Testbericht: Das Norco Range Carbon LE 2014 im Dauertest
Dass das Norco Range Carbon LE ein äußerst potentes Enduro Racebike ist, haben wir im großen “Enduro World Series Bikes Test” in Ausgabe #010 bereits herausgefunden: In einem stark besetzten Testfeld erzielte das Norco die dritteschnellste Zeit. Doch nach dem Test hatten wir noch weitere Pläne für das Carbon-Geschoss und nahmen es mit nach Hause – wir wollten Testen, wie sich das rund 5400 Euro (7890 CAD) teure Bike im alltäglichen Einsatz schlägt. Nach über 1000 Kilometern, unterschiedlichsten Trails und sämtlichen Wetterbedingungen steht fest: Das Norco Range hat einen beeindruckend breiten Einsatzbereich.
Die getestete “Carbon LE” Version ist in Europa nicht erhältlich, jedoch die anderen – günstigeren – Modelle, sowohl mit Aluminium Rahmen als auch als Carbon-Variante.
Das Herzstück: Der Rahmen
Das Norco Range hat einen steifen Rahmen aus Carbon, lediglich die kurzen Kettenstreben und der Rocker sind aus Aluminium gefertigt. Das Design strahlt Haltbarkeit aus: Alle Rohre sind super-oversized, die Lager stimmig dimensioniert – im Testverlauf traten hier keine Probleme auf. Der Lenkwinkel liegt bei flachen 66 Grad, mit 431 Millimeter Länge sind die Kettenstreben eher kurz. Das tief gezogene Oberrohr sorgt für viel Beinfreiheit. Sämtliche Leitungen sind im Inneren des Rahmens verlegt was für ein sehr aufgeräumtes Erscheinungsbild sorgt.
Ausstattung
Der Preis des Norco Range Carbon lässt erstmal schlucken: 7890 CAD, immerhin rund 5400 Euro – ein Haufen Scheine für ein Bike. So ist es also kein Wunder, das sich an dem Bike nur das Beste vom Besten findet. Laut den Jungs von Norco wurde das Rad exakt so ausgestattet, wie man es dort selbst am liebsten fahren würde. Das Fahrwerk bilden eine RockShox Pike und ein Cane Creek Double Barrel CS Dämpfer, die perfekt miteinander harmonieren. Sowohl an Front als auch an Heck stellen sie 160 Millimeter Federweg zur Verfügung.
Der Antrieb ist eine Mischung aus SRAMs XX1 Gruppe und einigen X01 Komponenten und passt zum Gesamtkonzept des Bikes. Mit dem 32-Zähne Kettenblatt und der 10-42 Zähne Kassette ist die Übersetzungsbandbreite gut gewählt und breit genug. Speziell bei trockenen Bedingungen waren wir mit der Schaltperformance jedoch nicht zu 100 Prozent zufrieden, nicht immer wechselte das XX1 Schaltwerk die Gänge mit der gewünschten Präzision – verwunderlich, hatten wir bis Dato an anderen (Dauertest-)Bikes bisher keine Probleme mit SRAMS 11-fach Schaltung.
Notubes XTR Flow 650B Felgen mit DT Swiss 340 Naben bilden den Laufradsatz am Range Carbon LE, bei den Reifen setzt Norco auf Maxxis High roller II. Die Laufräder sind steif, leicht und haben ein breites Felgenbett, allerdings lockerten sich am Hinterrad immer wieder Speichen – ein Hinweis auf nicht optimale Einspeichung. Wie Norco kommt auch RaceFace aus Kanada, und so wundert es nicht dass deren Produkte das Cockpit bilden: Der 65 Millimeter lange Atlas Vorbau und der leichte SIXc Carbon-Lenker mit 785 Millimeter breite passen gut zusammen. 65 Millimeter für einen Vorbau an solch einem Bike mögen etwas lang wirken, jedoch passen die Maße perfekt und sorgen für ein sehr angenehmes Handling des Bikes. Norco passt die Länge der Vorbauten an die Bike-Größe ab, d.h. wer einen M-Rahmen ordert bekommt einen kürzeren Vorbau als an unserem L-Testbike.
