Technokratie in Österreich – Zu Gast bei Adidas Eyewear

„Der Rasen war sein Heiligtum!“, sagt Ronald Mühlböck, als wir den Firmenhauptsitz von Adidas Eyewear in Linz betreten – und das sieht man noch heute! Er, das war
Arnold Schmied, der Gründer der Firma Silhouette, die seit 1991 in Linz die Sportbrillen von adidas eyewear entwickelt und herstellt.

Es ist ein trüber, regnerischer Morgen, als wir von Ron (Buissness Unit Director bei Adidas Eyewear) vor dem großen, weißen Gebäude mit dem extrem gepflegten Rasen begrüßt werden. Ron selbst ist begeisterter Mountainbiker und hat sich erst am Vortag bei einem Crash die rechte Schulter ausgekugelt. Seitdem trägt er den Arm in einer Schlinge, lässt es sich aber nicht nehmen, uns durch die Firma zu führen und die einzelnen Arbeitsschritte der Herstellung einer Adidas Eyewear Evil Eye Evo zu erklären. Wie aufwendig und hochtechnisiert die Fertigung der Brille ist, das hätten wir uns selbst nicht vorstellen können, immerhin besteht sie doch eigentlich aus nicht mehr als einem Rahmen und zwei Gläsern. In Zeiten der Globalisierung, von Lohndumping und einer immer ausgeprägteren „Geiz ist geil“Mentalität können und müssen hochpreisige Produkte, zu denen man auch eine Sportbrille mit einem Einstiegspreis von 169 € gut und gerne zählen kann, sich vor allem durch ihre Funktionalität und ihre Qualität abheben. Um beides auf höchstem Level zu garantieren, designt und entwickelt Adidas Eyewear nicht nur alle Brillen in Linz, sondern produziert sie nach wie vor direkt im Firmenhauptsitz.


Die Bedürfnisse kennen
Eine entscheidende Frage bei jeder Neuentwicklung eines Produkts lautet wohl in allen Branchen: Für wen soll es gemacht sein und was muss es können? Der erste Teil der Frage lässt sich sehr einfach klären, aber wo und wie findet man Antwort auf Teil zwei? Adidas Eyewear setzt hier nach eigenen Angaben stark auf das Feedback seiner Athleten und so haben unter anderem Joe Barnes, René Wildhaber, Steffie Marth und Geoff Gulevich maßgeblich an der neuen Evil Eye Evo mitgewirkt und den Look der neuen Brille geprägt. Eine Sonnenbrille mit dem Schutz einer Goggle bei gleichzeitig deutlich besserer Belüftung war das Ziel.

SPX – wie aus einigen Körnern Granulat ein Hightechbrillenrahmen entsteht
Der Kunststoff SPX ist es, der die Erfolgsgeschichte von Adidas Eyewear geprägt und mitbestimmt hat und auch bei der neuen Brille zum Einsatz kommt. Das S steht dabei für Silhouette, P für Polyamid und X für das Geheimnis, das den Werkstoff so leicht und dennoch stabil macht.

Step by Step zum finalen Produkt
Unser Rundgang durch die Fertigung startet beim Ursprungsprodukt des Gestells, einem Raum mit Säcken voller Granulat, das hier für den späteren Spritzprozess vorbereitet wird. Mit einer Feinwaage, die auf tausendstel Gramm genau wiegt, mischt eine Mitarbeiterin verschiedene Farbpulver für die Farbe des Gestells an und vermengt diese anschließend zusammen mit dem Rohgranulat in einem XXLMixer. Nach zirka 30 Minuten im Schleudergang wird die Mischung dann zum Trocknen in einen der Heizschränke transportiert. „Wenn es den Mitarbeitern im Winter einmal kalt ist, müssen sie nur diesen Raum betreten, hier ist es immer angenehm warm“, erklärt Ron.

