Mit dem Reifen Albert bricht Schwalbe ein neues Kapitel an. Denn es ist nicht nur der erste Reifen im neuen Design, auch im Inneren hat sich viel getan: Die neue Radial-Karkasse soll so komplett neue Fahreigenschaften liefern. Wir haben den Reifen bereits ausgiebig getestet und sagen euch, ob das stimmt.

Schwalbe Albert | Radial Gravity-Karkasse | 1.328 g | 79,99 € | Hersteller-Website

Eure Reifen sollten beim Mountainbiken die einzigen Kontaktpunkte zum Boden sein und sind somit eins der wichtigsten – allerdings oft stark unterschätzten – Teile am Bike. Denn ein guter Reifen liefert euch viel Verzögerung beim Bremsen, guten Grip in den Kurven und ist zudem ein sehr wichtiger Teil der Federung und Dämpfung.
Einer, der alle Anforderungen kennt, ist der deutsche Reifenhersteller Schwalbe. Seit 1973 entwickelt das Unternehmen Reifenmodelle und wird nicht müde, die Messlatte immer weiter nach oben zu schrauben. Nun betritt der Schwalbe Albert-Reifen den Markt. Er soll die Lücke schließen zwischen dem klassischen Vorderreifen, dem Magic Mary, und dem neuen Allrounder, dem Tacky Chan, und als Allrounder für Vorder- und Hinterreifen funktionieren. Zunächst wird der neue Schwalbe Albert nur in der 79,90 € teuren Pro-Version erhältlich sein, bald soll jedoch auch ein günstigeres Modell nachkommen. Zudem will Schwalbe sein Line-up vereinfachen und geht dafür mit dem Albert den ersten Schritt. Mit 1.328 g hat er nahezu das gleiche Gewicht wie die vergleichbaren anderen Modelle im Portfolio. Zusätzlich kommt ein E-Bike-spezifischer Reifen namens Shredda auf den Markt, der mit seinem extremen Profil maximalen Grip im Up- und Downhill bieten soll. Doch die bedeutendste Neuerung ist ohne Frage die neue Radial-Karkasse, die den bisher nicht möglichen Spagat schaffen will: weiches Rollgefühl mit viel Kontaktfläche zum Boden bei gleichzeitig starker und stabiler Seitenwand.

Die neuen Schwalbe MTB Reifen: Albert und Shredda

Die beiden neuen Schwalbe-Reifen, die ausschließlich mit der neuen Radial-Karkasse (dazu später mehr) ausgeliefert werden, hören auf die Namen Albert und Shredda. Damit bringt Schwalbe nicht nur ein neues Design, sondern geht auch weg von den zweiteiligen Namen, die so lange typisch für den deutschen Hersteller waren. Die Gummimischungen bleiben erhalten und behalten sowohl ihre Namen als auch die Farbmarkierung, die eindeutig macht, um welchen Compound es sich handelt.

Der große Fokus liegt dabei klar auf dem Albert, dessen Profil speziell für die neue Karkasse und die damit einhergehende größere Verformung der Lauffläche entwickelt wurde. Die Art der Anordnung der Stollen ist der des Magic Mary gar nicht unähnlich. Allerdings liegen die Stollen des Albert näher aneinander und die Seitenstollen sind deutlich kürzer, was dem Reifen ein geschlosseneres, rundes Profil verleiht. Das soll am Vorder- wie auch Hinterrad viel Kontaktfläche mit dem Boden und somit guten Grip in allen Situationen liefern – durch den kleineren Abstand der Stollen am besten bei trockenen Bedingungen. Der Albert wird in 2,5” und 2,6” Breite angeboten, sowohl in Soft- als auch in Ultra Soft-Gummimischung und mit Trail- oder Gravity-Karkasse. Die Wahl zwischen 29” und 27,5” habt ihr natürlich auch.

Geht es um E-Mountainbikes, rollt der Shredda auf die Bühne. Er bietet ein extrem grobes Profil mit langen Stollen, das von Motocross-Reifen inspiriert ist und am E-Bike bergauf sowie bergab maximale Traktion verspricht, vor allem in weichem Boden. Ein geringer Rollwiderstand war mit den langen, weit auseinanderliegenden Stollen eindeutig nicht das Ziel der Entwicklung. Angeboten wird der Shredda als Variante für Vorder- und Hinterrad, allerdings nur in 29”, 2,6” Breite, Gravity-Karkasse und Ultra Soft-Gummimischung.

