Mit knapp 27 Kilometern Fahrstrecke in den Beinen und rund 1.200 Höhenmetern Uphill-Niveau, sowie derselben Größenordnung an gewerteten Special Stages des ersten Tages, fand das Abenteuer TransNZ am zweiten Tag bei durchwachsener Witterung seine Fortsetzung. Ausgehend vom Basislager Flock Hill Lodge wurde ein weiteres Mal talaufwärts geshuttelt. Von dort ausgehend musste sich das Fahrerfeld über abwechslungsreiche und teils anspruchsvoll ausgesetzte Trails zurück zur Lodge kämpfen, bevor es anschließend via Bus-Transfer ins sechs Stunden entfernte Queenstown übergesiedelt wurde. Doch alles der Reihe nach.

Falls ihr den ersten Teil verpasst habt, könnt ihr ihn hier nachlesen:
TransNZ – Teil 1: Mehrtages-Endurorennen am anderen Ende der Welt

tnz_TransNZ_Media_#beautifulnature TransNZ_Day_3_iPhone_epics-2754 AT_TransNZ_Media_Tito_Tomasi_from_France_seems_to_be_used_to_multi_day_races

Tag 2 – am Rande des Wahnsinns

The Edge, der Name sagt schon alles! Er wird es sein, der Trail des Tages und zugleich die Herausforderung des Tages – auf Messers Schneide am Rande des Abgrunds. Nach einer bereits längeren ersten Wertungsprüfung und einer knapp eineinhalbstündigen Tretstrecke bergauf erreichen wir das Ski-Gebiet Craigieburn. Von hier aus bringt uns ein flowiger Trail entlang steiler Hangflanken und grobe Schotterreisen passierend zum Start von Wertungsprüfung Nr. 2, einem ausgesetzten Trail Namens “The Edge”, der seinem Namen alle Ehre macht.

Trans-NZ-Day2-6 Trans-NZ-Day2-5

Nicht nur dass es linker Hand in einem dichten Wald steil abfallend ins Tal geht, nein, zu allem Überfluss ist der Trail auch noch tief in die Bergflanke gegraben, was bedeutet, dass zur Rechten teils kaum eine handbreit Platz zwischen Lenkerende und Berg ist. Eine Handbreite, die über Sieg oder Niederlage entscheiden kann, über Flow oder Sturz. Volle Konzentration und Körperspannung sind gefragt, um den ohnehin schon anspruchsvollen, vor allem aber sehr schnellen Trail treffsicher meistern zu können.

Trans-NZ-Day2-3 Trans-NZ-Day2-4 MB_TransNZ_Media_German_Maxi_Dickerhoff_flat_out

Es gelingt – den meisten zumindest. Der ein oder andere Sturz bleibt jedoch nicht aus, glücklicherweise ohne Opfer und Kollateralschäden. So kann es genüsslich über zwei weitere Wertungsprüfungen zurück zum Basislager gehen, wo unser Gepäck bereits aufgereiht vor den wartenden Bussen steht. Wir verlassen die Flock Hill Lodge und damit auch die Region Canterbury. Unsere Reise führt uns quer durch die Alpen Neuseelands, mitten hinein nach Otago und der darin liegenden Hauptstadt des Outdoor-Funsports, Queenstown. Hier wird die Pinewood Lodge für die nächsten Tage unser Zuhause sein.

Tag 3 – geht´s noch geiler?

Wer Queenstown hört, denkt unweigerlich an zahlreiche Action-Videos diverser DH-Stars, die sich auf den umliegenden Stecken bis zum Abwinken die volle Dröhnung Action geben. Wir hingegen entfernen uns von Queenstown´s Bike-Attraktionen und steuern das Hinterland an.

tnz_TransNZ_Media_#flowline TransNZ_Day_3_iPhone_epics-2738 Trans-NZ-Day2-1

Ausgehend von Neuseelands beliebtestem Ski-Gebiet, dem 1.649 Meter hohem Coronet Peak, welchen wir in umgekehrter Richtung über eine seiner flowigen Abfahrten aufwärts mit dem Rad erklimmen, erwartet uns eine der bisher längsten Abfahrten des Rennens. Was wir soeben noch unter Qualen hinauf gestrampelt sind, gilt es nun im Kampf gegen die Uhr bergab wieder zunichte zumachen. Umrahmt von eisigen Sträuchern, deren Frost die Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne wie eine Discokugel reflektiert, fällt in den eisigen Höhen der Startschuss. So richtig in Flow kommen wir jedoch nur schwer, fährt uns die früh morgendliche Kälte in der Höhe zu sehr in die müden Glieder. Umso erfreulicher ist der wärmende Anstieg zu Stage 2.

