Testbericht | Ibis 741 Carbonfelgen – ist breiter auch besser?
Als wir im Juni letzten Jahres das erste Paar Ibis 741 in den Händen hielten, waren wir von der Dimension dieser Felgen schlichtweg beeindruckt. Ist eine Maulweite von stolzen 35 mm (innen!) zu viel des Guten oder hat Ibis damit eine neue Richtung vorgegeben? Nach sechs Monaten und 1.000 km im härtesten Testbetrieb (u. a. bei der EWS in Finale Ligure) ist es nun Zeit für ein Fazit.
Aber gibt es überhaupt Gründe dafür, eine Felge mit 35 mm Maulweite zu fahren? Ibis führt dafür verschiedene Argumente ins Feld: Eine breitere Felge ist stabiler, steifer und setzt die Seitenwand des Reifens einer geringeren Belastung aus. Dadurch ist es möglich, mit einem niedrigeren Reifendruck zu fahren, was wiederum die Traktion und die Bremswirkung erhöht und den Rollwiderstand verringert – frei nach dem Motto: „Je breiter, desto besser!“ Wenn sich die neuen „Plus Size“-Räder und breiteren Nabenstandards erst am Markt etabliert haben, werden innerhalb kürzester Zeit zahlreiche andere Produkte dieser Maxime folgen. Mit den Ibis 741 kommt man schon heute in den Genuss höherer Stabilität und besserer Traktion bei gleichzeitiger Verwendung konventioneller Reifen.
Unser Laufradsatz war mit einem Paar wunderschöner Ibis-Naben ausgestattet, die sich im Testverlauf sehr gut bewährt haben, so aber nicht im deutschen Handel verfügbar sind (für 1.548 € ist der Satz mit einer DT Swiss 350 Nabe am Hinterrad erhältlich). Im Inneren der Naben verrichten Enduro®-Lager und großzügig dimensionierte Sperrklinken im Freilaufkörper ihren Dienst. Als Speichen empfehlen wir die Standard J-Ausführung, da sie im Falle eines Bruchs unterwegs leicht getauscht werden können. Über den gesamten Testzeitraum war jedoch so gut wie kein Serviceaufwand oder gar ein Nachzentrieren nötig, was in erster Linie der äußerst stabilen Ausführung des Laufradsatzes zu verdanken ist. Dabei bleibt das Gewicht erfreulich niedrig: Eine einzelne Felge drückt mit 475 g, der ganze Laufradsatz gar nur mit 1.650 g auf die Waage, was sich besonders auf das Beschleunigungsverhalten und die Agilität positiv auswirkt.
So sehr wir uns auch bemüht haben – wir haben einfach nicht geschafft, die Grenzen der Seitensteifigkeit dieser äußerst stabilen Felgen auszuloten. In keiner Situation war auch nur der Hauch von Verwindung oder Instabilität auszumachen. Stattdessen konnten die Räder ein beständiges Gefühl von extremer Stabilität und Lenkpräzision vermitteln. Dabei haben wir den Satz auf unterschiedlichen Bikes getestet und der Eindruck war stets der gleiche. Allerdings werden die Reifen aufgrund der Felgenbreite sehr stark aufgeweitet, sodass es in einigen Rahmen mit der Reifenfreiheit durchaus Probleme geben könnte.
Mittlerweile sind viele stabile Carbonlaufräder auf dem Markt. Was uns an ihnen oft am meisten interessiert, ist das Fahrverhalten bei niedrigem Reifendruck. Mit einer größeren Felgenweite wird die Auflagefläche des Reifens dramatisch erhöht. Das wiederum ermöglicht eine Reduzierung des Reifendrucks um bis zu 0,5 bar – und das, ohne dass die Seitenstabilität des Reifens darunter leide, oder gar die Luft schlagartig entweicht. Tatsächlich waren unsere Tester erstaunt, wie fest der Reifen letztendlich auf den hakenlosen IBIS 741-Felgen saß.
Bei einem Druck zwischen 1,2 und 1,7 bar waren sowohl Reifenstabilität und Traktion als auch Fahrverhalten beeindruckend. Selbst mit 1,2 bar ließ sich der Reifen ohne die geringsten Anzeichen eines Druckverlustes durch die Kurven prügeln. Dabei ist der Grip, den er selbst bei einem so niedrigen Druck aufbaut, sensationell. Das Gummi umschlingt jedes noch so kleine Hindernis und saugt sich auch in flachen Kurven förmlich am Untergrund fest. In sehr aggressiv angefahrenen Anliegern konnten wir bei Verwendung eines leichteren Mantels zwar bei einem Druck unter 1,5 bar ein leichtes Wegknicken feststellen. Dieses Problem war aber mit dem Einsatz eines Reifens mit Endurokarkasse (z. B. Schwalbe Supergravity) restlos zu beseitigen. Den besten Kompromiss aus Stabilität und Traktion erzielte unsere 75 kg schwere Testperson bei einem Druck zwischen 1,5 und 1,7 bar.