Schwalbe Shredda Front
Schwalbe Shredda Rear

Die neue Radial-Karkasse des Schwalbe Albert MTB Reifens

Die neue Schwalbe Radial-Karkasse setzt auf den gleichen Aufbau wie die bekannten Karkassen von Schwalbe, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Anders als bei den anderen Reifen im Schwalbe-Portfolio und denen anderer Hersteller verlaufen die Fäden nicht im 45° Winkel von einer Reifenwulst zur anderen, sondern nahezu im 90°-Winkel. Daher kommt auch der Name der Karkasse, da die Fäden radial um die Rundung des Reifens laufen – also den kürzesten Weg zwischen den beiden Wülsten haben. Diesen Aufbau kennen wahrscheinlich die meisten von ihren Auto-Reifen, wo dieser Aufbau inzwischen Standard ist. Bei MTBs hat man es bisher allerdings noch nicht gesehen, denn reine Radial-Karkassen haben nur mit einer Draht-Wulst die nötige Stabilität. Schwalbe hat deshalb einen etwas flacheren Winkel gewählt – welcher genau, ist natürlich ihr Geheimnis. Klar ist jedoch: Die Fäden haben durch den stumpferen Winkel weniger Überlappung miteinander, wodurch im Reifen beim Verformen eine deutlich geringere Reibung entsteht. Das soll dann ein weicheres Fahrgefühl geben, ohne dass die Seitenwand-Stabilität und Durchschlagschutz beeinträchtigt werden. Die stärkere Verformung des Reifens mit der neuen Karkasse bedingt allerdings auch einen etwas erhöhten Rollwiderstand. Laut Schwalbe soll der Albert allerdings dank seinem Profil mit Radial-Karkasse den gleichen Rollwiderstand haben wie ein Magic Mary mit der alten Karkasse. Die neue Radial-Karkasse wird zunächst an den beiden neuen Modellen, Albert und Shredda, verbaut. Zukünftig wird aber auch der beliebte Vorderreifen Magic Mary mit der neuen Karkasse erhältlich sein. Abgesehen von der Laufrichtung der Karkassen entspricht der Aufbau der Radial-Karkasse dem der bekannten Super Trail- und Super Gravity-Karkassen.

Der neue Schwalbe Albert MTB Reifen auf dem Trail

Wir sind den neuen Schwalbe Albert MTB-Reifen bei der Produktvorstellung in Finale Ligure auf den bekannten schnellen und steinigen Trails gefahren. Dabei haben wir nicht nur Runs auf Trail-Klassikern der Region wie Ingegnere oder Toboga di Canova gemacht. Vielmehr ging es darum, einen vollen Tag Back-to-back-Tests auf einer festgelegten Teststrecke abzuspulen, um den neuen Albert gegen den Magic Mary und auch die neue Radial Gravity-Karkasse gegen die bekannte Super Gravity-Karkasse zu testen. Im Anschluss haben wir die Reifen noch einige Bikepark-Tage über unzählige Laps gejagt, um die Unterschiede detailliert herausstellen zu können. Dabei sind wir den Albert in Ultra Soft-Gummimischung an der Front gefahren und in Soft am Heck.

