Welche spannenden Entwicklungen und Features gibt es bei modernen Enduro-Bikes? Was etabliert sich, was ist nützlich und worauf kann man easy verzichten? Kann die Crème de la Crème der E-Mountainbikes mithalten und ist teurer immer besser? Unsere 6 spannendsten Erkenntnisse aus dem aktuellen Enduro-Bike-Vergleichstest.

Wir haben hinter die Schokoladenseite von aktuellen Enduro-Bikes geschaut und unter unserem großen Vergleichstest um das beste Enduro-Bike 2024 einen Strich gezogen. Hier verraten wir euch die wichtigsten Erkenntnisse, zentrale Trends und alles, was ihr über die neuen Enduro-Bikes und ihre Zukunft wissen müsst.

Old but gold

Erstmal: Alt sind die Bikes in unserem letzten Enduro-Vergleichstest – den wir 2022 durchgeführt haben – auf keinen Fall, aber bei der rasanten Entwicklung der Bike-Industrie ist es eine berechtigte Frage, zu checken, ob ältere Bikes bereits kläglich abgehängt werden und deshalb haben wir einige Kontrahenten wieder inkludiert. Die klare Antwort dazu: nein! Unser letzter Testsieger um das beste Enduro-Bike 2022 – das Yeti SB160 – gehört weiterhin zu den besten Enduro-Bikes auf dem Markt und ist nicht nur knapp an einem erneuten Titel vorbeigeschrammt, sondern hat seine ausgezeichnete hohe Trail-Performance erneut unterstrichen. Aber auch Bikes wie das Canyon Strive CFR oder Santa Cruz Megatower haben sowohl im vergangenen als auch im jetzigen Enduro-Vergleichstest richtig abgeliefert und die neueste Konkurrenz ins Schwitzen gebracht. Klar, alle drei Bikes haben einige Updates – wie z. B. die neue SRAM Transmission-Schaltgruppe – erhalten, sind aber in ihrer Grundstruktur unverändert. Sprich, ihr müsst euer geliebtes Enduro-Bike nicht direkt von der Bettkante stoßen, nur weil es auf dem Markt gerade ein paar neue und vermeintlich bessere Bikes gibt. Die Grundformel für alle Mountainbiker gilt natürlich weiterhin: N+1

Laufräder werden unterschätzt

Auf dem Heimweg von unserem Enduro-Vergleichstest in San Romolo waren einige der Bikes nicht mehr fahrbar und das nach nur wenigen Tagen auf dem Trail. Klar, San Romolo ist berühmt für seine extrem harten Strecken und die High-Speed-Steinfelder, aber bei einer Woche Bike-Urlaub muss ein Enduro-Bike eine ähnliche Belastung durchstehen. Neben einer gebrochenen Carbonfelge haben auch einige Alu-Felgen so fiese Dellen bekommen, dass sie keine Luft mehr gehalten haben. Zudem mussten viele Laufräder regelmäßig nachzentriert werden, um die Speichenspannung so aufrecht zu erhalten, dass sie weiterhin fahrbar bleiben. Trotz der meist robusten Doubledown- oder sogar Downhill-Karkassen, mit denen die defekten Laufräder kombiniert waren. Unsere Vermutung: Manche Hersteller sparen auch bei High-End-Bikes durch günstigere Laufräder, da hier oft das Know-how der Kunden fehlt und es schwierig ist, Aspekte wie die Wahl der Speichen, Nippel oder der Bauweise beim Kauf zu beurteilen. Denn es gibt auch extrem robuste Laufräder, die wesentlich mehr Runs auf der Teststrecke in San Romolo und teils ganze Saisons unter unserer Führung ohne Murren überstanden haben. Zudem tragen Laufräder – vor allem an der Front – maßgeblich zum Fahrgefühl und zur Präzision bei und es ist unglaublich nervig, wenn an ihnen Defekte auftreten.

