Benzingeruch und knatternde Motoren sind essenzielle Bestandteile im Motocross. Stark Future will dies mit ihrem Varg Alpha ändern. Der elektrifizierte Crosser sorgt für Kontroversen unter den Petrolheads, aber eröffnet auch ungeahnte Möglichkeiten. Wir haben uns als Mountainbiker, aber auch eingefleischte MX-Fahrer auf die Maschine gesetzt und erstaunlich viele Lachfalten dazugewonnen.

VARG – schwedisch für Wolf – verrät, dass Stark Future schwedische Wurzeln hat, auch wenn das Unternehmen jetzt in Barcelona sitzt. Bei dem VARG hat Stark Pionierarbeit im Performance E-Motocross-Bereich geleistet. Auf dem MX-Track selbst kann das jedoch ganz anders aussehen. Hier wird das E-Cross belächelt, bewundert oder beneidet. Warum polarisiert das Bike die MX-Community und wie fortschrittlich ist das VARG wirklich?

Wir haben den Feldversuch gewagt und die halbe Redaktion darauf angesetzt und draufgesetzt: Allesamt MTB-begeistert und auch mit E-Bikes bestens vertraut, aber kaum einer hat ernstzunehmende Motocross-Erfahrung, geschweige denn ist je auf einer E-Motocross gesessen. Wie schnell kann man sich an die elektrische Power gewöhnen, oder umgekehrt: Wie schnell gewöhnt sich das Moped an den Fahrer? Zum Vergleich: Die VARG hat zehnmal so viel Drehmoment wie der weit verbreitete Bosch Performance Line CX E-Bike-Motor – also gute 900 Nm. Von Leistung ganz zu schweigen, denn hier brennt das Stark VARG in der Alpha-Variante ganze 80 PS auf den Track. In der MotoCross GP, der Königsklasse, leisten die 450 ccm Viertakt- oder 250 ccm Zweitakt-Maschinen im Schnitt rund 60 PS. Was kann also schiefgehen?

Das Stark VARG im Detail – Ist das die E-Motocross-Zukunft?

Auf den ersten Blick ist das Stark VARG Alpha eindeutig als Motocross-Maschine zu erkennen. Doch beim genaueren Hinsehen wird klar: Hier handelt es sich um eine E-Maschine, die von Natur aus vieles anders macht als ihre benzinbetriebenen Verwandten. Kein Auspuff, keine Schläuche, kein Benzingeruch – und natürlich auch kein Tankdeckel. Öl sucht man – außer auf der Kette – vergeblich. Stattdessen präsentiert sich das VARG in einem cleanen und futuristischen Design, wie man es von E-Autos, wie dem KIA EV6, kennt. Die Verkleidungsteile sind aufs Wesentliche reduziert und selbst die Griffe am Heck, die für waghalsige FMX-Tricks – oder in unserem Fall – zum Rangieren gedacht sind, fügen sich nahtlos ins Gesamtbild ein.

Der große Akkublock sitzt da, wo sonst ein Verbrennermotor sitzt. Der Energiespeicher bietet 6 kWh Kapazität.
Die eingelassenen Alu-Griffe helfen nicht nur beim Rangieren, sondern auch dann, wenn man die E-Cross-Maschine für Freestyle Motocross-Tricks durch die Luft wirft.

Der massive Akkublock, das Herzstück der Maschine, sitzt genau dort, wo sonst bei Motocross-Bikes der Motor zu finden ist. Die zentrale Energiequelle ist präsent, doch von der eigentlichen E-Maschine ist kaum etwas zu sehen. Denn der E-Motor versteckt sich diskret hinter dem Akku, im Bereich der Schwinge.

Ein Blick ins Cockpit offenbart, dass hier moderne Technik Einzug gehalten hat: Ein Smartphone übernimmt die Rolle des zentralen Tachos. Das vorkonfigurierte Android-Gerät mit der App von Stark und einer ebenfalls hauseigenen integrierten SIM-Karte ist die Headunit. Hierüber lassen sich die 5 unterschiedlichen Fahrmodi individuell einstellen, also wie viel Leistung, wie sensibel das Gas reagiert oder wie stark die virtuelle Motorbremse – aka Rekuperation – wirkt. Gerade diese Funktionen sind es, die das Bike für Einsteiger so attraktiv machen. Das Smartphone ist dennoch nicht essentiell zum Fahren und wenn ihr auf die Anzeige verzichten wollt, könnt ihr einfach per App das Setup vornehmen und das Handy dann entspannt im Auto liegen lassen. Solltet ihr es am Bike lassen, werden euch Rundenzeit, Karteninformationen und auch Airtime oder G-Kräfte angezeigt. Durch die Konnektivität können der E-Maschine übers Smartphone auch OTA-Updates aufgespielt oder direkt Werkstattzugriff fürs Troubleshooting bei Problemen gewährt werden. Die Updates können bei einer E-Motocross äußerst wirksam sein: neue Motorcharakteristiken, veränderte Leistungsentfaltung oder ein optimiertes Batterie-Management sind allein durch die Software möglich.