Startet man mit dem Albert mit Radial Gravity-Karkasse auf den Trail, fühlen sich die Reifen bereits auf den ersten Metern deutlich softer an als das Pendant mit Super Gravity-Karkasse. Dadurch folgt der Reifen dem Untergrund besser, spricht deutlich sensibler auf kleine Schläge an und dämpft Vibrationen vom Trail spürbar ab. Vor allem am Vorderrad ist das deutlich zu spüren und durch die verringerten Vibrationen ist es spürbar weniger anstrengend für die Hände. In ruppigen Passagen werden seitliche Schläge besser gedämpft und man wird nicht so schnell von der Line geworfen, wodurch sich die Laufruhe des Bikes deutlich verbessert. Auch nach Sprüngen spürt man eindeutig, dass der Reifen nachgiebiger ist und man landet mit den Albert-Reifen wie auf einem Wattebausch. Denkt man noch bei der ersten Millisekunde der Landung, dass man bis auf die Felge durchschlägt, ist die Dämpfung dann aber sehr progressiv und der Reifen hält stand. Das Fahrgefühl entspricht insgesamt dem, wenn man mit Tire-Inserts unterwegs ist – nur ohne das zusätzliche Gewicht. Ein Unterschied ist allerdings, dass die Radial-Karkasse euch keinen erhöhten Durchschlagschutz bietet – im Gegenteil. Denn Seitenwandstabilität und Felgenschutz kommen nicht ganz an an die der Super Gravity-Karkasse heran, wenn man den Albert mit dem gleichem Druck fährt. Außerdem kann sich der Reifen auf Sprüngen oder in starken Kompressionen etwas ungewohnt anfühlen, da er zunächst deutlich mehr nachgibt und somit auch ein anderes Rebound-Verhalten hat. Allerdings ist das durch leichtes Erhöhen des Reifendrucks schnell behoben. Wir sind mit dem neuen Albert nach einigem Experimentieren etwa 0,1 bar mehr an Front und Heck gefahren, damit haben wir etwa gleiche Karkassenstabilität und immer noch ein deutlich gedämpftes Fahrverhalten mit all seinen großen Vorteilen.

Das Profil des Albert zeigt gute Allround-Eigenschaften und hat sich in einer Vielzahl von Bedingungen bewährt. Im Vergleich zum Magic Mary bietet er ein entspannteres Fahrverhalten. Das bedeutet, dass er durch sein rundes Profil einen gleichmäßigen Übergang von den Mittel- auf die Seitenstollen hat und dadurch vorhersehbar in die Kurven geht. Bricht der Reifen doch mal aus, passiert das auch nicht plötzlich, sondern sehr vorhersehbar und berechenbar. Der Magic Mary bietet zwar unter einem versierten Fahrer mehr absoluten Grip – vor allem in lockerem Boden –, allerdings auch einen schmaleren Grenzbereich: Bei viel Druck auf den aggressiven Seitenstollen bohren die sich in den Boden, aber wenn der Reifen dann ausbricht, ist er unvorhersehbarer und schwerer zu kontrollieren. Seine große Stärke spielt der Albert bei trockenen Bedingungen und auf harten Bikepark-Lines oder steinigen Trails aus. Hier hat man immer guten Bodenkontakt, viel Kontrolle in den Kurven und massig Traktion beim Anbremsen.
Für uns ist der neue Schwalbe Albert-Reifen ein Liebling in der Redaktion geworden, da er bei fast allen Bedingungen sehr stark performt. Durch die neue Radial-Karkasse zeigt er zudem ein gedämpfteres Fahrverhalten, das mehr Kontrolle bietet, Sicherheit vermittelt und weniger ermüdend für die Hände ist. Wer an der Front weiter auf den bewährten Magic Mary setzen möchte, der kann den jetzt auch mit Radial-Karkasse kaufen – und mit einem Albert am Heck kombinieren.

Das Fazit zum Schwalbe Albert MTB Reifen

Beim Schwalbe Albert MTB-Reifen ist nicht nur der Look komplett neu, auch die Fahreigenschaften sind radikal anders. Die neue Radial-Karkasse setzt neue Maßstäbe in Sachen Sensibilität und erhöht dadurch die Laufruhe, was den Fahrer weniger ermüden lässt. Einbußen in Sachen Stabilität muss man dafür kaum machen und wer mit dem leicht erhöhten Rollwiderstand zurechtkommt, bekommt mit dem Albert einen starken Allround-Reifen, der mit seinem Profil für die allermeisten Bedingungen geeignet ist und zudem ein sehr vorhersehbares Grip-Verhalten ermöglicht.

Tops

  • gedämpftes Fahrgefühl
  • erhöhte Sicherheit
  • weniger Ermüdung
  • einfach zu fahren

Flops

  • erhöhter Rollwiderstand durch neue Karkasse
  • wenig Grip in losem Boden

Alle weiteren Infos findet ihr auf der Website von Schwalbe.


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Text: Simon Kohler Fotos: Schwalbe

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“