Halbwilde Hund, schlechte Straßen, Korruption sind wahrscheinlich die ersten Wörter, die einem zu Rumänien einfallen. Mal abgesehen von den Hunden, findet man das auch in Deutschland, wenn man sucht. Was man eigentlich in Rumänien findet, sind atemberaubende Landschaften, sehr freundliche Leute und jungfräuliche Trails.

Die Saison neigte sich langsam dem Ende, aber irgendwie fehlte in diesem Jahr noch das gewisse Etwas. Ein Erlebnis fürs Fotoalbum, ein Trip, über den wir uns in 5 Jahren noch unterhalten werden, eine unbekannte Destination, welche unserer vollen Aufmerksamkeit bedarf. Kurzer Hand grasten wir das Internet nach noch ausstehenden Rennen ab, die sich mit ein paar Tagen Trailbiken verlängern lassen würden. Gesucht – gefunden! Carpathian MTB EPIC war der verheißungsvolle Name und der Claim „Wild, Rugged, Epic!“ ließ einiges erwarten. Es ging also nach Rumänien. Da wir eh ein Wenig dem Osten verfallen sind, war die Vorfreude auf diesen Trip umso größer und das Reiseziel für uns noch nahezu unbekannt.

Pünktlich um 04:30 waren wir am Packen und der Trip begann.

Die knapp 1400 Kilometer lange Strecke durch die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn bis in die Mitte von Rumänien schreckte zwar auf den ersten Blick ab, ließ sich aber dann doch mit drei Fahrern, guter Laune und wenig Verkehr entspannt abspulen.

Gängige Verkehrsteilnehmerin in Rumänien: die Rosi.
Letzte Pinkelpause mit Fahrerwechsel – bei diesen Straßen muss der Fahrer hochkonzentriert sein.

Nach 15 Stunden angekommen, wurden wir herzlichst empfangen und schlugen uns beizeiten in die Federn. Den nächsten Tag nutzten wir, um uns erstmal etwas umzuschauen und mit der Umgebung vertraut zu machen.

Für ein reichhaltiges Frühstück war gesorgt – das gibt Tinte auf den Füller!

Echte Fleischliebhaber haben hier ihr Paradies gefunden, sowohl zum Abendessen als auch zum Frühstück gibt es Fleisch in verschiedensten Variationen, aber keine Angst, auch der süße Gaumen kommt auf seine Kosten. Nach dem reichhaltigen Frühstück waren wir eigentlich so fertig, dass wir uns am liebsten wieder hingelegt hätten … aber nix da, ab auf die Hobel und ne Runde gedreht. Da wir schon oben waren, ging unsere Runde erstmal gut los und wir suchten nach einem einladenden Trail ins Tal. Kurz nach der ersten Hundeattacke (die wollten doch nur spielen) hatten wir unseren Weg – und was für einen! Der Einstieg war steil und wurzelig und lud fast zum carven ein. Danach öffnete sich der Wald und wir hatten eine fantastische Aussicht. Weiter durch den Hang schlängelnd, etwas tricky über sehr freiliegende Baumwurzeln, mit einem Drop in ein ausgewaschenes Flussbett … wo sind wir? Egal, es war der Hammer!

Race Day! Auf der Fahrt noch 26 Grad im ungarischen Flachland, hatte es quasi über Nacht einen kleinen Wetterumschwung gegeben und die Temperaturen in den Keller getrieben. Heut stand aber zum Glück erstmal „nur“ der Prolog auf dem Plan, und das auch erst ab 16:00 Uhr. Also genug Zeit, den Tag gemütlich anzugehen. Nach dem Mittag holten wir unsere Startunterlagen, machten die Bikes ready to race und begaben uns zum einrollern auf die 6km Prologrunde. Was wir da geboten bekamen war nicht von schlechten Eltern und machte definitiv Lust auf mehr! Knackige Anstiege rund um das örtliche Biathlonstadion gepaart mit wilden aber genialen Abfahrten. Dann war es soweit, 16:28 und der Countdown lief – 5…4…3…2…1…GO! 6200 Meter, 14‘43“, brennende Schenkel und Blutgeschmack im Mund – masochistische Veranlagung von Vorteil!