Der restliche Lenker ist ziemlich minimalistisch. Hier findet man keine überflüssigen Schalter oder Hebel. Es gibt nur links zwei Tasten, um die Fahrmodi zu wechseln, und den Einschalter bzw. Not-Aus-Schalter. Eine Kupplung sucht man am E-Motocross vergeblich, die wird schlichtweg nicht benötigt und quasi durch den elektrischen Gasgriff ersetzt. Stattdessen befinden sich die beiden Bremshebel für Vorder- und Hinterrad am Lenker, aber Achtung, Moto-Style: links hinten, rechts vorne. Optional kann die Hinterradbremse beim Kauf auch – Motorrad-üblich – als Fußpedal bestellt werden, was den Lenker noch aufgeräumter wirken lässt.

Lichtanlage? Genau wie die Straßenzulassung Fehlanzeige an der Stark VARG-Maschine. Das E-Motocross ist ein reines Sportgerät, das für den Einsatz auf einer abgegrenzten Motocross-Strecke konzipiert ist, und nicht für den öffentlichen Straßenverkehr.

Technische Daten des Stark VARG E-Cross – Leistung, Ladezeit, Laufzeit …

Kommen wir zu den technischen Daten des Stark VARG: Die E-Motorrads sieht nicht nur schnell aus, sondern kann halten, was hinter der Fassade steckt. Die technischen Daten machen es zur ernstzunehmenden Konkurrenz mit allen Verbrenner-Bikes auf der Motocross-Strecke.

Der Rahmen der VARG ist laut Stark der leichteste, der je für eine Motocross-Maschine entwickelt wurde. Er besteht aus einer Kombination von Stahl mit einem Aluminium-Hilfsrahmen im hinteren Bereich und einer Front aus Carbon. Damit soll das “Tragwerk” auf weniger als 6 kg kommen. Dennoch gibt der Hersteller an, dass Steifigkeit, Haltbarkeit und Stabilität kein Problem darstellen.

Hinterm Akku steckt das Powerhouse. Mit bis zu 80 PS und einem Drehmoment von 938 Nm am Hinterrad liefert die E-Maschine VARG mehr als genug Power. Die Leistung kann selbst erfahrene Motocrosser überfordern – und deshalb kann sie je nach Fahrmodus einfach gedrosselt oder an das Ansprechverhalten angepasst werden. Bei Bedarf dreht der E-Motor bis zu 14.200 U/min, und die Kraftübertragung erfolgt, ganz klassisch, über eine Kette zum Hinterrad.

Der Akku der VARG ist mit einer Kapazität von 6 kWh etwa zehnmal so groß wie der eines durchschnittlichen E-Mountainbikes und ermöglicht es, im gemäßigten Trail-Modus bis zu sechs Stunden unterwegs zu sein. Im Vollgasbetrieb reicht der Akku immerhin für eine typische MX-Renndistanz von gut 20 Minuten. Abhängig von Ladegerät und Stromanschluss variieren die Ladezeiten zwischen einer und zwei Stunden, – also genug Zeit für mehr als eine Verschnaufpause zwischen den Sessions. Praktisch: Die Ladestation ist gleichzeitig auch der Ständer für die Maschine.

Das Fahrwerk der Stark VARG ist mit Komponenten von Kayaba, kurz KYB, ausgestattet und bietet 310 mm Federweg vorn und hinten – das ist der Standard bei Motocross-Bikes. Um die Maschine perfekt auf die Strecke und den Fahrstil abzustimmen, lassen sich Gabel und Dämpfer in einem weiten Bereich einstellen. Das Hinterrad ist standardmäßig 19 Zoll groß. Alle, die mit der Stark ausgedehnte Enduro-Touren anstelle von MX-Rundkurs Eskapaden unternehmen wollen, können alternativ auch ein 18-Zoll-Hinterrad bestellen. Vorne sorgt in jedem Fall ein 21-Zoll-Rad für die nötige Laufruhe.

