Testbericht | Das Vitus Escarpe 275 VRX 135mm Trailbike
Vitus, eine Hausmarke von Chain Reaction Cycles, verspricht hochwertige Bikes zu günstigen Preisen und wirbt mit langen Garantien und einfacher Service-Abwicklung. Wir haben das Vitus Escarpe 275 VRX getestet, ein Trailbike mit 135 mm Federweg am Heck und 150 mm in der Front.
Die Firma Vitus begann Anfang der 70er Jahre in Frankreich als Rahmenschmiede. Dort machte sie sich schnell einen guten Namen und war häufiger Vorreiter in der Entwicklung zahlreicher neuer Technologien. Leider war sie damit auch oft ihrer Zeit voraus, was schließlich ihren Untergang einläutete. Chain Reaction Cycles hat nun diese Traditionsmarke wiederaufleben lassen und ist bestrebt, ihr zu neuem Glanz zu verhelfen.
Das Vitus Escarpe gibt es in vier verschiedenen Ausstattungsvarianten. Zudem wird auch eine 29” Version angeboten. Wir hatten das 2519.- € teure Vitus Escarpe 275 VRX, eine kurzhubiges Trailbike mit 650b Laufrädern, geordert. Das Bike war komplett vormontiert und wurde in einem riesigen Karton angeliefert. Nur fünf Minuten später war der Lenker angebracht und das Vitus fahrfertig.
Im Hinterbau federt der feinfühlige RockShox Monarch Plus Debonair-Dämpfer, während an der Front eine Marzocchi CR350 ihren Dienst verrichtet, die mit ihren espressofarben beschichteten Standrohren ein echter Hingucker ist. Für die Verzögerung sind Shimano SLX-Scheibenbremsen verantwortlich. Erfreulich unkonventionell ist die verbaute X1 Gruppe mit zusätzlicher Kettenführung, welche an Bikes dieser Preisklasse leider nur äußerst selten zu finden ist. Da eine Remotesatteltütze an einem Trailbike mittlerweile Pflicht ist, setzt Hersteller Vitus hier auf die bewährte RockShox Reverb. Die WTB i23 Felgen sind mit WTB Vigilante (vo) und Trail Boss (hi) Reifen bestückt.
Der Rahmen des Escarpe macht insgesamt einen guten und wertigen Eindruck. Das schlichte Design und die unauffällige Farbgebung dürften vor allem denjenigen gefallen, die Understatements lieben.
Ein Federweg von 135 mm am Heck bzw. 150 mm vorne, ein Lenkwinkel von 67 Grad sowie 435 mm lange Kettenstreben: Das sind die Eckdaten der Geometrie. Der getestete Rahmen in Gr. M mit seinem 600mm Oberrohr bietet in Verbindung mit dem 45mm Vorbau eine gute Kombination aus Laufruhe und Wendigkeit so dass sich auch enge Kehren problemlos meistern lassen. Durch den schwimmend-gelagerten Dämpfer spricht der Hinterbau äußerst sensibel an. Durch die Position des Schwingenlagers auf Trertlagerhöhe bleibt er selbst bei komplett geöffneter Plattform beim Pedalieren weitgehend neutral.
Mit einem Gewicht von 76kg (fahrfertig) und einem eher aggressiven Fahrstil fahre ich gerne mit einem SAG von ungefähr 22%. Beim Test des Escarpe erhöhte ich den SAG auf ca. 27%, da der Dämpfer den Federweg im mittleren Bereich sehr effektiv nutzt, ohne durchzusacken. Dadurch ist man – eine entsprechende Fahrweise vorausgesetzt – mit dem Vitus in der Lage, viel Speed aus Anliegerkurven mitzunehmen, was den Fahrspaß drastisch erhöht. Der steife Hauptrahmen reagiert direkt auf schnelle Richtungswechsel, während der progressive Hinterbau viel Grip erzeugt.
