Was können wir in Zukunft von unseren Trail-Bikes erwarten? Welche guten wie schlechten Entwicklungen gibt es im Trail-Bike-Segment? Bringen elektronische Komponenten wirklich einen Vorteil? Nach unserem Test der 14 spannendsten Trail-Bikes ziehen wir einen Strich und sammeln die wichtigsten Erkenntnisse für euch.

Unser Vergleichstest hat gezeigt, dass Trail-Bikes nicht nur geborene Allrounder sind, sondern gleichzeitig immer potenter in der Abfahrt werden, ohne Einbußen im Uphill in Kauf zu nehmen. In den letzten Monaten haben wir damit nicht nur eine Menge Fahrspaß erlebt, sondern auch spannende Erkenntnisse und neue Trends aufgedeckt.

Mehr Kontrolle und weniger Armpump an Trail-Bikes – Die Bremspower wächst

Obwohl wir hier von Trail-Bikes reden, finden sich in unserem Test hauptsächlich Bremsen, die für Enduro- oder sogar Downhill-Bikes entwickelt wurden. 12 der 14 getesteten Bikes sind mit einer SRAM CODE-, Shimano XT- oder XTR-, oder einer Formula Cura 4-Vierkolbenbremse bestückt. Geil! Lediglich zwei Bikes setzen auf eine SRAM G2-Vierkolbenbremse, die für dieses Einsatzgebiet nicht ausreichend Power liefert. Auch die Größe der Bremsscheiben wächst stetig und die meisten Bikes im Test setzen auf große 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck. Lediglich Mondraker und Rocky Mountain verbauen 180 mm an Front und Heck, was für das Potenzial der Bikes zu wenig ist, vor allem, wenn man den sehr geringen Gewichtsunterschied der Bremsscheiben den daraus resultierenden Vorteil gegenüberstellt.

Mehr Grip und Dämpfung vs. Rollwiderstand und Gewicht – Reifen als Schwachstelle an Trail-Bikes

Weiterhin werden viele Bikes mit Reifen bestückt, die für das Einsatzgebiet unterdimensioniert sind. Besonderes Augenmerk liegt hier auf den Karkassen, die vor allem in Kombination mit Carbon-Felgen zu richtig teuren Ausfällen führen können. Dünnere Karkassen sparen zwar Gewicht ein, müssen aber zum Schutz der Felge und um Burping zu verhindern mit mehr Luftdruck gefahren werden. Sprich: Ihr verliert Grip und Dämpfung. Auf dem Trail hingegen verschafft eine robustere Karkasse, die mit weniger Luftdruck gefahren werden kann, große Vorteile, die das geringe Mehrgewicht und den Rollwiderstand im Uphill überwiegen. Auch die erhöhte rotierende Masse sorgt für Stabilität und Sicherheit auf dem Trail.

Spannende Detaillösungen und ihre Umsetzung

Jedes der Bikes im Test setzt auf Detaillösungen wie ein Sitz- und Kettenstrebenschutz, Unterrohrschutz oder teilweise folierte Rahmen. Doch der Teufel liegt im Detail, denn hier unterschieden sich die Lösungsansätze und ihre Qualität extrem. Klappernde Ketten, Leitungen und sich lösende Gummis sind ständige Begleiter – auch in diesem Vergleichstest. Denn oft sind Sitz- und Kettenstrebenschutz unterdimensioniert oder aus zu hartem Material. Züge werden teilweise unschön verlegt oder an Ein- bzw. Ausgang nicht ausreichend geklemmt. Einige Hersteller wie z. B. Canyon und Specialized verbessern ihre bewährten Systeme immer weiter und Kunden erfreuen sich so an leisen und gut geschützten Bikes. Auch die oben genannte Verwendung von Lackschutzfolie findet sich immer häufiger an Bikes, sie schützt den Rahmen und steigert den Wiederverkaufswert eures Bikes. Platz für eine Trinkflasche findet sich in jedem Test-Bike, doch sind auch hier Einschränkungen bezüglich der Füllmenge, Form und Erreichbarkeit an der Tagesordnung.

