Testbericht | Das BH Lynx 4.8 27.5″ Carbon 9.9 im Test
BH Bikes, die spanische Marke mit dem markanten Steuerrohr, ist in Deutschland bisher noch verhältnismäßig unbekannt. Nachdem wir in der Vergangenheit bereits mit dem Lynx 6 Carbon 9.7 gute Erfahrungen gemacht haben, musste nun der neuste Spross, das Lynx 4.8 27,5″ Carbon Trailbike sein Können in einem Einzeltest unter Beweis stellen.
Unser erste Eindruck vom neuen BH Lynx 4.8 27,5″ lässt sich gut als zwiegespalten beschreiben. Einerseits ist da dieser wirklich wunderschöne Carbonrahmen, der auch beim genauen Betrachten mit unzähligen schicken Details wie der internen Zugführung, den hochwertig gefertigten Lagersitzen und seinem edlen Finsih punkten kann, andererseits wirkt das Rad, nicht zu letzt wegen der beiden Remotekabel, dem 2×11-Antrieb und den vielen Schellen am Lenker sehr unruhig. Wären wir die Super Nanny, wir hätten die Jungs von BH noch einmal zum Aufräumen auf ihr Zimmer geschickt.
Optisch fügt sich das brandneue 120 mm Trailbike wunderbar in die Modellpalette der Spanier ein. Und das nicht nur aufgrund der großen Ähnlichkeit des Steuerrohrs/Hauptrahmens mit dem Lynx 6, sondern auch aufgrund des identischen Hinterbaukonzepts – beide Räder verfügen über einen Split Pivot-Hinterbau, der Antriebseinflüsse und Bremsstempeln minimieren und gleichzeitig maximale Traktion bieten soll.
Im Fall des BH Lynx 4.8 27.5″ Carbon verfügt der Hinterbau über 120 mm Federweg. An der Front des Serienbikes kommt eine hochwertige FOX 32 Factory Kashima zum Einsatz, bei unserem Testbike war es “lediglich” ein Performance-Modell. Die restliche Ausstattung entspricht aber der, die man an dem Rad auch im Bikeladen vorfindet (den stärker profilierten Vorderreifen und den kürzeren Vorbau an unserem Testbike ebenfalls ausgenommen). An den edlen Komponenten gibt es nichts auszusetzen: die mechanische XTR-Gruppe erledigt Gangwechsel schnell und präzise, die Magura MT8-Bremse verzögert zuverlässig und die leichten DT-Swiss XM 1501 Spline-Laufräder lassen sich schnell beschleunigen und haben sich bereits in der Vergangenheit als hart im Nehmen erwiesen. Auch die verbaute KS-Teleskopsattelstütze erntet nur Lob bei den Testfahrern – egal wie wenig Federweg ein Bike auch hat, eine Vario-Stütze ist mittlerweile einfach immer Pflicht!
Die Geometrie
BH hat dem neuen Lynx 4.8 27,5″, verglichen mit anderen Modellen im Portfolio eine ziemlich moderne Geometrie verpasst. Die Kombination aus langem Hauptrahmen (Reach 458 mm Gr. L), mit einem kurzen Hinterbau (426 mm) ist bewährt und verspricht schon auf dem Papier ein souveränes, agiles Handling. Gepaart mit dem gemäßigten Lenkwinkel (68°) ergibt sich ein kompakter Radstand von 1167 mm (Gr. L). Verfügbar ist das Rad in vier Größen (S-XL).
