Epische Trails mit massig Flow und traumhaften Ausblicken auf die Bergwelt am Fuße des Matterhorns – so lockte das SWISS EPIC im September 2016 in das schweizerische Kanton Wallis. Ob hinter den im Mountainbikemetier mittlerweile inflationär gebrauchten Wörtern wirklich was steckte? Wir wollten es wissen.

Qual der Wahl oder Wahl der Qual? Wer Trails genießen will, muss sie sich erst einmal verdienen. Beim SWISS EPIC haben die Fahrer die Wahl zwischen zwei Kategorien: Epic oder Flow. Die Epic-Wertung ist definitiv etwas für die Masochisten oder XC- und Marathonraketen, jeder Höhenmeter muss aus eigener Kraft bewältigt werden – und das sind nicht wenige. Die Flow-Kategorie, das verrät der Name schon, ist eher etwas für Biker, die lieber mehr Tiefen- als Höhenmeter verschlingen. Dennoch standen auch für die Flowbiker täglich etwa 1.300 Höhenmeter auf der Tagesordnung, was vergleichbar mit einem EWS-Rennen ist. Der Rest der täglichen Höhenmeter wurde mit Bus-Shuttles und Bergbahnen zurückgelegt, um dann täglich bis zu 4.000 Tiefenmeter zu genießen.

Trailfun vor der Walliser Bergkulisse mit Matterhorn.
Trailfun vor der Walliser Bergkulisse mit Matterhorn.

Wie bei vielen längeren Mehrtagesrennen im alpinen Gelände wird auch beim SWISS EPIC in Zweierteams gestartet. Gemeinsam mit meiner kanadischen Teampartnerin Cathy, die ich 2013 zur Transrockies Challenge kennen gelernt hatte, startete ich in der Flow-Wertung. In Anbetracht der vielen Höhenmeter entschied ich mich für mein SCOTT Spark RC, jedoch vorne etwas aufgebockt mit 130 mm Federweg. Cathy, die fast täglich auf den traumhaften Trails in und um Whistler (Kanada) unterwegs ist, entschied sich für etwas mehr Federweg und brachte ihr SCOTT Genius mit.

Anreise: Dorfbrunnen, Countrymusik und Geröllprobleme

Nicht nur aus Sachsen, auch aus den südlicheren Gefilden der Republik sollte man für die Anreise etwas Zeit einplanen. Das erste Ziel war das Zubringershuttle in Verbier, wo wir eine Woche und ca. 17.000 Tiefenmeter später auch wieder ankommen sollten. Nach einem Tag auf eidgenössischen Autobahnen, die uns vorkamen wie etwas bessere Bundesstraßen, erreichten wir im Dunkeln endlich Verbier: Kurz im Dorfbrunnen die Beine erfrischt, erschöpft ins Bett gefallen und keinen Gedanken mehr an das teure Erinnerungsfoto verloren, das wir wohl noch bald zugeschickt bekommen. Entspannt ging es am nächsten Morgen samt Gepäck und Rädern via Luxusliner-Doppeldecker-Bus mit Countrymusik nach Tesch kurz vor Zermatt. Fahrt ins Blaue in der Deluxe-Version sozusagen. Da Zermatt komplett autofrei ist, wurden die letzten Kilometer mit dem Zug zurückgelegt. Letztendlich war unsere Anreise fast genauso lang wie die von Cathy aus Canada. Die traf ich dann kurz darauf an der Registrierung – Team Flow war endlich komplett. Da Cathy unbedingt noch den Prolog abfahren wollte, ging es sofort mit Zahnradbahn und Gondel auf das 3.104 m hoch gelegene Rothorn.

Standesgemäße Elektrotaxis in Zermatt.
Standesgemäße Elektrotaxis in Zermatt.
Typisch Schweizer Bergidyll, die Ruhe vor dem Sturm.
Typisch Schweizer Bergidyll, die Ruhe vor dem Sturm.

27 km mit 500 Höhenmetern und über 2.000 Tiefenmetern, das war doch mal eine Ansage. Noch etwas steif durch die Reisestrapazen und komplett kalt ging es gleich in die Abfahrt, die mit spitzen Steinen und Absätzen gespickt war – und schon nach 500 m ihre ersten Opfer forderte. Darunter die Pros des Stöckli Racing Teams um XC-Weltcupsiegerin Jolanda Neff und das SCOTT Odlo Racing Team um Olympiasieger Nino Schurter, die gleich mal platt fuhren. O-Ton Ralph Näf: „Bloß kein Game over auf dem ersten Kilometer riskieren!“ Beim Abfahren des Prologs merkte ich, dass Cathy mit dem steinigen Untergrund besonders auf den schnelleren Abschnitten so ihre Probleme hatte. Daheim in Whistler und Squamish sind die Trails zu 90 % im Wald und gespickt mit unzähligen Wurzeln. Ich hoffte, dass sie sich in den nächsten Tagen noch an das indirekte Gefühl auf losem Geröll gewöhnen würde.