Der Gewichtsunterschied im Testfeld ist riesig

Beinahe 3 kg trennen das leichteste und schwerste Bike im Test. Allerdings kostet das leichteste Bike – nämlich das Mondraker Raze RR SL mit 12,9 kg – mehr als doppelt so viel wie das FOCUS JAM 8.9 mit seinen 15,9 kg. Den Vergleichstest gewonnen hat das Atherton AM.150, mit satten 15,5 kg gehört es damit definitiv zu den schwersten Bikes im Test. Die Performance, die die Ausstattung mit mehr Gewicht auf dem Trail vorgebracht hat, hat dennoch stark überwogen und der sehr antriebsneutrale Hinterbau hat das AM.150 trotz hohem Gewicht und dicker Reifen zu einem starken Kletterer gemacht. Klar, im Uphill profitiert jeder von einem niedrigen Gesamtgewicht und das Mondraker hat eine verdammt gute Uphill-Performance an den Tag gelegt, was allerdings zum größten Teil am antriebsneutralen Hinterbau und den sehr fein profilierten Reifen lag. Im Downhill hingegen, fühlen sich viele sehr leichte Bikes – wie auch das Mondraker – filigran und bei hohen Geschwindigkeiten unruhig an.

Das elektronische RockShox Flight Attendant-Fahrwerk

Das Flight Attendant-Fahrwerk von RockShox, das vollautomatisch zwischen Open, Pedal und Lock umschaltet, hat in unserem letzten Enduro-Bike-Vergleichstest einen riesigen Vorteil gebracht. Im jetzigen Trail-Bike-Vergleichstest findet sich das Flight Attendant-Fahrwerk am YT JEFFSY UNCAGED 6, hat jedoch nicht punkten können. Das liegt nicht am System selbst, sondern an der Konkurrenz. Die klettern nämlich auch ohne Lock-out verdammt antriebsneutral den Berg herauf. Klar, das elektronische Fahrwerk hat seine Arbeit geleistet und auch die optimierte Sitzposition dank des höher im Federweg stehenden Dämpfers bringt Vorteile, dennoch war ein großer Teil der Konkurrenz stärker im Uphill. Sprich: Die Technologie kann ihren Vorteil nur an Bikes ausspielen, die eine Plattformdämpfung für den Anstieg benötigen und das ist bei den meisten Trail-Bikes nicht der Fall.

Der neue Standard: Staufächer und Toolmounts

Immer mehr Hersteller integrieren eine Möglichkeit am Bike, mit der ihr die wichtigsten Trail-Essentials transportieren könnt, ohne einen Rucksack oder ein Hip-Bag zu tragen. Auch die Integration eines Staufachs wird immer mehr zum Standard und in einigen Jahren werden wir kaum mehr ein Bike sehen, was nicht eine solche Möglichkeit bietet. Denn der Vorteil daraus ist einfach zu groß. Egal ob Schlauch, Pumpe, Snacks, Regenjacke, Tool oder zusätzliche Trinkblase. Die Möglichkeiten sind vielfältig und praktisch. Dennoch unterscheiden sich die Lösungsansätze enorm und für viele Hersteller ist es das erste Mal, dass sie eine solche Lösung an ihrem Bike integrieren. Die Funktionsweise und Qualität lassen oft noch Raum für Verbesserung und vor allem der Verschlussmechanismus des Staufachs lässt viele Wünsche offen. Hier können wir uns aber in Zukunft über coole und ausgereifte Lösungen freuen.

Trail-Bikes werden potenter im Downhill – und gleichzeitig schneller im Uphill! Damit wird das Einsatzgebiet immer vielfältiger. Die Detaillösungen der Hersteller werden ausgereifter und praktische Features erleichtern den Bike-Alltag. Ideen, die noch vor Kurzem für große Augen gesorgt haben, scheinen bereits Standard zu sein, auch wenn es teilweise noch an der richtigen Umsetzung mangelt. Die Wahl der Ausstattung hinkt dieser schnellen Entwicklung jedoch hinterher. Denn viele Hersteller setzen immer noch auf alte Gewohnheiten und passen sie nicht dem Potenzial ihrer Bikes an.


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Text: Peter Walker Fotos: Peter Walker, Mike Hunger

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!