MB_TransNZ_Media_Maxi_Dickerhoff_whips_it_out_at_SP1 BN_TransNZ_Media_Sarah_Rawley_flat_out

Trail Nr. 2 startet in anspruchsvollem Gelände: Stufen, Felsen und schnelle High-Speed-Passagen mit ausgewaschenen Bremswellen rauben die ersten Kräfte. Die letzten Kräfte rauben hingegen die anhaltenden Tretpassagen. Mit zunehmender Fahrzeit schlängelt sich der Trail um den Berg, hinein in ein ausgetrocknetes Tal, welches von der hochstehenden Sonne regelrecht gebraten wird. Der Trail ist lang, richtig lang sogar. So lang, dass ich mir nach einer Weile unangenehm einsam vorkomme. Habe ich mich verfahren, evtl. eine Wegmarkierung übersehen. Weit und breit kein anderer Fahrer. Mist, hätte ich beim Riders Briefing auf dem Berg doch besser aufgepasst und mich nicht dem Posten selbstverliebter Selfies hingegeben. Solange ich mir nicht sicher bin, bleibe ich weiterhin zur Sicherheit auf dem Gas. Dann, endlich, in der Ferne sehe ich die vor mir gestarteten Fahrer mühevoll eine steile Rampe erklimmen. Ich bin richtig, Gott sei Dank. Es folgen weitere Minuten Abwechslung aus quälenden Sprinteinlagen und feinstem High-Speed-Hucking.

Steil ist geil!

Nach einer längeren Rast an der Verpflegungsstation setzte ich den Tag fort. Über einen langen Anstieg, zwei weitere Stages und einen Shuttle-Transfer erreiche ich den Uphill zur letzten Wertungsprüfung. Jener Wertungsprüfung, von der selbst die weit her Angereisten wilde Geschichten zu berichten wissen. Steil soll er sein, der Trail hinab ins Tal – richtig steil.

MB_TransNZ_Media_deep_in_the_woods

Das bestätigt auch ein örtlicher Guide, der sich am Start der Stage eingefunden hat und die Teilnehmer auf das Bevorstehende einschwört. „It´s steep – I mean, it´s steeeeeep!“ Nun gut, von hier oben sieht es nun wirklich nicht so wild aus, doch lässt das Verhältnis von Hanglänge zu Höhenunterschied etwas anderes vermuten. Ich vertraue seinen Worten und mache mich auf das Schlimmste gefasst.

3, 2, 1, Go! Ich gehe es entspannt an, bloß nicht schon im Startsprint zu viele Körner verschießen. Erste Kurve: Einfahrt, eine Kurbel Umdrehung und prompt die Augen aufgerissen. Ok, das ist steil – ab jetzt ist volle Konzentration gefragt. Ich versuche zu bremsen, doch der feine Sand auf dem durchgetrockneten Boden lässt nicht viel Verzögerung zu. Es gilt den richtigen Flow zu finden – auf dem rutschigen Boden zu surfen und in den richtigen Momenten durch Bremsimpulse über das Hinterrad um die Ecken zu rutschen. Es klappt! Doch die Konzentration, die für diesen Trail erforderlich ist, kostet Körner – so langsam verlassen mich die Kräfte. Von Kurve zu Kurve hoffe ich zunehmend inständiger endlich die Ziellinie zu sehen. Und dann endlich, kurz bevor ich den Lenker nicht mehr halten kann, sehe ich in der Ferne, also tief unter mir eine kleine Menschenansammlung. Das muss das Ziel sein. Glücklicherweise macht der Trail ab hier zunehmend auf, sodass ich endlich die Finger von der Bremsen nehmen und mich ganz der Hangabtriebskraft hingeben kann. Mit letzten Kräften erreiche ich die Ziellinie dieser Wertungsprüfung und hole mir meinen Zeitstempel ab. Geschafft, endlich geschafft!

MB_TransNZ_Media_don´t_risk_to_much

Nicht ganz, denn was noch kommen soll, wird sich als Highlight des Tages entpuppen. Nach einer gefühlten Ewigkeit in der Sonne, fachsimpelnd und philosophierend an der Ziellinie stehend, raffen wir uns endlich auf in Richtung Tagesziel zu fahren. Wie sollte es anders sein, führt die Route über einen weiteren Trail in Richtung Tal. Da für Neuseeländer ein Biketag ohne Flussquerung wohl vergebene Mühe zu sein scheint, hätte die Rennleitung keinen passenderen Rückweg aussuchen können. Flussbett-Massaker 2.0 – nie zu vor habe ich in einem so kurzen Abstand so oft einen Fluss mit dem Bike durchquert. Und weil der Trail gar so schnell und flowig ist, erfolgt jede Querung durchs Wasser mit Topspeed. Offensichtlich wollten die Veranstalter sicherstellen, dass auch an diesem staubig heißen Sommertag niemand trockenen Fußes das Basislager erreichen könne. Ob man Wasser mag oder nicht, aber der Trail als solches trieb jedem Teilnehmer ein breites Grinsen ins Gesicht. Flow pur – und das gepaart mit feinstem Vollgas-Geshredde.

Besser hätte der Tag nicht enden können. Als wir schlussendlich den Treffpunkt am Tagesziel erreichen, krönt unser Schweizer Mitstreiter Hans das Erlebte mit den Worten: „Ich kann mir jetzt gerade wirklich keinen besseren Sport vorstellen!“ Beflügelter Stimme wirft er seine ach so wahre Aussage in die Runde, wo sie mit einem zufriedenen Nicken aller Anwesenden bestätigt wird.

In diesem Sinne, mögen die letzten beiden Tage kommen!

Text: Maxi Dickerhoff Bilder: Maxi Dickerhoff, TransNZ


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!