Testbericht | Marin Mount Vision C-XM9
Marin gehörte von Ende der Neunziger bis in die Nullerjahre hinein mit zu den Top-Bikemarken in England. Später dann etwas ins Hintertreffen geraten, meldet sich die kalifornische Kultmarke nun mit einer Reihe neuer Bikes zurück, um sich mit den etablierten Carbonrahmen-Manufakturen zu messen. In der Gegend um Marin County findet man einige der besten Trails in Kalifornien und so lag es nahe, die 1986 gegründete Firma nach eben dieser Gegend zu benennen. Seit jeher legt man dort großen Wert auf Forschung und Entwicklung und wir freuen uns, eines der jüngsten Erzeugnisse unter Englands schlammigen Bedingungen testen zu können: Das Mount Vision Carbon mit 27,5″-Rädern und 140 mm Federweg.
Das C-XM9 ist das Spitzenmodell der Mount Vision-Serie und spricht aggressivere Biker an, denen der große Bruder, das Marin Trail Attack, zu schwer ist. In Sachen Optik wurde das Stealth-Konzept bis auf ein paar klar lackierte Carbonteile konsequent durchgezogen, was den Rahmen zu einem absoluten Hingucker macht. Interessant ist der Hinterbau, welcher bei den oberen und unteren Kettenstreben den natürlichen Flex des Carbonmaterials (3°) nutzt, um das Ansprechverhalten auf den ersten Millimetern des Federwegs zu verbessern. Aus diesem Grund wurde auch die Aufnahme des Bremssattels in das Dreieck der Kettenstreben verlegt, was zudem lästiges Bremsenquietschen eliminieren soll.
Bevor es ans Testen ging, wurde noch eine kleine Änderung vorgenommen. Auf Wunsch unseres Testfahrers, musste der 740-mm-Lenker sowie der 70-mm-Vorbau einem eher abfahrtsorientierten Cockpit mit 780-mm-Lenker und 50-mm-Vorbau aus dem Hause Joystick weichen. Dadurch wurde die Charakteristik des Bikes deutlich aggressiver. Der Rest der hochwertigen Ausstattung blieb unverändert. An der Front arbeitet die zierlich anmutende 32er FOX-Gabel, während am Heck ein vielfach bewährter FOX CTD-Dämpfer seinen Dienst verrichtet. Ebenso zuverlässig ist der SRAM X01-Antrieb mit einem 32er Kettenblatt an der Einfachkurbel. Der Rahmen bietet aber auch die Möglichkeit zur Umwerfermontage. Easton Haven-Felgen und Easton- Naben bilden die hochwertigen Laufräder, die mit Schwalbe Nobby Nic tubeless bestückt sind, während ein Satz Guide-Bremsen von SRAM für ausreichend Verzögerung sorgen soll. Abgerundet wird das hochwertige Ausstattungspaket durch einen fi’zi:k-Sattel, der auf einer 125 mm Kind Shock LEV mit links angebrachter Fernbedienung montiert ist.
Ein paar Dinge fallen einem an dem Bike sofort auf. So können beispielsweise die Züge komplett innen, aber auch – mit Hilfe abnehmbarer Klammern – außen am Unterrohr verlegt werden. Dieses wird durch einen massiven Schutz vor Steinschlägen geschützt. Allerdings ist der Gummieinsatz für die innere Zugführung etwas plump geraten. Positiv dagegen ist die Verwendung von Torx- anstatt schnell verrundender Inbusschrauben an den Lager- und Dämpferaufnahmen zu bewerten. Damit bei etwas ruppiger Gangart die Carbonstreben nicht durch eine schlagende Kette in Mitleidenschaft gezogen werden, sind auch diese durch speziell geformte Gummiteile geschützt. Die Kettenlinie ist perfekt, so dass man bis zum zweiten Gang auch etwas heftiger rückwärts treten kann, ohne befürchten zu müssen, dass die Kette von der Kassette abfällt und das Schaltwerk beschädigt.