Ready, set racetime!

Prolog mit Bergkulisse

7.30 Uhr, ich hievte mich aus dem Bett und ging gleich Richtung Balkon, Wettercheck. Dort strahlte mich das Matterhorn in der Morgensonne an, als wartete es schon auf uns – episch zum Ersten! Unser Start war für 11.30 Uhr angesetzt und da die Strecke zu 90 % aus Singletrails vom Feinsten bestand, wurde in Intervallen von 1 min gestartet. Wir einigten uns vorher darauf, dass ich bei den Downhills vorne fahren sollte, da ich bei den schnelleren Abschnitten etwas stärker war und so Cathy bei der Linienwahl etwas unterstützen konnte. Noch 5 s und schon ging es los, vor einer der schönsten Bergkulissen der Alpen. Episch zum Zweiten! Also doch…

Das Wetter passt.
Das Wetter passt.

Das erste steinige und verblockte Stück meisterten wir ohne große Schwierigkeiten. Auf 2.500 m Höhe verfällt man natürlich bei jedem kleinem Anstieg in Schnappatmung, zum Glück waren die 500 Höhenmeter über mehrere kleine Anstiege verteilt. Nach dem ersten alpinen Trail am Anfang folgte ein flowiger Trail mit teilweise sehr spitzen Kehren, die ein Umsetzen des Hinterrades verlangten. Nach 1 h 30 min puren Trailvergnügens erreichten wir das Ziel als zweites Frauenteam in der Flow-Wertung. Mehr Flow geht ja wohl nicht!

Zielareal mitten im Touristendschungel von Zermatt.
Zielareal mitten im Touristendschungel von Zermatt.
Nicht nur der Ausblick ist atemberaubend! Zum Glück ging es direkt nach unten. Dani und Cathy am Start des Prologs auf 3.100 m.
Nicht nur der Ausblick ist atemberaubend! Zum Glück ging es direkt nach unten. Dani und Cathy am Start des Prologs auf 3.100 m.

Stage 1: Flow, soweit das Auge reicht

Traumhaftes Wetter und eine noch bessere Aussicht auf die höchsten Berge der Schweiz, z. B. das 4.500 m hohe Weisshorn und den Gletscher des Doms – so startete unser Tag. Zum Warmwerden ging es erstmal einen kleinen Asphaltanstieg hoch, bevor es wieder malerisch wurde. Auf einen wunderschönen wellig verlaufenden Wiesentrail mit atemberaubender Bergkulisse ging es der aufgehenden Sonne entgegen.

PSE 2016, Etappe 3, Leukerbad - Verbier
Das Ghost Factory Team surft durch die zahlreichen Switchbacks.
Das Ghost Factory Team surft durch die zahlreichen Switchbacks.
Flowige Wiesentrails wechseln sich mit ruppigen Steinpassagen und Wurzelteppichen ab.
Flowige Wiesentrails wechseln sich mit ruppigen Steinpassagen und Wurzelteppichen ab.

Schon jetzt hatten sich die bilderbuchhaften Anblicke und Flowmomente ins Gedächtnis gebrannt. Aber es sollte noch besser werden: Nach kurzem Shuttleservice mussten ein paar Höhenmeter überwunden werden, bevor es 1.600 Tiefenmeter am Stück auf Wald und Wiesentrails bergab ins Rhonetal ging. Mit Shuttle und Gondel folgte das Finale nach Leukerbad, ein gebauter Flowtrail mit perfekten Anliegern und Sprüngen. Jetzt hieß es erst einmal ausruhen von den 78 km mit 1.600 Höhenmetern und 4.100 Tiefenmetern. Dabei gibt es beim SWISS EPIC in der Bilanz keine einzelnen Stages, sondern es zählt die Gesamtzeit der gefahrenen Strecke, lediglich beim Shutteln wird ausgestoppt. Mit nur wenigen Sekunden Rückstand landeten wir wieder auf Platz 2.

Epische Trails in traumhafter Kulisse.
Epische Trails in traumhafter Kulisse.

Stage 2: Megavalanche lässt grüßen

Das Streckenprofil war diesmal sehr einfach. Start an der Rinderhütte auf 2.313 m, bergab ins Rohnetal auf 600 Höhenmetern: macht 1.700 Tiefenmeter Trailvergnügen nonstop. Das erste Stück, den Flowtrail, kannten wir schon vom Vortag, zum Warmwerden genau richtig. Meter für Meter surften wir durch die Anlieger, gefolgt von einem kleinen Gegenanstieg, der uns in einen ruppig ausgesetzten, steinigen Waldtrail führte. Er würde uns bis in Rhonetal volle Konzentration abverlangen, Gabel, Bremsen und Arme waren bei 40 min Gerüttel voll am Limit.

