Seit über einem Jahr sorgt das Schwalbe Procore-System bereits für Diskussionen unter ambitionierten Bikern und das vor allem, weil es bislang kaum erhältlich war und sich so niemand eine echte Meinung bilden konnte. Wir haben bereits vor einigen Wochen ein System erhalten und nachdem mittlerweile der erste Satz Reifen damit abgefahren ist, wird es Zeit ein erstes Fazit zu ziehen.

Die Box auf die viele seit Monaten warten – das Schwalbe Procore-System kommt für den Preis von 195 € in einer schicken Verpackung.
Die Box auf die viele seit Monaten warten – das Schwalbe Procore-System kommt für den Preis von 195 € in einer schicken Verpackung.

Was ist Procore?

Tubeless ist super! Doch es hat auch Nachteile, der eine nennt sich Burping und bezeichnet den ungewollten Luftverlust durch das Walken des Reifens (überwiegend in Kurven), der andere sind Durchschläge auf die Felge, wenn man doch wieder einmal mit einem zu geringen Luftdruck Vollgas in das nächste Wurzelfeld heizt. Mit beiden Problemen ist jetzt Schluss, verspricht Schwalbe mit der Einführung von Procore.

Die Innenkammer schützt die Felge und hält den Reifen sicher auf dem Laufrad.
Die Innenkammer schützt die Felge und hält den Reifen sicher auf dem Laufrad.

Der Clou, das System verfügt über zwei Luftkammern. Die innere, kleine Luftkammer, die direkt an der Felge sitzt und diese schützt, presst den Reifen gegen das Felgenhorn und hält ihn so an Ort und Stelle. Dadurch ist es möglich, die äußere Kammer mit einem deutlich geringen Luftdruck zu fahren (0,8-1,3 bar) ohne Durchschläge oder Burping fürchten zu müssen und gleichzeitig noch mehr Grip, Traktion und bessere Dämpfungseigenschaften zu erhalten.

Das Set beinhaltet alles, was man für den Umbau auf das Doppelkammer-System benötigt.
Das Set beinhaltet alles, was man für den Umbau auf das Doppelkammer-System benötigt.

Doch die zweite Luftkammer soll noch mehr Vorteile bringen: zum einen können Fahrer, die bisher immer schwere Doppelkarkassen- bzw. SuperGravity-Reifen gefahren haben jetzt deutlich leichtere SinglePly-Modelle nutzen, ohne auf Pannenschutz zu verzichten. Zum anderen kann im Falle eines Luftverlusts in der Hauptkammer auch mit einem vermeintlich platten Reifen noch gefahren werden ohne die Felge zu beschädigen.

Die Vorteile auf einen Blick

  • Mehr Grip durch einen geringen Luftdruck
  • Mehr Komfort durch bessere Eigendämpfung bei geringeren Luftdruck
  • kein Burping durch den Druck der inneren Kammer
  • Die innere Kammer schützt die Felge vor Durchschlägen
  • Auch bei Luftverlust in der Hauptkammer noch gute Notlaufeigenschaft

Die Montage von Procore

Auf den ersten Blick wirkt die Montage ziemlich kompliziert, das ändert sich jedoch sobald man sich einmal für nur wenige Sekunden mit dem System beschäftigt hat. Das Set als solches beinhaltet alle benötigten Teile. Das einzige was man zusätzlich zur Montage braucht ist eine Pumpe, die Reifen und ein Laufradsatz mit mind. 23 mm Innenbreite.

Die Kernbestandteile von Procore, der Innenreifen (blau), der Schlauch und der Airguide (rot).
Die Kernbestandteile von Procore auf einem Blick: der Innenreifen (blau), der Schlauch und der Airguide (rot).

Wie man das Set montiert zeigt euch Steffi Marth in diesem Video

Anders als bei einem der ersten Prototypen kommt bei der finalen Procore-Version nur ein Ventil zum Einsatz, über das sich beide Luftkammern befüllen lassen. Schwalbe selbst empfiehlt die innere Kamera mit 4-6 bar und die äußere mit 0,8-1,3 bar zu befüllen. Wir haben während unseres Tests im Kern immer rund 6 bar und im Reifen selbst 1,0 – 1,3 bar gefahren.

Wird lediglich das Ventil geöffnet, kann die innere Kammer des Procore-System befüllt werden.
Wird lediglich das Ventil geöffnet, kann die innere Kammer des Procore-System befüllt werden.
Dreht man dann zusätzlich noch den oberen Teil des Ventils heraus öffnet sich die große Hauptkammer.
Dreht man dann zusätzlich noch den oberen Teil des Ventils heraus öffnet sich die große Hauptkammer.

