Es sind diese besonderen Momente, an die man sich am Ende einer langen Radsaison erinnert. Bei Sonnenaufgang auf einem einsamen Berggipfel stehen, durch einen mystischen, nebelverhangen Wald heizen oder die eigene Angst vor einem großen Sprung überwinden. All diese Momente haben wir erlebt, geballt an einem Tag: in Saalbach Hinterglemm.

Fast jeder Biker in Europa kennt den Bike-Hotspot Saalbach Hinterglemm – und das aus gutem Grund. Zu einer Zeit, in der die meisten anderen Regionen noch über Verbotsschilder gegen die vermeintlich wilden Biker nachdachten, hat Saalbach bereits das Potenzial erkannt und ein komplettes Konzept für Mountainbiker entwickelt. Über die Jahre wurde die Region immer bekannter, beliebter und frequentierter. Mittlerweile haben sich Trails, wie die Pro-Line und X-Line oder der Hacklberg-Trail, zu absoluten Klassikern entwickelt. Die BIG-5-Challenge, auf der man auch einen Abstecher in den Bikepark Leogang unternimmt, ist ein echtes Must-do, das an der Strecke gelegene Spielberghaus hat Kult-Status und ist zugleich das Elternhaus des Downhill-Nachwuchsstars Vali Höll. Doch auch wenn man nicht nur einen Run nach dem anderen in den Berg brennen will, sondern lieber in ruhiger Abgeschiedenheit eine Tour fahren möchte, hat die Region einiges zu bieten.

Es ist fünf Uhr morgens, sprich viel zu früh, und ich frage mich, warum zur Hölle ich mich gerade nach drei Bier am Vorabend immer zu den abenteuerlichsten Ideen überreden lasse. „Lass uns doch mal zum Sonnenaufgang auf den Berg“, klingt im ersten Moment super. Allerdings zweifelt man spätestens beim Piepen des Weckers an der Richtigkeit der Entscheidung. Hilft aber nichts, abgemacht ist abgemacht, und so pedalieren wir nur kurze Zeit später zu dritt von unserem bike’n soul Hotel die Forststraße bergauf. Wir, das sind Kathi Kypers, Rob Heran und ich. Alle drei echte Saalbach-Routiniers, die bereits des Öfteren ins Glemmtal gereist sind. Rob veranstaltet seit Jahren in Saalbach sein Premium-Bike-Camp, bei dem er mit rund 100 Kids eine Woche lang die lokalen Trails erkundet. Kathi ist ebenfalls öfter vor Ort, für Fotoshootings, das GlemmRide Bike Festival oder einfach nur für ein entspanntes Wochenende mit Freunden. Das Trek Gravity Girl steht auf Airtime und Flow – die Pro-Line ist ihre zweite Heimat. Auch ich bin öfter hier, meist für einen oder zwei Tage und vorwiegend auf den Klassikern wie Hacklberg-Trail oder Bergstadl-Trail.

Heute aber: komplett anders! Auf der gegenüberliegenden Seite des Schattbergs geht es – statt mit dem Lift – aus eigener Kraft zum Einstieg des Hochalm-Trails. Wer will, kann hier rund 400 der insgesamt 800 Höhenmeter sparen und von der Mittelstation der Reiterkogelbahn ausgehend queren – allerdings fällt diese Option für uns flach, denn der Wecker der Bergbahn hat im Morgengrauen noch nicht geklingelt. Uns jedoch bieten sich beim entspannten Pedalieren Blicke über die grandiose, noch komplett stille und verschlafene Landschaft, die ganz langsam in leicht rötliches Licht getaucht wird. „Sind wir zu spät?“ Die Frage kreist in unseren Kopf. Es wäre ja furchtbar schade, extra früh aus dem Bett zu steigen, um dann den Gipfel genau entscheidende 10 Minuten zu spät zu erreichen. Doch es passt, und wie! Kurz bevor die Sonne im Osten über die Berggipfel kriecht, erreichen wir ein kleines Gipfelkreuz knapp oberhalb des offiziellen Startpunkts des Hochalm-Trails. Einfach atemberaubend, der Himmel ist in allen Rottönen getränkt und plötzlich blenden uns die hellen Strahlen. Das Tal dagegen ist wolkenverhangen und während die meisten in einen vermeintlich grauen Tag starten, genießen wir die warmen Strahlen der Sonne.

