TransNZ – Teil 1: Mehrtages-Endurorennen am anderen Ende der Welt
Von den Anden zum Pazifik. Einmal quer durch die Provence. Über die Gebirgskämme der Savoyen. Maxi Dickerhoff liebt Mehrtages-Endurorennen und so erfüllt er sich dieses Jahr einen weiteren Traum: das TransNZ. Bekannt als einstiger rasender Reporter machte Maxi die Erfahrungen von Schmerz, Qualen und Erfolg gern am eigenen Leib. Seit nicht allzu langer Zeit hat der ehemalige Rennfahrer dem Journalismus den Rücken gekehrt und verwirklicht sich nun in seinen neuen Aufgaben beim deutschen MTB-Hersteller GHOST-Bikes, in dessen Namen er dieser Tage eines der wohl schönsten Rennen der Welt bestreitet, die TransNZ.
Exklusiv für Enduro-MTB berichtet Maxi über sein Abenteuer inmitten der neuseeländischen Alpen.
Warum einfach wenn es auch umständlich geht?
Eine Kulisse wie man sie auf der nördlichen Hemisphäre unseres Planeten meist nur aus “Der Herr Der Ringe”-Filmen kennt – das reale Mittelerde im Herzen Neuseelands. Schroffe karge Bergmassive recken sich auf engstem Raum in die Höhe und kesseln atemberaubende Flussläufe und Grünflächen ein. Die Anreise aus Christchurch, der größten Stadt auf Neuseelands Südhalbinsel, hin zum Camp Zero des Mehrtagesrennens ist an sich schon eine Reise wert und bannt die Teilnehmer mit offen stehenden Mündern an die Fensterscheiben unseres rustikalen Reisebusses.
Die Strapazen scheinen sich schon jetzt gelohnt zu haben, denn die aufwendige Anreise ließ anfänglich so manchen Zweifel aufkeimen. 36 Stunden Reisezeit, drei Zwischenstopps – und das Schlimmste, nur 30 kg Freigepäck: Für einen Mountainbiker, der zu einem Wettkampf reist, fast schon ein Ausscheidekriterium. Aber eben nur fast. Geschickt gepackt ist halb gewonnen – wer dann auch noch am Abflughafen etwas schummeln kann, hat die halbe Miete schon gewonnen. So bepackt konnte meine Reise mit Fotorucksack, Helmtasche, Reisekoffer und Bike-Box losgehen.
Camp Zero – die Aufregung steigt!
Ausgehend von der Flock Hill Lodge, einem einsam gelegenen Anwesen inmitten der Ostalpen, wird es losgehen. Mobilfunknetz sucht man hier vergebens, ebenso wie eine Internetverbindung – wer hierher kommt, sucht die Stille der neuseeländischen Natur. Genau das ist auch das Konzept des TransNZ Enduro-Rennens, welches Organisatorin Megan Rose in diesem Jahr zum zweiten Mal ausrichtet. Die Kanadierin konnte sich in der Szene nicht zuletzt durch ihre Veranstaltungen wie die NZ Enduro Serie und das berüchtigte BC Enduro längst einen Namen machen. Der Erfolg dieser als Abenteuer deklarierten Veranstaltung dürfte also sicher sein.
Spätestens nach dem ersten Riders Briefing und einer detaillierten Beschreibung des anstehenden ersten Renntages sind die Erwartungen hoch: Nichts Geringeres als die besten Trails der Welt werden versprochen – die Besten, jedoch auch die Anspruchsvollsten. Vor Allem auf Stage 1 wird mit eindringlicher Stimme hingewiesen: „Wenn ihr sie geschafft habt, könnt ihr anfangen, den Tag zu genießen!“ Es wird prophezeit, dass die zahlreichen High-Speed-Passagen und überraschend auftauchenden Spitzkehren, zusammen mit dem losen Geröll in garstigen Steinfeldern, schnell ein jähes Ende des Rennens herbeiführen können. Fingers crossed!
Es verspricht ein spannendes Rennen zu werden, welches die rund 120 Fahrer aus aller Welt kaum noch abwarten können. Die Anreise von bis zu 40 Stunden soll schließlich nicht vergebens gewesen sein.
Tag 1 – und immer schön viel trinken!