Airtime auf dem Flowtrail in Leukerbad.
Airtime auf dem Flowtrail in Leukerbad.
Vorsicht Plattengefahr – eine etwas stabilere Karkasse ist Pflicht, um sorgenfrei zu heizen.
Vorsicht Plattengefahr – eine etwas stabilere Karkasse ist Pflicht, um sorgenfrei zu heizen.

Im Rhonetal angekommen, sorgten 30 °C und ein steiler Asphaltanstieg auf den ersten Höhenmetern dafür, dass keinem langweilig wurde. Bei einem klassischen Enduro könnte man jetzt neutralisiert ins Ziel rollen, aber beim SWISS EPIC geht es eben nicht nur um Downhill, sondern um komplettes Mountainbiken und so quälten wir uns wieder nach Leukerbad hoch ins Ziel. Trotz extremer Hitze mit einer kleinen Zwangspause am Brunnen hatten wir einen guten Tag und fuhren ins Leadertrikot.

Im Leadertrikot durchs Unterholz – viele Trails schlängelten sich durch traumhafte Kulissen im Wald.
Im Leadertrikot durchs Unterholz – viele Trails schlängelten sich durch traumhafte Kulissen im Wald.

Stage 3: Wurzelinferno auf der Königsetappe

Die Königsetappe versprach wieder viele Trailkilometer. Pünktlich um 8 Uhr ging es sogleich in den ersten Anstieg, der dann in einer mörderischen Schiebepassage endete – das stand eindeutig für Endurance in Enduro. Wer trotz schmerzender Waden und unsicherem Tritt auf dem ausgesetzten Felsenweg den Blick ins Tal schweifen ließ, wurde wieder mit einer grandiosen Aussicht ins Rhonetal belohnt, aber auch diese Ausblicke sind ja hier schon fast inflationär. Oben angekommen ging es nahtlos in die erste Abfahrt hinein, die uns teils flowig, teils technisch zum nächsten Highlight führte: einem 20 km langen Wurzeltrail, der fast komplett eben an dem für das Wallis berühmten Bewässerungskanälen entlangführte, umgangssprachlich auch Suonen genannt. Hier gaben wir so richtig Gas. Cathy fühlte sich fast wie zu Hause in Whistler. Nach beinahe 60 Trailkilometern brachte uns das Shuttle dann wieder bis auf 2.200 m. Von hier aus ging es auf einem wunderschönen Bikeparktrail direkt ins Ziel nach Verbier.

20 km Wurzelinferno an den historischen Wasserleitungen im Wallis, den sogenannten Suonen.
20 km Wurzelinferno an den historischen Wasserleitungen im Wallis, den sogenannten Suonen.

Stage 4+5: Rutschpartie auf 2.000 m

Auch das schönste Kaiserwetter hat mal ein Ende und so änderten sich auch die Bedingungen auf den Trails in den letzten beiden Tagen. In Verbier hatten wir dennoch zwei tolle Tage mit vielen Gondelfahrten und Trails, die uns noch einmal alles abverlangten. Besonders am letzten Tag, als auch die Temperaturen auf 2.000 m gegen 0 °C tendierten, wurde so mancher Trail zur Rutschpartie. Aber unter dem Motto „safety first“ brachten wir unseren Gesamtsieg der Flow-Wertung ohne Panne und Sturz ins Ziel.

PSE 2016, Etappe 5, Verbier-Verbier
Nichts für schwache Nerven: Die letzten beiden Stages verlangten den Fahrer nochmal alles ab.
Auch wenn es im Wallis im September meist sehr warm ist, ist das alpine Wetter doch immer für eine Überraschung gut.
Auch wenn es im Wallis im September meist sehr warm ist, ist das alpine Wetter doch immer für eine Überraschung gut.

Fazit mit Schweizer Uhrwerk

Wo SWISS EPIC und Flow draufstehen, sind auch definitiv Epic und Flow drin! Das SWISS EPIC ist eine perfekt organisierte Veranstaltung. Neben den schönen Hotels und der super Bewirtung ließen auch die Streckenverpflegung und die Waschstation für die Räder keine Wünsche offen. Für alles war gesorgt, alles lief so reibungslos wie ein Schweizer Uhrwerk. Als deutscher Mittelgebirgsbewohner kann man in den sechs Tagen SWISS EPIC so viel Trailkilometer fahren wie sonst in einem halben Jahr. Dabei wechseln sich endlose Trails verschiedenster Art mit grandiosen Ausblicken ab und ein Highlight ist dem nächsten direkt auf den Fersen. Also Vorsicht – absolutes Suchtpotenzial!

Die Sieger der Flow-Kategorien.
Die Sieger der Flow-Kategorien.
Radwäsche to go – zurücklehnen und entspannen.
Radwäsche to go – zurücklehnen und entspannen.
Wer es nicht schafft, wird vom Besenmann eingesammelt.
Wer es nicht schafft, wird vom Besenmann eingesammelt.

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Text: Daniela Storch Fotos: SCOTT Generation, SWISS EPIC