Die Crème de la E-Mountainbike

Das Orbea WILD M-LTD wurde erst vor kurzem von unserem Schwestermagazin zum erneuten Testsieger gegen 26 weitere E-Mountainbikes getestet und dabei zum besten E-Mountainbike 2024 gekürt. Schaut man sich Federweg, Geometrie und Ausstattung an, passt es perfekt in unseren Enduro-Bike-Vergleichstest und natürlich hat uns brennend interessiert, wie gut es mithalten kann. Das Fazit: Mit dem besten E-Mountainbike klebt man seinen Enduro-Kumpels am Arsch, solange der Trail richtig schnell und rough ist. Abhängen tut man sie in solchen Situationen nicht. Ganz im Gegenteil: Sobald der Trail langsamer und enger wird, fahren die besten Enduro-Bikes einfach davon. Denn die besten Enduros in diesem Vergleichstest – wie das Ibis HD6 oder Yeti SB160 – besitzen eine ähnlich hohe Laufruhe, sind wesentlich agiler und wendiger und glänzen ebenfalls mit einem superintuitiven Handling und einem verdammt starken Fahrwerk. Das, in Kombination mit dem wesentlich geringeren Gewicht, macht sie in der Abfahrt klar zu den besseren Bikes. Einziger Wermutstropfen: Eure Kumpels mit E-Mountainbike machen das Doppelte an Runs, wenn man aus eigener Kraft zum Gipfel kommen muss.

Werden High-Pivot-Bikes dem Hype gerecht?

Bikes mit einem High-Pivot-Hinterbau sind absolut nichts Neues und schon seit über zehn Jahren gibt es sie auf dem Markt. Dennoch erleben sie in den letzten Jahren eine Hochphase und immer mehr große Hersteller setzen oder experimentieren mit dem Hinterbau-System und integrieren es in moderne Enduro- oder sogar Trail-Bikes. Aber auch hier gilt: Jedes Hinterbau-Konzept bringt seine Vor- und Nachteile und nur weil High-Pivot-Bikes durch ihre rückwärts gerichtete Raderhebungskurve dafür bekannt sind, eine hohe Laufruhe zu haben, macht sie das lange nicht zum unangefochtenen High-Speed-König. So war z. B. das Ibis mit einem DW-Link und einem normal hohen (virtuellen) Drehpunkt bei Highspeed noch laufruhiger als die beiden Bikes mit High-Pivot-Hinterbau. So gibt es auch hier sehr starke, aber auch sehr schlechte High-Pivot-Bikes, wie z. B. das GT Force, welches wir vor einigen Jahren im Vergleichstest hatten. Allerdings würden wir dem zusätzlichen Wartungsaufwand von High-Pivot-Bikes durch die Kettenumlenkrolle keine so große Bedeutung schenken, denn viele der High-Pivot-Bikes haben nicht unbedingt mehr bewegte Teile als andere Hinterbau-Konzepte. Hier kommt es einfach darauf an, welches Konzept wie umgesetzt wird. Wer mehr über die unterschiedlichen Hinterbau-Konzepte erfahren möchte, sollte sich unseren mehrteiligen Artikel dazu anschauen.

High End ≠ High Performance

Einige Bikes in diesem Vergleichstest haben erneut gezeigt, dass nicht unbedingt die teuerste Ausstattung auch die beste Trail-Performance bietet. So performen deutlich günstigere Bikes oft besser als sehr teure Räder. Denn oft wird bei den High-End-Specs auf viel Carbon, ein möglichst geringes Gewicht und Bling-Bling gesetzt, ohne dass daraus ein wirklicher Performance-Vorteil entsteht. So haben wir z. B. beim YT CAPRA, TREK Slash oder Santa Cruz Megatower auf eine günstigere Variante gesetzt, die dennoch die gleiche oder sogar bessere Trail-Performance bietet. Denn die Bikes sind trotzdem mit Top-Fahrwerken ausgestattet – die z. B. auf die goldene Kashima-Beschichtung verzichten, aber dieselbe Dämpfungskartusche besitzen – oder etwas schwerere Schaltwerke, wie SRAM GX-Transmission, verbauen. Hier lohnt sich der aufmerksame Blick beim Kauf und meistens sind die zweitteuersten Modelle ohne Bling mit viel Performance.

Hat bald jedes Enduro-Bike ein Staufach?

