Meine Waden brennen, Schweiß läuft mir in die Augen, tropft auf den Boden. Ich klebe förmlich am Hinterrad meines Trainingspartners, genieße den Windschatten. Vor uns taucht eine Steigung auf, ich schalte zwei Gänge hoch, um meine Trittfrequenz halten zu können. Die Straße ist perfekt asphaltiert und windet sich durch saftig grüne, sonnendurchflutete Wiesen. Draußen weht ein kalter Wind und dicke Regentropfen prasseln fast senkrecht gegen mein Fenster.
„Bah, alles richtig gemacht“, denke ich und konzentriere mich wieder auf meinen Monitor. Genauer gesagt: auf die virtuelle Welt, die er zeigt. Virtuelle Landschaft, virtuelles Asphaltband, virtuelle Bikes. Der Schweiß ist echt. Genauso echt wie der Fahrer aus Spanien, der den Anstieg nutzt, um an unserer Zweiergruppe vorbeizuziehen. Mein Vordermann gibt ein Handzeichen, dass ich wieder die Führung übernehmen soll. Ein kurzes Tippen aufs Smartphone genügt und schon bestätigt mein Avatar den Positionswechsel per Handgeste, während ich den Druck auf die Pedale erhöhe, um zum Überholen anzusetzen.
Willkommen in Watopia – Unterwegs in der Welt von Zwift
„Watopia“ heißt die virtuelle Welt um mich herum. Sie ist Teil der Software Zwift, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zeit auf dem Rollentrainer so spaßig wie möglich zu machen, indem sie das ansonsten eher stumpfe Indoor-Training in ein interaktives und soziales Onlinespiel verwandelt.
Dazu bietet Zwift verschiedene Möglichkeiten, den eigenen Rollentrainer mit dem Computer zu verbinden: Die günstigste Variante greift lediglich auf die Geschwindigkeits-Daten zurück und errechnet daraus die geleisteten Watt. Genauer unterwegs sind Nutzer, die in eine ANT+ kompatible Wattmessung z. B. per Quarq-Kurbel investieren. Wer richtig in die virtuelle Welt abtauchen will, sollte aber zu einem Smart Trainer (ab ca. 500 €) greifen. Der Vorteil: Zwift kann nicht nur die Leistungsdaten auslesen, sondern auch den Widerstand des Trainers anpassen und euch so spüren lassen, ob ihr es euch im Windschatten des Voranfahrenden gemütlich macht oder gerade einen fiesen Anstieg in Angriff nehmt – Immersion pur!
Die Hardware: Der Wahoo KICKR SNAP
Unsere Wahl für die Erkundungstouren durch Watopia fiel auf den KICKR SNAP Smart Trainer von Wahoo Fitness. Der SNAP fasst Laufräder von 24″ bis 29″ und ist mit allen gängigen Achs-Systemen kompatibel. Die Montage des Bikes geht innerhalb weniger Sekunden und auch das Verbinden mit der Zwift-Software am Computer klappt über den separat erhältlichen ANT+ USB-Stick (ca. 10 €) schnell und problemlos, sowohl unter Windows als auch unter MacOS.
Verbindet man den KICKR SNAP parallel noch mit der Zwift Mobile Link App (iOS/Android) per Bluetooth mit Smartphone oder Tablet, werden auch dort die aktuellen Leistungswerte angezeigt. Zudem kann man über die App bequem mit Fahrern in der Umgebung kommunizieren und die Kameraperspektive steuern, ohne den Computer selbst anzurühren – durchdacht! Im Testverlauf funktionierte die Kommunikation zwischen Rollentrainer, Smartphone und Computer stets zuverlässig, nur ab und an waren kurze Verzögerungen bemerkbar.
Next Level: So macht Rollentraining Spaß
Nachdem man den Trainer verbunden und sich mit seinem persönlichen Account (10 USD/Monat) eingeloggt hat, findet man sich am Straßenrand wieder und kann direkt losfahren und damit beginnen, die Welt zu entdecken. Neben dem besonders detailliert ausgestalteten “Watopia”-Level (6 Routen, 35,31 km Streckenlänge) stehen auch noch die Strecke des 2016 Prudential Ridelondon (5 Routen, 19,9 km Streckenlänge) und der Rennkurs des 2015 UCI World Road Race (4 Routen, 18,9 km Streckenlänge) zur Auswahl. Egal wann man sich einloggt, in der virtuellen Welt ist stets einiges los, nur selten ist man über längere Strecken allein unterwegs. Bike und Outfit lassen sich jeweils individuell anpassen. Der Clou: Zusätzliche Outfits lassen sich erst mit Punkten freischalten, die man verdient, indem man Strecke macht, Bestzeiten sammelt und Achievements freischaltet – eine zusätzliche Motivation, öfter auf den Rollentrainer zu springen.
An Motivation hätte es uns aber auch ohne dieses Feature nicht gemangelt: Es ist erstaunlich, wie viel Spaß Rollentraining plötzlich machen kann, wenn man nicht mehr alleine ist, egal ob man sich mit den Kumpels zum „Online Date“ verabredet oder sich mit beliebigen Fahrern misst. Oft haben wir uns dabei ertappt, dass aus der geplanten gemütlichen Runde ein ganzer Abend voller Bergsprints und Zweikämpfe wurde. Ziel erreicht!
Einen großen Teil dazu beigetragen hat auch der KICKR SNAP-Trainer selbst, der mit Unauffälligkeit glänzte – vermutlich das Beste, was man über einen Rollentrainer sagen kann. Schnelle Montage, eine verhältnismäßig geringe Lautstärke und ein stabiler Stand überzeugten alle Tester. Dank des fast 5 kg schweren Schwungrads fühlt sich das Beschleunigen ziemlich realistisch an, also kein Vergleich zu den günstigen Spinning Bikes, wie man sie in Fitness-Studios findet. Den maximalen Widerstand gibt Wahoo mit stolzen 1.500 Watt an, das ist mehr als ausreichend auch für gut trainierte Fahrer.
Mit 549,99 € reiht sich der SNAP preislich im unteren Mittelfeld der Smart Trainer ein. Natürlich ist das teurer als ein weniger „smarter“ Rollentrainer, doch auf die tatsächliche Fahrzeit gerechnet ist unser KICKR SNAP bereits jetzt günstiger als manch anderer Trainer, den wir getestet haben, eben weil er nicht ungenutzt im Keller verstaubt.
Neben Zwift gibt es noch jede Menge weiterer Apps und Programme, die mit dem KICKR SNAP kompatibel sind: Egal ob gezieltes Intervall-Training (trainerroad.com) oder das virtuelle Nachfahren von Strava-Segmenten und Tour-the-France-Etappen – die Auswahl ist größer, als der Winter lang ist!
Fazit
Die Kombination aus smarten Trainern und intelligenter Software bringt Indoor-Training auf das nächste Level. Zwift und der Wahoo KICKR SNAP erwiesen sich als Traumpaar und überzeugten die Tester mit einfacher Bedienung, durchdachten Features und einem realitätsnahen Fahrerlebnis. Noch nie war das Training auf der Rolle so motivierend.
Mehr Information: Wahoo Webseite | Zwift Webseite
Hinweis: Dieser Test wurde Ende 2015 zuerst veröffentlicht und für die aktuelle Wintersaison aktualisiert.
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Text & Fotos: Aaron Steinke