Ein paar Probleme gab es dann allerdings mit der Reifenwahl. Am besten harmonierten die breiten Felgen mit Laufflächen, die zu den Seiten hin abgerundet sind, wie bspw. bei Maxxis Minion DHF, Schwalbe Hans Dampf oder Maxxis Shorty. Reifen mit Blockprofil oder stark ausgeprägten Schulterstollen erwiesen sich hingegen als weniger geeignet, weil sich ihr Grenzbereich deutlich verschob und das Fahrverhalten unberechenbar wurde. Zum Glück wird sich die Auswahl an geeigneten Reifen dieses Jahr jedoch noch vergrößern – denn immerhin stehen die neuen „Plus Sizes“ kurz vor der Markteinführung und die Hersteller arbeiten bereits fleißig an Reifendesigns mit deutlich breiteren Laufflächen.
Für schottische Bedingungen konnten wir jedenfalls keinen Matschreifen finden, der mit diesen Felgen harmonierte und die meisten Spikes verfügen über ein derart schmales Laufflächenprofil, dass sie in montiertem Zustand aussahen, als hätten die Felgen einen Irokesenschnitt. In Regionen, in denen man ganzjährig mit einem Minion oder einem Hans Dampf gut zurechtkommt, wird man die Ibis 741 lieben. Aber leider wirkt sich die Felgenbreite je nach Reifen unterschiedlich auf das Fahrverhalten aus und beschränkt dadurch den Einsatzbereich dieses Laufradsatzes.
Neu ist das hakenlose Profil der Felgenflansche. Dieses entspricht im Querschnitt einem U-Profil ohne die typischen Hakenwulste am oberen Felgenrand. Das dadurch eingesparte Material wurde zur Verstärkung der Flanken verwendet. Laut Herstellerangaben sollen die Felgen bei Stoßtests dadurch um bis zu 300 % stabiler sein als vergleichbare Carbonfelgen auf dem Markt.
Der eigentliche große Vorteil des hakenlosen Profils zeigt sich aber erst bei der Montage eines Tubeless-Reifens: Der Reifenwulst rutscht selbst mit einer Behelfspumpe bereitwillig in Position, und das schon beim ersten Mal. Anschließend sitzt der Reifen derart fest, dass selbst bei aggressivster Fahrweise und niedrigstem Druck (1,25 bar) keinerlei Probleme mit Druck- oder plötzlichem Luftverlust auftreten.
Mit dem ansprechenden Design, der qualitativ hervorragenden Verarbeitung und dem tadellosen Finish erhält man mit dem Ibis 741 einen außergewöhnlichen Laufradsatz, der sich deutlich von der breiten Masse abhebt. Allerdings mussten wir feststellen, dass durch die enorme Felgenweite der Reifenüberstand, der die Felge schützt, nur sehr gering ausfällt. Bei häufigen Ausritten in felsiges Gelände werden die Felgen deshalb schnell in Mitleidenschaft gezogen. Unsere Testexemplare wiesen bereits nach kurzer Zeit deutliche Kampfspuren auf.
Fazit:
Wenn man vorhat, zukünftig mit niedrigerem Reifendruck zu fahren, ist der Ibis 741-Laufradsatz das Mittel der Wahl. Zu einem angemessenen Preis von 1.398 € wird man mit unglaublicher Steifigkeit, enormer Lenkpräzision und einem sensationellen Gewicht belohnt, ohne in puncto Stabilität und Abrollverhalten Abstriche machen zu müssen. Das macht den 741 zum idealen Laufradsatz für anspruchsvollstes Gelände.
Allerdings ist die Felgeninnenbreite von 35 mm nicht für alle Reifenprofile geeignet.
Zwar gibt Ibis mit der Entwicklung dieser Felgen eine revolutionäre, neue Richtung vor. Wer aber häufig in Gegenden fährt, in denen der Untergrund einen speziellen Reifen erfordert, sollte mit dem Umstieg noch warten bis auch alle Reifenhersteller nachgezogen haben.
Weitere Infos zu den ‘New Wide’ Ibis 741 Felgen, findet ihr auf der Ibis website.
Text und Fotos: Trev Worsey
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