Nur wenige Meter weiter stehen mehrere Spritzmaschinen aufgereiht in einer großen, lichtdurchfluteten, mit Schallschutzplatten und Pflanzen ausgestatteten Halle. Hier merkt man, wie wichtig den Verantwortlichen ein gutes Arbeitsklima ist. In gleichmäßigem Rhythmus werden an jeder der HightechMaschinen die einzelnen Bauteile der Brille produziert. Die eine presst den flüssigen Kunststoff des Gestells in eine Negativform, aus der anderen fallen die Bügel in einen Sammelkorb und wieder eine andere trägt die Gummierung auf die eben gefertigten Bügel auf. Überall sind Mitarbeiter involviert, die jeden der Arbeitsschritte überwachen, die Teile auf Beschädigungen überprüfen und ggf. direkt aussortieren.

Jetzt wird’s laut – die Scheuer
Hätte Ron uns nicht bereits vor der Tür erklärt, was im nächsten Raum passiert, im Inneren hätten wir keines seiner Worte verstanden! Die Scheuertöpfe machen einfach einen Höllenlärm. Ohne Gehörschutz hält man es dort fast nicht aus. In den runden Becken werden die Kunststoffteile der Brille in verschiedenen Schritten auf Hochglanz poliert. Hierzu werden verschieden große, kegelförmige Glas und Keramikteile verwendet, die durch ständige Rüttelbewegungen des Scheuertopfs die Bauteile so lange bearbeiten, bis sie eine absolut gleichmäßige Oberfläche aufweisen. Auch am Ende dieses Arbeitsschritts erfolgt sie wieder: die direkte Qualitätskontrolle. Sind Teile defekt oder entsprechen sie nicht den Qualitätsstandards, werden sie aussortiert – das kommt aber nicht häufig vor.

Vom Tauchbecken in die Lackiererei
Auf dem Weg zum nächsten Arbeitsschritt wird ersichtlich, wie sich die Firma über die Jahre seit ihrer Gründung entwickelt hat. Ständig wurde hier an und umgebaut. In einem kleinen Raum voller weiblicher Mitarbeiter entdecken wir die Brillengestelle wieder. „Sie werden hier auf verschiedene Trägergerüste gesteckt, um im Anschluss in vier unterschiedlichen Tauchbecken komplett gereinigt zu werden“, erklärt uns Ron den Ablauf. „Danach wandern sie mit dem Förderband direkt in die Lackiererei.“
Hier hatten wir mit unseren elektronischen Gerätschaften aber keinen Zutritt. „Es besteht Explosionsgefahr aufgrund der elektrischen Spannung“, erläutert uns der
Sicherheitsbeauftragte. Glücklicherweise ermöglicht eine Fensterscheibe den Blick ins Innere, wo wir den Arbeitsablauf verfolgen können.

Der Hightechroboter
Das Herzstück einer Brille ist das Glas und auch das wird direkt in Linz für den Einbau in die Brille vorbereitet. Ein Roboter, wie man ihn sonst nur aus Filmen der Automobilindustrie kennt, greift die Glasrohlinge mit einem Saugnapf auf, richtet den optischen Mittelpunkt der Gläser exakt aus und legt sie dann auf einer Fräsvorrichtung, auf der sie ihre finale Form erhalten, ab. Je nach Modell kommen hier verschieden viele Fräsköpfe zur Anwendung und bearbeiten nacheinander das Glas.

Die Hochzeit – hier findet alles zusammen
Nach über 200 Arbeitsschritten sind es neun Teile, die die letzte Mitarbeiterin in der Wertschöpfungskette der Brille zum finalen Produkt zusammensetzt. Die Scheiben werden ins Gestell gedrückt, die Bügel eingeklickt und das Nasenpad am Steg befestigt. Am Ende erfolgt noch eine letzte Sichtkontrolle zur Qualitätssicherung, alle Teile werden ein weiteres Mal inspiziert und natürlich wird dabei auch der Aufdruck auf der Innenseite der Bügel noch einmal gecheckt. „Made in Austria“ steht dort in kleinen Buchstaben und darauf ist man hier genauso stolz wie schon der Firmengründer auf seinen Rasen – und das zu Recht!

Nach unzähligen Handgriffen ist die Adidas Evil Eye Evo fertig zusammengesetzt und bereit für den Einsatz auf dem Trail.
Für eine Übersicht der Modelle und alle weiteren Informationen checkt Adidas.com/eyewear
Text & Bilder: Christoph Bayer
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