Am Ende war die Platzierung mittelmäßig, aber wir waren da, um Trails zu ballern und das Land zu erkunden. Nach einer kurzen regenerierenden Massage durch die renneigenen Physios, war in der Chillout-Area ein kleines Buffet aus regionalen Leckereien zum Snacken aufgebaut. Dazu ein herrliches Lagerfeuer und wir fühlten uns direkt heimisch. Anschließend ging es dann entspannt zur Pasta- alias Fleischparty. Okay, es gab auch ein bisschen Reis und Nudeln, dazu ein Exportbierchen von einem der Eventsponsoren und die Stimmung war sehr gediegen. Ein kurzes Meeting zur folgenden Etappe und die Tagessiegerehrung rundeten den Tag ab. „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett …“ – unser Filmklassiker auf Etappenrennen ist „96 Hours“ mit Action-Opa Leam Neeson, und dann waren auch schon die Lichter aus.

Am nächsten Morgen ging es in aller Frühe mit dem Bus zum Startort der ersten richtigen Etappe. Die Bikes waren bereits verladen und so konnten wir nach dem Frühstück direkt einsteigen. Die Zeit gab es her, noch ein kleines Nickerchen im Bus zu halten, bis es dann wieder hieß, „all riders to the start!“ Etwas ehrfürchtig vor dem was kommen sollte – 1500 hm am Stück und 0 Grad auf dem Plateau des Buceci – versuchten wir uns nicht allzu verrückt zu machen und unser Tempo zu fahren. Je höher wir kamen, desto dünner wurde die Fauna, es wurde kälter und irgendwann so neblig, dass man kaum noch folgende oder vorausfahrende Mitstreiter sah und die Temperaturen waren tatsächlich am Gefrierpunkt. Jetzt nur keine Panne haben und ordentlich futtern, damit die Engine nicht ausgeht!

Auf dem Gipfel war der Nebel so dicht, dass man kaum den Vordermann sah.

Lutz, unsere größte Frostbeule und zugleich bestes Pferd im Stall, hatte dennoch Pech und zog sich einen Platten am Vorderrad zu, als er den höchsten Punkt passierte. Handschuhe aus, Kartusche raus, Schlauch rein und taub sind die Griffel. Danach ging es dann zu dritt über einige Auf und Abs, bis die 45 Minuten lange Abfahrt kam. Das ist, was zählte! Als gäb‘s kein morgen mehr heizte Alex die Wiesenhänge hinunter. Danach folgten einige Hundert Meter Almentrails gespickt mit Felsen bis wir die Baumgrenze erreichten. Immer noch straff am Gas, verzockte Alex in einer Kurve und schlitzte sich den Reifen auf – Shit happens. Der Riss war zu groß für die Latexflocken, also Hinterrad raus, Schlauch rein und weiter geshreddet. Was für ein Downhill!

Landschaft, wie sie imposanter kaum sein könnte.

Vom alpinen schroffen Wanderweg, über Weiden, auf flowigen und wurzeligen Nadelwaldtrails bis hin zu welligen Hirtenwegen – “gute Wege, waren geile Bretter dabei”, wie Assi Toni sagen würde. Doch dann, ein kurzer Moment Unachtsamkeit und BAAM! Alex hatte eine Längsrille nicht gesehen und überschlug sich in voller Fahrt. Glücklicherweise ist weder ihm noch seinem Bike etwas passiert. Kurz geschüttelt und dann ging es weiter. Den Schlussanstieg von 400hm kurbelten wir dann gemeinsam hoch und ließen den Tag nochmal kurz Revue passieren. Krasse Bedingungen, hammer Strecke! Jetzt erstmal aufwärmen und regenerieren…