Nachfolgend findet ihr die wichtigsten Geometriewerte im Überblick:
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Oberrohr horiz. | 600 mm | 625 mm | 640 mm | 655 mm |
Kettenstreben | 426 mm | 426 mm | 426 mm | 426 mm |
Lenkwinkel | 68° | 68° | 68° | 68° |
Sitzwinkel | 73° | 73° | 73° | 73° |
Tretlagerhöhe | -25 mm | -25 mm | -25 mm | -25 mm |
Sitzrohrlänge | 400 mm | 440 mm | 480 mm | 530 mm |
Reach | 418 mm | 4442 mm | 458 mm | 475 mm |
Stack | 585 mm | 598 mm | 5614 mm | 630 mm |
Der Uphill
Da durch das lange Oberrohr die Sitzposition auf dem BH Lynx bereits durchaus als leicht gestreckt bezeichnet werden kann, waren wir froh an unserem Testbike von BH direkt lediglich einen 55 mm langen Vorbau vorzufinden (Serie 90 mm – sollte unbedingt immer getauscht werden!). In Kombination mit einem leicht nach vorn geschobenen Sattel nahmen wir mit einer Körpergröße von 180 cm zentral und äußerst komfortabel Platz. Da auch bei steilen Anstiegen das Vorderrad immer Bodenkontakt hielt, montierten wir im Laufe des Tests alle Spacer (3 cm) unterhalb des Vorbaus, was den Komfort bergauf und die Kontrolle bergab weiter erhöhte. Das wir von der Performance des Split Pivot-Hinterbaus nicht negativ überrascht werden würden, darüber waren wir uns fast sicher und – wurden auch nicht enttäuscht. Auch ohne das Aktivieren einer zusätzlichen Plattformdämpfung zeigt er sich erstaunlich antriebsneutral, wippt nur im extremen Wiegetritt und sackt auch bei steilen Anstiegen nicht weg. Gleichzeitig bietet er viel Traktion und nimmt so auch technisch anspruchsvollen Anstiegen ihren Schrecken. Ein Grund mehr weshalb wir uns fragen, weshalb BH das Rad mit diesem unschönen und schwer zu bedienenden Remote-Hebel ausgestattet hat.
Die Abfahrtsqualitäten
Klar 120 mm Federweg sind lediglich 120 mm Federweg und wer auf der Suche nach einem plüschen Enduro-Fahrwerk ist, wird hier sicher nicht fündig. Die 120 mm nutzt der Hinterbau jedoch so effektiv, das man als Fahrer schnell meint, auf einem deutlich potenteren Rad unterwegs zu sein. Das liegt zum einen am sehr sensiblen Ansprechverhalten, zum anderen aber auch an der stark ausgeprägten Endprogression die Durchschläge nahezu unmöglich macht. Gepaart mit der gelungenen Geometrie und dem stimmigen Cockpit ergibt sich ein insgesamt sehr verspieltes, agiles Handling das dennoch auch eine gehörige Portion Laufruhe vermittelt. Sucht man am Lynx eine Schwachstelle, dann ist diese die Federgabel. Und das liegt nicht daran, dass wir nicht das Kashima-Modell getestet haben, sondern am Umstand, dass die FOX 32, mit ihren 120 mm Federweg, mit der Performance des Hinterbaus schlicht etwas überfordert ist. Um das volle Potential des Bikes auszuschöpfen würden wir eine FOX 34 mit 130 mm Federweg empfehlen.
Zu einer waren Rakete entwickelt sich das BH Lynx 4.8 auf flachen, kurvenreichen Trails. Hier begeistert es mit seinem spritzigen Fahrverhalten, ermöglicht es dem Fahrer aus kleinen Wellen viel Speed mitzunehmen und liegt gut ausbalanciert auf dem Trail.
Fazit
Das BH Lynx 4.8 27,5 Carbon kann so einiges! Es geht nicht nur bergauf ordentlich vorwärts, sondern steckt bergab auch einiges weg und begeistert mit der stimmigen Geometrie ebenso wie mit dem top Hinterbau und dem edlen Rahmenfinish. Im Bereich der Ausstattung gibt es jedoch noch Potential. Wir würden uns eine abfahrtsorientierte Variante mit potenterer Federgabel und einem 1×11-Antrieb wünschen – dann könnte auch der Rahmen seine Stärken voll ausspielen, der ist nämlich richtig gelungen!
Für mehr Informationen besucht: bhbikes.com
Text & Bilder: Christoph Bayer
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