Komplett wiegt das Bike erfreuliche 12,38 kg ohne Pedale.
In der Praxis
Unser Testfahrer qualifiziert sich mit einer Körpergröße von 1,78 m für einen Rahmen in L. Seinen Angaben zufolge fühlte sich dieser mit dem 50-mm-Vorbau und den 30 mm Rise am Lenker erstaunlich komfortabel an, obwohl Marin im Ruf steht, nicht dem aktuellen Trend zu folgen und eher kurze Rahmen zu bauen.
Lässt man es in schwierigem Gelände dann ordentlich laufen, so fühlt sich der Hinterbau mit seiner linearen Kennlinie ausgesprochen aktiv an; fast so, als hätte man mehr als die angegebenen 140 mm Federweg zur Verfügung. Die schwachbrüstige FOX-Gabel mit den 32er Standrohren kann dabei nicht immer ganz mithalten. Sie bringt einen besonders in steinigen Passagen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. In kurz aufeinander folgenden Kurven präsentiert sich das Marin mit seinem 611,4 mm langen Oberrohr und dem 67,8° steilen Lenkwinkel spielerisch und wendig. Dennoch vermittelt das Bike auf schnellen Abschnitten erstaunlich viel Stabilität, was auf die tadellose Funktion des Hinterbaus mit seinen 435 mm langen Kettenstreben zurückzuführen ist.
Geht es bergauf, so wählt man an den FOX-Federelementen den Modus „Climb“ und Pedalwippen wird zum Fremdwort. Leichtfüßig und mit viel Grip geht es dann mit dem Marin rasant bergauf. Blitzschnelle Richtungswechsel gehören fast zur Paradedisziplin und so lassen sich die Fahreigenschaften als verspielt, wendig und dennoch abfahrtsstabil beschreiben.
Fast alle Komponenten sind zweckmäßig gewählt. Der Sattel ist bequem und die Laufräder verrichten auch nach mehreren Ausflügen in gröberes Gelände klaglos ihren Dienst. Auch der neue Nobby Nic funktioniert auf steinigem oder schlammigen Untergrund im Vergleich zu seinem Vorgänger – mit dem wir schon die eine oder andere schlechte Erfahrung hatten machen müssen – erstaunlich gut. Während des Tests gab es jedoch zwei Dinge, die uns weniger gut gefallen haben. Zum einen war dies die Bremskraft der Guide-Bremsen, die besonders bei schlammigen Bedingungen zu wünschen übrig ließ. Zweiter Kritikpunkt war die Klemme des Remotehebels für die KS-Sattelstütze. Sie dauerhaft zu fixieren schien uns gänzlich unmöglich. Selbst nachdem wir die 4 mm Inbusschraube mit dem vielfachen des empfohlenen Drehmoments angezogen hatten, drehte sie sich bei jeder Hebelbetätigung munter um den Lenker.
Fazit
Mit dem Mount Vision gelingt Marin ein ausgezeichnetes Bike und geht es rein um den Spaßfaktor, so ist es laut den Aussagen unseres Testfahrers mit das Beste, das er je gefahren ist. Mit einer potenteren 150-mm-Gabel, und einer Remotehebelklemme, die ihren Namen verdient, könnte daraus eine fantastische und vielseitige Trailwaffe werden, die noch dazu hervorragend aussieht. Fairerweise muss man dazu sagen, dass der Gabel von unserem knapp 83 kg schweren und aggressiv zu Werke gehenden Testfahrer einiges abverlangt wurde. Die meisten leichteren Fahrer werden von der ansonsten tadellosen Funktion schlichtweg begeistert sein.
Die kalifornischen Kultmarke meldet sich also eindrucksvoll zurück und beansprucht zu recht wieder einen Platz unter den Premiumherstellern. Wir hoffen, auch in Zukunft nicht nur in England wieder mehr von ihr zu hören.
Preis 6.900,00 € (£5000.00 $6799.00). Mehr Informationen unter www.marinbikes.com
Text: Jim Buchanan Bilder: Trev Worsey, Doc Ward
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