Warme Dusche oder futtern? Beides!
Die Massagen sind Gold wert

In der Nacht zog ein heftiges Gewitter über uns hinweg und wir sahen schon die zweite Etappe vor uns wegschwimmen. Am Morgen war es diesig und feucht, aber nicht mehr ganz so kalt wie am Vortag. Also, Regenjacke an und los gepeitscht. Die Jungs und Mädels der slowakischen Nationalmannschaft machten wieder ordentlich Druck und waren für Alex und Flo nicht zu halten. Lutz versuchte die ersten 10 Kilometer dran zu bleiben, musste dann aber auch einen Gang runterschalten, um seine gute Platzierung bis ins Ziel zu halten. Die Strecke führte durch kleine urige Dörfer, Schafweiden hinunter und durch schroffe Karstgesteintäler. In einer ca. 3km langen Zwischenabfahrt ging es zügig einen Kalkschotterweg hinab, wie wir es von diversen Transalps gewohnt waren. Der Unterschied hier war nur, dass es unerwartet Abschnitte gab, in denen sich der grobe Kies in Felsbrocken mit 30-50cm Durchmesser änderte und wir kurzerhand eine neue Disziplin erfinden mussten: XC-Trial.

Erst schneller Schotterweg, dann Felsenpassage mit 50cm großen Brocken.

Ja, mit Überraschungen geizten die Rumänen nicht, und das war es auch, was wir so schätzten. Bis der ausgeschilderte Weg plötzlich an einem Fluss zu ende schien. “Scheiße, verfahren!” wetterte Flo, während Alex eine Markierung auf der anderen Seite des Flusses entdeckte. “Komisch, da drüben ist nur ein Zaun aber kein Weg…” beim Blick den Fluss hinunter sahen wir eine weitere Markierung und uns war schnell klar, dass wir nicht am, sondern im Fluss fahren sollten. Zähne zusammenbeißen und rein in die kalte Brühe – waren immerhin 12°C draußen. An der nächsten Markierung angekommen und ausgestiegen, sahen wir den nächsten Pfeil wieder auf der anderen Seite. Es folgten daraufhin noch etwa zehn weitere Flussdurchquerungen.

Immer im Fluß lang, da kann man sich nicht verfahren!

Die Füße waren nun nass und kalt – egal, wegen so etwas sind wir ja eigentlich hier! Im nächsten Dorf ging es dann wieder auf eine Schotterstraße. Etwas skurril waren die S-Klasse, der Porsche und der 7er BMW, gefolgt von einem Pferdefuhrwerk, welche uns in dem Sackgassendorf entgegen kamen, in dem sonst nur alte Holzhütten standen. Ein paar Meter weiter und Alex hatte einen Platten. Neben uns hielt ein Motocrosser vom Filmteam und packte seine RED-Cam aus. Sekunden später, der nächste Anhalter. Ein paar Gypsies sprangen aus einem alten Hundefänger und fingen sofort an zu plappern. Der Kameramann war darüber weniger erfreut und meinte auf rumänisch sie sollen sich verpissen. Wir flickten indes schnell und fuhren noch die letzten 5km ins Ziel – was für ein Tag?!

Mit dem Ziel vor Augen gibt’s kein Halten mehr

An dem Tag fackelten wir nicht mehr lange. Eine heiße Dusche, was zwischen die Kiemen und dann ab ins Bett. Auch die letzte Etappe war nicht zu unterschätzen, allerdings wussten wir schon auf welchen Downhill wir uns definitiv freuen konnten.

Ein Hügel am anderen und kein Ende in Sicht

Nach der kurzen Abfahrt von unserem Hügel sollte es wellig ansteigen. Die Wellen entpuppten sich teilweise als so steil, dass man schon mit schieben bzw. tragen seine liebe Mühe hatte, irgendwie Halt im Hang zu finden. Nach einigen Auf und Abs kamen wir an der Scharte an, die wir schon auf der ersten Etappe durchquert hatten. Die Abfahrt war nun noch besser und sogar ein Stück nach hinten verlängert. Nur die letzte Asphaltrampe blieb uns nicht erspart. Geschafft! Drei Etappen und ein Prolog – klingt nicht viel, aber die neuen Eindrücke haben uns überrumpelt. Am Abend gab es dann noch großes Abschlussbuffet mit diversen bierhaltigen Getränken.

Die anschließenden 4 Tage im rumänischen Outback mit kanadagleichen Trails haben wir uns jetzt aber so richtig verdient. Wie es dann wirklich war, erfahrt ihr in Kürze.


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Text: Florian Schön Fotos: Alexander Stark, Florian Schön, Carpathian MTB Epic