Auch bei den Bremsen setzt Stark auf bewährte Motocross-Technik: Vorne verzögert eine Brembo-Bremse mit einem 260-mm-Rotor, während hinten eine 220er Bremsscheibe von einer FORMULA-Bremse verzögert wird. Dabei kann die Hinterradbremse je nach Geschmack vor dem Kauf als Fuß- oder Handbremse konfiguriert werden.

Und wie sieht es mit der Wartung aus? Wer auf möglichst viele Runden auf der Strecke und wenig Zeit in der Werkstatt Wert legt, wird die VARG lieben. Im Vergleich zu einer klassischen Wettkampf-Motocross-Maschine ist der Wartungsaufwand minimal. Aufladen, vom Dreck befreien, Kette ölen und losfahren – viel mehr braucht das Stark VARG nicht, um in Schuss zu bleiben. Und apropos von Dreck befreien: Durch seine Bauweise und dem geschlossenen E-System lässt sich das VARG viel entspannter und schneller putzen als herkömmliche MX-Maschinen.

Das Stark VARG Alpha on track – So fährt sich die E-Motocross-Maschine für Anfänger und Fortgeschrittene

Schwingt man sein Bein zum ersten Mal über die 95,5 cm hohe Sitzbank des Stark VARG, fällt der Blick sofort auf das fancy Display. Der Grund ist das bereits erwähnte Android Smartphone im Querformat, der als digitaler Info-Schalter fungiert. Abgesehen von den klassischen Informationen wie Geschwindigkeit und Ladezustand lassen sich auch ein paar nützliche Extras wie Rundenzeiten, Airtime oder G-Kräfte ablesen. Perfekt also für Tech-Nerds, die gern mehr Daten als Drehzahl und Motortemperatur im Blick haben oder ihre Läufe nach dem Rennen genau auswerten möchten.

Was das Stark aber vor allem für die Fahrt besonders macht, sind die programmierbaren Fahrprofile. Damit lässt sich die Leistungscharakteristik der VARG individuell anpassen – ein echter Gamechanger, vor allem wenn verschiedene Könnerstufen das Motorrad fahren möchten, wie bei uns. Für ungeübte Fahrer lässt sich die Power der Maschine auf bis zu 10 PS drosseln, sodass man gerade zu Anfang mit weniger Leistung starten kann. Ein kurzer Knopfdruck reicht aus, um das Profil zu ändern – und das sogar während der Fahrt oder wenn der Fahrer wechselt. Für Leute, die z. B. vom Mountainbike kommen, ist das ein top Feature: Die Leistung überfordert nicht, das Hinterrad dreht nicht sofort durch, und die Front des Bikes geht auch nicht so schnell in die Luft, um euch abzuwerfen. Stattdessen lässt sich die Kraft am Gasgriff gut dosieren, und auch Neulinge behalten die Maschine unter Kontrolle.

Ein weiterer Pluspunkt des Stark VARG: Keine Kupplung, keine Gangwahl – und somit weniger Möglichkeiten, Fehler zu machen. Dennoch ist etwas Vorsicht geboten, schon bei rund 40 PS Leistung zieht einen die Stark im Sprint fast vom Sattel. Hier lernen Mountainbiker eine neue Lektion: Neben „am Lenker festhalten“ gilt auf dem Motocross-Bike noch „Sitzbank klemmen, wie ein Cowboy auf einem wildgewordenen Bullen“. Für alle mit besonders unsensibler Gashand lässt sich in der App natürlich auch die Gasannahme drosseln.

Hat man sich an die Beschleunigung gewöhnt und lässt es auf der Strecke richtig laufen, muss auch die Verzögerung stimmen. Die zwei Handbremsen sind gerade für Mountainbiker nutzerfreundlich: Mit rechts vorne hart anbremsen vor der Kurve und mit der linken Hand das Hinterrad im Kurvenverlauf dosieren, das geht leichter als mit dem Fuß. Ein weiterer Vorteil daran ist, dass man den Fuß – MX-Style-mäßig – in der Kurve nach vorn strecken kann und währenddessen trotzdem noch hinten bremsen kann. Beim Bremsen gibt es einen weiteren, spannenden Aspekt, den nur ein E-Motorrad ermöglicht: die Energierückgewinnung. Die Rekuperation wirkt wie eine Motorbremse, wenn man vom Gas geht, gleichzeitig wird damit die Batterie aufgeladen. Wie stark der Effekt sein soll, lässt sich im App-Menü konfigurieren. Für alle, die es gewohnt sind, beim Verbrenner durch Runterschalten mit dem Motor zu bremsen, fühlt sich das vertraut an. Mountainbiker oder 2-Takt-Fans können aber einfach die Motorbremse schwächer einstellen – praktisch.

