, ist das nice, aber wirklich entscheidend ist, wie es sich bergab schlägt. Die gute Nachricht zuerst: Auch hier überzeugt das Tyee. Doch wie schafft es das Rad? Da ist zum einen das ausgewogene Handling. Wie schon bergauf, macht das Propain auch bergab genau das, was man will. Lenkimpulse werden direkt umgesetzt. Die Gewichtsverteilung zwischen den Laufrädern ist top. Dadurch hat man immer guten Grip an beiden Reifen. Selbst in offenen Kurven ist die Kontrolle über das Vorderrad klasse. Das bringt viel Selbstvertrauen und macht das Handling berechenbar. Erfahrene Fahrer können mit voller Kontrolle das Heck driften lassen. Wird das Gelände steil, steht man super integriert im Rad und fühlt sich sehr sicher. Die kleinen Laufräder sind für kleine Fahrer kein Nachteil. Im Gegenteil: Nach einigen Experimenten mit 29”-Laufrädern ist Toni sich sicher, mit 160 cm Körpergröße bei einem Rad mit viel Federweg besser auf 27,5” zu setzen. Mit 29” wurden die Bikes für sie oft zu behäbig und schwer zu kontrollieren.

Voll am Limit! Durch die Kontrolle motiviert das Tyee seinen Fahrer dazu, die Limits voll auszuloten – und manchmal darüber hinauszugehen.

Diese erstklassige Balance, die schon die Geometrie des Tyee bietet, setzt sich auch beim Fahrwerk fort. Häufig sind Bikes entweder sehr satt, dann aber oft träge, oder sie sind spritzig, geraten dann aber schnell aus der Ruhe. Das Tyee vereint hier nur die positiven Eigenschaften in sich. Sein Hinterbau begeistert mit viel Traktion und Kontrolle auf harten Abfahrten, arbeitet aber lebendig und bietet guten Gegenhalt, wenn der Trail einmal flowiger wird. So gelingt dem Bike ein sehr großer Spagat aus Agilität und Laufruhe, aus Kontrolle und Fahrspaß. Kritik gibt es nur bei sehr schnell aufeinanderfolgenden, harten Schlägen. Hier kommt der Hinterbau manchmal nicht ganz mit und gibt sie dann an den Fahrer weiter. Ein Sprichwort sagt ja, dass leise Bikes schneller sind, als solche, die viele Geräusche machen. Um das Propain richtig leise zu bekommen, sollte man am Kettenstrebenschutz mit einer extra Lage Slapper-Tape nachhelfen. Der originale Kettenstrebenschutz ist zu hart. Auch nach einer Saison im Dauertest leistete sich das Tyee bei uns keine Schwächen. Die Lager liefen bei unserer kleineren Testerin noch rund, Knarzen oder nerviges Knacken trat keines auf.

Unser Fazit

Das Propain Tyee hat unsere Testerin Toni überzeugt. Nach einer Saison im Dauertest ist sie begeistert von der Vielseitigkeit des Enduro-Bikes. Das Tyee klettert klasse bergauf und sorgt bergab dank seines ausgewogenen Handlings und dem top Fahrwerk auf jeden Trail für ein dickes Grinsen im Gesicht. Getrübt wird der sehr positive Gesamteindruck nur vom etwas zu langen Sitzrohr, der Zugführung unterm Tretlager und dem harten Kettenstrebenschutz. Letztlich würden uns diese Faktoren aber nicht vom Kauf abhalten.

Tops

  • super ausgewogenes Handling
  • begeistert mit Fahrspaß und Kontrolle zugleich
  • fairer Preis und voll konfigurierbar

Flops

  • Sitzrohr unnötig lang
  • zu harter Kettenstrebenschutz
  • Zugführung unterm Tretlager

Mehr Informationen: Hersteller-Website


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Text: Antonia Buckenlei Fotos: Christoph Bayer