Hitze, brennende Hitze: Was für die Aussies und Kiwis ein gewöhnlicher Spätsommertag ist, macht uns Mitteleuropäern, die wir dem heimischen Winter entflohen sind, am heutigen ersten Renntag mächtig zu schaffen. Wie es sich für ein Mehrtagesrennen wie dem TransNZ gehört, geht es an Tag eins gleich in die Vollen. Shuttle, Liftunterstützung? Fehlanzeige! Enduro in seiner reinsten Form steht auf dem Programm.
Ausgehend von der kleinen aber feinen Flock Hill Lodge geht es quer durch die Ausläufer der hiesigen Ski-Gebiete Craigieburn und Cheeseman. Bergauf geht es, wie könnte es in Neuseeland auch anders sein, natürlich über Singletrails. Singletrails, die in der Heimat gut und gern als vollwertige Special Stages eines nationalen Enduro-Rennens herhalten würden. Kein Wunder, dass uns die Kiwis auf dem Bike etwas vormachen. Wer neben der physischen Komponente schon so gute Skills im Uphill braucht, den überrascht im Downhill nichts mehr. So groß die Freude über die abwechslungsreichen Aufstiege auch ist, so strapaziös fallen sie aus. Kaum einer bewältigt die Gesamtetappe ohne das Bike an der ein oder anderen Stelle schiebend Richtung Gipfel zu wuchten. Die Hitze tut ihr übriges, was sich bei so manchem Teilnehmer schnell in einer Krustentier-artigen Hautfarbe zu erkennen gibt. Trinken, sehr viel Trinken – eine Dehydrierung ist bei den enormen Belastungen in dieser Hitze nicht auszuschließen.
Das Fantastische an der TransNZ: Schon die Uphills versetzen echte Biker ins Schwärmen, doch kann die umliegende Natur immer noch eins draufsetzen. Wäre es kein Wettkampf, ich hätte am liebsten innegehalten und mich ganz dem Genuss dieser fantastischen Aussicht hingegeben. Doch nicht nur die Bergpanoramen ähneln einem Kunstwerk, auch die dichten Wälder, durch die sich die hiesigen Trails schlängeln, sind bemerkenswert. Von den Ästen hängen riesigen Flechten, sodass man sich vorkommt, als wäre die Strecke gesäumt mit Zuschauern des Fangorn-Waldes, dem mystischen Wald der Herr der Ringe-Trilogie, in denen das sprechende Baumvolk der Ents heimisch ist.
Beim Anblick dieser Kulisse fällt es schwer den Blick aufs Wesentliche zu fokussieren, den Wettkampf und die damit einhergehenden Wertungsprüfungen. Doch wie bereits erwähnt, kann in Neuseeland immer noch eins obendrauf gesetzt werden: So sind die fünf am heutigen Tage gewerteten Special Stages und ihre Abfahrten in Sachen Spaßfaktor kaum zu übertreffen. Von locker losem Waldboden bis hin zu sandig rutschigem Schotter ist alles geboten. Neben den physischen Strapazen fordert die Strecke auch fahrtechnische Raffinesse. Und obwohl die ersten beiden Stages eigentlich noch als „am wenigsten fordernd“ beschrieben werden, schaffte ich es tatsächlich, mir schon auf Stage 1 den ersten Defekt einzufahren.
Bei einer beherzten Flussdurchfahrt setzte ich mein Hinterrad dermaßen unglücklich auf einen Stein, wofür ich sofort einen Platten kassierte. Glücklicherweise lässt sich das verbleibende letzte Stück des Trails auch halbwegs gut mit plattem Hinterreifen bewältigen, was den Zeitverlust in Grenzen hält.
Der restliche Tag verläuft reibungslos, das ständige Reiben juckender Moskitobisse einmal außer Acht gelassen. Die Stimmung könnte zum Ende des ersten Renntages nicht besser sein. Bis auf ein paar kleine Blessuren erreichen alle Teilnehmer die letzte Ziellinie. Lediglich Aaron Bardfort gelingt es auf den letzten Meter einen unglücklichen Abgang hinzulegen, welcher ihm tiefe Schürf- und Schnittwunden und somit eine Nacht im Krankenhaus einbringt.
Highlight Video Tag 1
Tag 2 kann kommen, wird sind bereit!
Text: Maxi Dickerhoff Bilder: Maxi Dickerhoff/Trans NZ PR
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