In engen Anliegern oder bei schnellen Kurvenfahrten zeigt das Stark VARG Alpha seine Stärken und vermittelt eine top Traktion. Sitzt man auf der Sitzbank eher vorn, hängt man so auf der Front, sodass das Vorderrad unter der Last sich in den Boden graben kann – die lange Sitzbank bietet hier ordentlich Raum für Gewichtsverlagerung. In Kurvenfahrten hilft der – wenn auch geringe – Lärmpegel der Maschine, das Griplevel besser einschätzen zu können: Das Abrollgeräusch der Reifen und das Anbremsen sind deutlich hörbar, wie wir es auch als Mountainbiker aus dem Wald gewohnt sind. Aber aufgepasst, wenn auf dem MX-Track viel los ist: Die Kollegen mit dem Verbrenner-Motocross hören euch kaum kommen, wenn ihr mit der E-Cross-Maschine zum Überholen ansetzt.

Springen ist mit einer über 100 kg schweren E-Motocross grundlegend anders als mit dem Mountainbike – aktiv abzuziehen ist da schwierig. Stattdessen komprimiert man das Fahrwerk im Absprung und nutzt den Rebound sowie die Beschleunigung. In der Luft kann man seine Flugphase, mehr als auf dem MTB, dann immer noch kontrollieren und korrigieren. Gibt man Gas, hebt sich die Front, wird gebremst, senkt sich die Nase des Motorrads wieder. Auch hier reagiert das Stark noch spontaner als ein Verbrenner-Motocross und kann gut durch die Luft manövriert werden. Die Gangwahl ist dabei praktischerweise kein limitierender Faktor und euer Hinterrad beschleunigt so lang, wie ihr es möchtet. Das hat uns die ersten E-Cross-Flugmeilen beschert und bekannten MX-Könnern zu stabilen Whips verholfen.

Ist das Stark VARG auch was für Anfänger und Mountainbiker?

Das Stark VARG Alpha eignet sich ideal für alle, die neu ins Motocross-Game einsteigen wollen, ohne sich mit Gangwahl und Kupplung herumzuschlagen. Das macht es einfacher, sich auf Körperposition und Haltung zu konzentrieren, während man sich langsam an die Leistung herantasten kann. Ein bisschen wie Kartfahren, bevor man in größere Rennklassen aufsteigen will – außer, dass das Stark auch noch bei den ganz Großen mithalten kann. Für Fortgeschrittene bietet das VARG E-Cross mehr als genug Power und ein voll einstellbares Fahrwerk. Einzig für Fahrer, die mehr als 25 Minuten mit Vollgas unterwegs sein wollen, könnte die Akkulaufzeit das unliebsame Limit sein. Aus Mountainbiker-Perspektive können wir aber sagen, dass 25 Minuten auf der MX-Strecke ungefähr so anstrengend sind wie ein Tag Bikepark ;).

Ein großer Vorteil, von dem alle profitieren: minimale Wartung. Abgesehen von Kettenpflege und Aufladen gibt es fast nichts zu tun – kein Ölwechsel, keine Motorrevision, nur Reifenwechsel. So bleibt mehr Zeit auf der Strecke und weniger in der Werkstatt.

Das Fazit zum Stark VARG Alpha

Das Stark VARG Alpha eignet sich für Einsteiger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Die Möglichkeit, die Leistung zu drosseln und ohne Kuppeln oder Schalten einfach Gas geben zu können, erleichtert den Einstieg in die Motocross-Welt. Für Mountainbiker, die Motocross einfach mal ausprobieren möchten, ist das VARG die (fast) wartungsfreie Empfehlung: aufladen und losfahren. Ob E-Motocross generell die Zukunft des Motorsports sein wird, bleibt abzuwarten – in puncto Leistung und Performance kann das Stark VARG aber bereits voll mithalten.

Tops

  • einsteigerfreundlich durch anpassbare Fahrmodi
  • leise
  • cleane Optik
  • sehr geringer Wartungsaufwand

Flops

  • Akkulaufzeit kann ein limitierender Faktor sein

Mehr Infos unter starkfuture.com


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Text: Julian Schwede Fotos: Peter Walker