Auch wenn wir gerne das Modell mit 150 Millimeter Hub im Norco gesehen hätten, an der Funktion der RockShox Reverb Sattelstütze gab es nix zu bemängeln. Ergon Griffe, Avid X.0 Trail Bremsen und ein Sattel von WTB komplettieren den Aufbau des Norco – in der Tat bleibt kaum ein Wunsch offen.
Auf dem Trail
Die meiste Zeit mit dem Norco verbrachten wir auf unseren Hometrails rund um Stuttgart. Das gesamte Bike wiegt nur 13,1 Kilogramm und beschleunigt hervorragend. Beim pedalieren ist der Hinterbau mit offenem Dämpfer nicht besonders effizient, der Climb-Mode funktioniert jedoch hervorragend. Dabei handelt es sich nicht um einen Lockout: Cane Creek legt großen Wert drauf, die Funktion des Dämpfers auch im Climb-Mode zu erhalten, so lässt sich das Bike auch auf ruppigeren Trails angenehm im Climb Mode fahren.
Wechselt man mittels des kleinen Hebels in besagten Climb Mode, ändert sich das Verhalten von Druck- und Zugstufe. Zwar ist der Hebel nicht als Remote erhältlich, er lässt sich jedoch auch im Rahmen super während der Fahrt bedienen.
Bergauf
Die Pike Federgabel kann abgesenkt werden und bringt so das ganze Bike in eine angenehmere Uphill-Position – gerade auf längeren Anstiegen ein sinnvolles Feature. Der bereits erwähnte Climb-Mode Switch am Double Barel Air Dämpfer funktioniert hervorragend: Aktiviert man ihn, klettert das Bike deutlich besser, der Hinterbau behält jedoch ausreichend Traktion auch für grobe Anstiege. Vom Antrieb her ist die leichteste Übersetzung – 11-fach typisch – eine 32-42 Combo. Lange, steile Anstiege fordern also eine gewisse Fitness, sind jedoch machbar!
Downhill
Der erste Trip mit dem Norco Range ging Richtung Italien nach Finale Ligure – insgesamt neun Tage intensives Biken, davon drei mit Shuttle-Unterstützung. Beim Shutteln waren meine Buddies mit ihren Downhill-Bikes unterwegs (Santa Cruz V10c und ein Trek Session Carbon) – kann das Norco wirklich mit diesen High-End Downill Geschossen mithalten?
In Finale findet man die verschiedensten Trails, von flowigen Anliegerstrecken bis hin zu ruppigen, technischen Abfahrten wie den “Madonna”-Trail, auf dem unter anderem die Athertons im Winter ihr Downhill-Training absolvieren, ist alles dabei.
Sofort begeisterte das Norco Range auf den flowigeren Abfahrten, fuhr sich wunderbar präzise und zeigte sich richtig schnell. Ich erwartete, dass ich auf den ruppigen Trails Probleme haben würde, an meinen Freunden auf ihren Downhill Bikes dran zu bleiben, doch auch dort konnte das Norco glänzen und funktionierte schlichtweg hervorragend. Das geringe Gewicht in Kombination mit der überragenden Fahrwerks-Performance ergeben ein echtes Geschoss, je gröber das Gelände desto wohler scheint sich das Range zu fühlen – Wahnsinn!
Die abfahrtsreichen Tage in Finale gingen jedoch nicht spurlos am Range vorbei: Nahezu alle Bolzen an den Lagern mussten nachgezogen werden, auch die x12 Achse lockerte sich zwei mal. Das Hinterrad mussten wir drei Mal neu zentrieren. All das sagt mehr über die Qualität der Montage als über die verbauten Teile selbst aus. Wir empfehlen, nach dem Kauf Schraubenkleber auf alle wichtigen Lagerbolzen aufzutragen.
Fazit
Wer ein Endurobike sucht, das auch mit extrem ruppigem Terrain umzugehen weiß, liegt mit dem Norco Range Carbon LE goldrichtig. Die Ausstattung ist ein Traum und der extrem potente Hinterbau wusste uns bei jeder Ausfahrt aufs neue zu überzeugen.
Text: Ruben Torenbeek Photos:Christoph Bayer & Robin Schmitt
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!