Auch wenn sich die konkrete Zahl der Enduro-Bikes, die ein Staufach integrieren, zu unserem letzten Vergleichstest nicht verändert hat und mit sechs von 14 Bikes noch unter der Hälfte liegt, ist auf dem Markt eine klare Tendenz hin zu Staufächern. Zudem wissen wir von vielen Herstellern, die an der Entwicklung eines Mechanismus arbeiten und dies für ihr nächstes Modelljahr bereits einplanen. Während die Umsetzung an einem Carbonrahmen wesentlich einfacher als an einem Alu-Rahmen ist, unterschieden sich auch die eigentlichen Verschlusssysteme, Konzepte und Positionen der Staufächer enorm. Varianten, die von unten am Tretlager geöffnet werden, wie es bei BOLD und SCOTT der Fall ist, funktionieren zwar in der Theorie gut, sind aber auf dem Trail wesentlich unpraktischer als die Integration unter dem Flaschenhalter. Denn man muss meist das Bike auf den Kopf stellen oder ablegen und hantiert ordentlich im Dreck rum. Zudem leiden auch die Verschlusssysteme zunehmend unter der Verschmutzung und tendieren dazu, nicht mehr zuverlässig zu schließen oder benötigen eine kleine Reinigung, bevor sie wieder an Ort und Stelle bleiben. Staufächer unter dem Flaschenhalter sind hingegen einfach zu erreichen und meist sauber. Als praktisch hat sich auch ein kleiner Rahmen um die Öffnung, wie z. B. am Santa Cruz oder GIANT, erwiesen, denn so verletzt ihr euch nicht an der Kante oder zerreißt nicht womöglich eure dünne Jacke, die ihr in eurem Staufach transportiert. Klar ist, Staufächer sind megapraktisch und wenn sie durchdacht sind, auch ein echter Mehrwert. Snacks, Flickzeugs oder eben eine kleine Regenjacke finden easy und unauffällig ihren Platz im Rahmen und sind so immer dabei. Trotz der oft mitgelieferten Taschen neigen aber metallische Gegenstände wie Multitools oder CO2-Kartuschen zum Klappern und wenn das Staufach nach unten hin nicht verschlossen ist, geht auch schnell mal etwas in den Tiefen eures Rahmens verloren. Unerlässlich sind solche Gegenstände aber für euren Ride nicht und wer will, kann diese auch mit einem simplen Strap am Bike befestigen oder direkt auf einen kleinen Rucksack oder eine Hip-Bag setzen. So bleibt es eine persönliche Vorliebe, ob und welche Art von Staufach man gerne an seinem Bike hat.

Good News: Moderne Enduro-Bikes sind verdammt gut und ausgereift, auch wenn manchmal nachgebessert werden muss. Charakter und Fahreigenschaften können dennoch stark variieren und lassen sich nur im Praxiseinsatz herausarbeiten. Die Entwicklung hat sich hingegen eingependelt, während bei E-Mountainbikes noch viel experimentiert wird. Die können hingegen mit der breiten Masse der analogen Konkurrenz mithalten, auch wenn sie von den besten Enduro-Bikes auf dem Markt bergab noch klar abgehängt werden.


Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Enduro-Bike 2024 – Die 14 spannendsten Bikes im großen Vergleichstest

Alle Bikes im Test: Bold Unplugged Ultimate (Zum Test) | Canyon Strive CFR LTD (Zum Test) | GIANT Reign Advanced 1 V2 (Zum Test) | Ibis HD6 GX AXS (Zum Test) | Norco Sight C1 (Zum Test) | Orbea WILD M-LTD (Zum Test) | Propain Tyee 6 CF MIX (Zum Test) | RAAW Madonna V3 (Zum Test) | Rocky Mountain Altitude C70 (Zum Test) | Santa Cruz Megatower GX AXS RSV (Zum Test) | SCOTT Ransom 900 RC (Zum Test) | Trek Slash 9.8 XT (Zum Test) | Yeti SB160 T3 (Zum Test) | YT CAPRA CORE 4 (Zum Test)


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Text: Peter Walker Fotos: Peter Walker