Auf dem Trail

Wir machen es kurz: Procore ist einfach der Wahnsinn! Und das aus mehreren Gründen. Der Grip, die Dämpfung und der Pannenschutz sind phänomenal! Aber jetzt einmal im Detail. Für den Test montierten wir einen Schwalbe Magic Mary am Vorder- und den neuen Nobby Nic am Hinterrad. Beide auf einer Syntace W35 MX Felge mit einer Innenbreite von 28,5 mm. Bei beiden Laufrädern befüllte wir die innere Kammer mit 6,0 bar, die äußere vorn mit 1,1 bar und hinten mit 1,3 bar. Diese Werte stellten sich für uns im Verlauf des Tests auch, als die für uns passendsten heraus. Bei weniger Lufdruck wurde das Fahrverhalten zu schwammig, bei mehr kamen die Vorteile des Systems nicht mehr so deutlich zum Tragen.

In Kombination mit der breiten Syntace-Felge ging die Montage sehr einfach.
In Kombination mit der breiten Syntace-Felge ging die Montage sehr einfach.

Die Vorteile von Procore spürt man bereits auf den ersten Metern, denn das Rad liegt spürbar satter auf dem Trail. Speziell auf steinigen, wurzligen Wegen schmiegt sich der Reifen dem Untergrund deutlich besser an, vermittelt spürbar mehr Grip und vor allem sehr viel mehr Komfort. Beim Anbremsen sorgt die größere Auflagefläche für mehr Traktion und der Bremsweg verkürzt sich gefühlt um 1/4.

Neben den direkt spürbaren Vorteilen während der Fahrt bietet Procore jedoch noch einen weiteren, für uns extrem wichtigen Benefit – die hohe Pannensicherheit! Richtig bewusst wurde uns dieser Faktor beim Stop der Trail Trophy in Latsch, bei dem die Rennstages ohne vorheriges Training blind gefahren werden mussten. Während am Ende der meisten Stages etliche Fahrer fleißig Platten flickten kam es bei Redakteur Christoph zu keinerlei Defekten – trotz der ein oder anderen unglücklich gewählten Linie direkt durch die Steine. Und auch auf der Feierabendtour oder anderen Reisen wussten wir den Umstand, zu wissen das die Chance für einen Reifendefekt verschwindet gering ist, zu schätzen.

Mit Vollgas über einen unbekannten Trail – mit dem Schwalbe Procore-System kein Problem.  Bild: Manfred Stromberg
Mit Vollgas über einen unbekannten Trail – mit dem Schwalbe Procore-System kein Problem. Bild: Manfred Stromberg

Doch bei so viel Licht gibt es natürlich auch Schatten. Zum einen ist da das Mehrgewicht, das sich jedoch im direkten Vergleich zu einem SuperGravity-Reifen relativiert, schließlich kann man mit Procore einen Reifen mit dünnerer Karkasse fahren und hat dennoch einen besseren Durchschlagsschutz. Dann ist da der Faktor Rollwiderstand. Dieser war gefühlt bei einem Luftdruck von über 1,0 bar nicht merklich höher als bei einem normalen tubeless aufgebauten Laufrad, stieg bei Luftdrücken unter 1,0 bar jedoch spürbar an. Fahrer die viel auf gebauten Strecken mit Anliegern und Sprüngen unterwegs sind werden außerdem das leicht undefinierte Fahrverhalten und das Wegknicken des Reifens kritisieren.

Procore ist wie gemacht für Blind-Racing, denn selbst wenn die Linie einmal nicht optimal sitzt ist die Gefahr von Reifendefekten minimal.
Procore ist wie gemacht für Blind-Racing, denn selbst wenn die Linie einmal nicht optimal sitzt ist die Gefahr von Reifendefekten minimal. Bild: Manfred Stromberg

Fazit

Wer viel Wert auf Grip, Komfort und Pannenschutz legt wird das Schwalbe Procore-System lieben! Der Preis von 195 € ist stolz, das Mehrgewicht von 200 g/pro Laufrad hoch, doch der Performancegewinn bergab immens! Wer das nötige Kleingeld sowie mind. 23 mm breite Felgen besitzt und Strava KOMs lieber bergab als bergauf knackt sollte Schwalbes Procore-System unbedingt einmal ausprobieren – denn auch nur dann kann man wirklich mit diskutieren.

Weitere Informationen zu Procore findet ihr auf: schwalbe.com/procore

Text: Christoph Bayer | Bilder: Christoph Bayer/Manfred Stromberg


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