Dank seines nicht zu flachen Lenkwinkel fährt sich das Vitus gut ausblanciert und souverän durch langsame Kurven und ist dabei sogar schneller, als so manches von uns getestete 160mm Enduro. Für ein Bike dieser Federwegsklasse ist es äußerst robust, bleibt aber immer verspielt und kontrollierbar. Der schluckfreudige Hinterbau animierte uns sogar dazu, das Bike auf einem kleineren DH Rennen zu testen, wo es sich auch ganz ausgezeichnet behaupten konnte. Lediglich in schnellen, mit viel Druck auf dem Vorderrad gefahrenen Kurven fühlte es sich etwas nervös an. Unsere Erwartungen an ein derartiges Bike wurden dennoch bei Weitem übertroffen.
Das Vitus schafft eine neutrale Sitzposition, wodurch es auch für längere Touren gut geeignet ist. Es glänzt mit guter Traktion auf technischen Passagen und engen Kehren. Blockiert man zusätzlich den Dämpfer, so ist es bergauf sogar richtig schnell. Dann fühlt es sich dank seines effizienten Hinterbaus und der gut rollenden Reifen auch deutlich leichter an, als es das tatsächliche Gewicht vermuten ließe. Schließlich bleibt die Waage trotz der leichten Laufräder und ohne Pedale erst bei 14,5 kg stehen.
Die Marzocchi CR350 bietet nicht allzu viele Einstellungen. Aber auch so überzeugt sie mit sehr guten Dämpfungseigenschaften und ihrem sensiblen Ansprechverhalten. Leider lässt diese ausgezeichnete Gabel den für ein Trailbike obligatorischen Lockout vermissen. Die leicht rollenden WTB Reifen funktionieren an sich gut, kommen aber auf losem oder schlammigem Untergrund relativ schnell an ihre Grenzen. Daher wurden sie im Testverlauf durch eine Kombination aus Shorty und Highroller, beide von Maxxis, ersetzt.
Die Bremsen funktionierten im Großen und Ganzen wie erwartet: Berechenbar, kraftvoll und stets gut zu dosieren. Das Highlight der Ausstattung ist aber zweifelsfrei die verbaute X1 Gruppe. Ihre Funktion ist über jeden Zweifel erhaben und damit steht sie der weitaus teureren XX1 in so gut wie nichts nach.
Die WTB Laufräder sind durch ihr relativ geringes Gewicht für die guten Klettereigenschaften des Escarpe mit verantwortlich. Leider musste gleich nach der ersten Ausfahrt die Hinterradbremse entlüftet werden und nach ca. einem Monat versagte auch die eigentlich als sehr zuverlässig geltende Reverb-Sattelstütze ihren Dienst. Aber auch dieses Problem war mit einer Entlüftung gelöst und ab diesem Zeitpunkt gab es keine weiteren Ausfälle mehr zu beklagen. Die Anbauteile wie Lenker und Vorbau und auch der Sattel wirken im Vergleich zur restlichen Ausstattung etwas billig, erfüllen ihren Zweck jedoch tadellos. Ein großes Plus gibt es für die Montagemöglichkeit eines Flaschenhalters. Alle, die gerne auf einen Rucksack verzichten, werden dieses Feature sehr zu schätzen wissen.
Fazit
Das Fahrwerk des Vitus glänzt mit herausragenden Fahreigenschaften. Es nimmt auch großen Schlägen gekonnt den Schrecken und ist trotzdem äußerst sensibel im Ansprechen. Dabei lässt sich das Bike stets gut pedalieren. Das Escarpe hat unsere Erwartungen an ein Trailbike dieser Federwegskategorie um ein Vielfaches übertroffen. Es verführt einen ständig dazu, an seine fahrerischen Grenzen zu gehen. Die durchdachte Ausstattung und der sensationelle Preis runden den positiven Gesamteindruck ab. Bestellen kann man es ab sofort bei Chain Reaction Cycles.
Text & Fotos: Trev Worsey
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