Nur ein Bike-Park? – In Saalbach gibt es weit mehr als nur die bekannten Strecken zu entdecken

Wären wir vom Uphill und der damit verbundenen Anstrengung nicht ohnehin schon wach, so wären wir es spätestens nach den ersten Metern bergab. Der Morgentau liegt noch auf den Steinen und verleiht dem flowigen Trail eine gewisse extra Würze. Schnell geht es dahin, dabei haben wir es doch eigentlich gar nicht eilig. Denn je weiter wir Richtung Tal fahren, umso näher kommen wir dem Nebel. Jede Kurve bringt uns allerdings auch dem Frühstück ein Stückchen näher, und so lassen wir die Bremsen offen und wärmen uns nur kurze Zeit später bei einer heißen Tasse Kaffee die Finger.

Der Tag hat eigentlich gerade erst begonnen und wir haben schon einiges erlebt. Dabei soll es aber nicht bleiben. Gut, dass es in Saalbach Hinterglemm die Joker-Card gibt. Die Vorteilskarte erhält jeder, der in einem entsprechenden Partnerbetrieb übernachtet. Mit ihr kann man die Lifte kostenlos nutzen und erhält auch sonst noch etliche Vergünstigungen – genial! Auch wir nutzen das Angebot und rollen nach dem Frühstück Richtung Kohlmaisbahn, um von dort aus den Wurzel-Trail in Angriff zu nehmen. Der Trail ist ein absoluter Klassiker der Region, steht aber im krassen Kontrast zu all dem, was man sonst so vorfindet. Den Flow findet man hier nicht in perfekt geshapten Anliegerkurven, sondern nur dann, wenn man eine Linie im Meer aus Wurzeln entdeckt. Während wir den Hang in Richtung Milka-Line queren, ziehen immer wieder Wolken vom Tal den Berg hinauf und bescheren uns den zweiten unvergesslichen Moment an diesem Tag.

Doch wir haben noch nicht genug, schließlich sind aller guten Dinge drei. Und so fahren wir nach einem schnellen Snack direkt zum nächsten Lift. Mit dem Schattberg-Express geht es auf den gleichnamigen Berg. Hier gibt es drei Möglichkeiten: Entweder direkt über die X-Line bergab, oder nochmal kurz bergauf pedalieren und dann entweder auf den legendären Hacklberg-Trail oder den Bergstadl-Trail einbiegen. Wir wählen Option drei und gönnen uns als Abschluss des Tages den wohl abwechslungsreichsten und spannendsten Trail der Region: Zunächst durch flowige Anlieger, dann über kleinere Sprünge und dann technisch über Wurzeln und Steine bergab. Der Bergstadl-Trail ist unser Highlight und verkörpert all die Vielfalt, die Saalbach bietet. An seinem Ende findet sich die gleichnamige Hütte, eine von vielen in der Region. Bei einem super leckeren Kaiserschmarrn lassen wir den Tag ausklingen – What a day!

Wie neu – der Hacklberg-Trail wurde für das Saison-Opening 2019 überarbeitet

Unsere Tour ist nur ein Beispiel dafür, wie ein perfekter Tag in Saalbach Hinterglemm aussehen kann. Dank Joker-Card, vier Bergbahnen, dem benachbarten, angebundenen Bikepark Leogang und vielen weiteren Freizeitaktivitäten, wie z. B. ausgewiesenen Wanderrouten, Flying Fox, Freibad, Spielplätzen, Canyoning, Hochseilgarten und Erlebnis-Parcours, sind die Möglichkeiten nahezu endlos. Auch Nicht-Biker und Familien kommen hier voll auf ihre Kosten.


Anreise

Am besten mit dem eigenen PKW. Saalbach ist rund 2,5 h von München entfernt. Alternativ Flug nach Innsbruck, Salzburg oder München.

Übernachtung

In Saalbach Hinterglemm gibt es unzählige Hotels und Ferienwohnungen verschiedener Preisklassen. Wir können die bike’n soul Hotels empfehlen, sie sind bestens auf die Bedürfnisse von Bikern eingestellt und begeistern mit Freundlichkeit und super Service.

Beste Reisezeit

Mai–Oktober (im Sommer laufen die meisten Lifte und das volle Programm ist nutzbar)

Mehr Informationen findet ihr unter saalbach.co und bike-n-soul.at

Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #038

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