Balkan-Charme trifft auf Alpen-Feeling. Willkommen in Slowenien, willkommen bei Unior. Der Hersteller fertigt Bike-Tools, Werkzeug-Wägen und Werkstatt-Komplettausstattungen. Dabei bringt Unior eine lange Geschichte und viele spannende Hintergründe mit. Wir haben hinter die Kulissen geschaut.

Unior Bike Tools ist unter Mountainbikern für seine hochqualitativen Werkzeuge ein geläufiger Name. Und auch in den Race-Pits vieler Pro-Teams sieht man die Tool-Sets oder Werkstatt-Kästen aus Slowenien. Und auch wenn Unior Bike Tools nur ein kleines Team hat, sind sie alle MTB-begeistert und dadurch supported Unior viele lokale Trails und hat mit dem Unior-Sinter-Factory-Team zusammen mit dem slowenischen Bremsbelaghersteller Sinter ihr eigenes Rennteam in DH und XC. Bis heute wird so gut wie alles vor Ort in Slowenien hergestellt. Aber lange vor der Produktion von Bike-Werkzeugen blickt Unior auf eine lange Geschichte zurück, die bis in das damalige Jugoslawien reicht.

Von Jugoslawien und Rechtsstreiten

Die Firma wurde 1919 gegründet, damals aber in Jugoslawien unter dem Namen „Steirische Eisenindustrie-Gesellschaft“. Sie stellten zuerst einfache Landwirtschafts-Werkzeuge her, erweiterten jedoch ihr Angebot mit der Zeit und nannten sich um in „Werk für geschmiedete Werkzeuge Zreče“, wobei Zreče die Stadt ist, in der die Fabrik stand – und bis heute steht. 1974 wurde die Firma wieder umbenannt in Unior, ein zusammengesetzter Name aus Universal Orodje, was aus dem Slowenischen übersetzt universelles Werkzeug bedeutet. Das Logo, das an den Buchstaben Z angelehnt ist, steht dabei für den Standort des Werks in Zreče. Seit 1991 ist Slowenien ein unabhängiges Land und Unior behält zwar den Namen, hat sich aber zu einem internationalen Werkzeug- und Schmiedeteile-Hersteller hochgearbeitet.

Heute ist Unior aufgeteilt in drei Bereiche: Forge, Hand Tools und Special Machines. Unior Bike Tools ist dabei ein Teilbereich von Unior Hand Tools und somit nur ein sehr kleiner Teilbereich des Unternehmens. Seit sieben Jahren sind die Slowenen im Fahrradwerkzeug-Markt vertreten und seither ordentlich gewachsen. Lange waren ihre Werkzeuge in Blau und Grau gehalten, den klassischen Farben von Unior. Wegen einem Rechtsstreit mit Parktool in den USA, deren Werkzeug ebenfalls die Farbe Blau hat, sind die Unior Bike Tools seit kurzem in Rot-Orange gehalten.

Von der Vergangenheit in die Zukunft

Um die Produktion von Unior Bike Tools mit all ihren Facetten zu sehen, stehen uns unsere Guides Jure Merhar und Jernej Muzga zur Seite. Wir starten am ursprünglichen Standort von Unior in Zreče, wo heute Werkstattwagen und Toolboxen gefertigt werden. Der zweite Teil der Tour führt uns in die Hauptstadt Ljubljana, wo heute die Fabrik für Handwerkzeuge steht.

Die Zukunft: Werkstattwagen-Produktion

Als wir in der Werkstattwagen-Fabrik ankommen, ist nicht viel los. Es sind nur wenige Arbeiter vor Ort und es ist angenehm ruhig – ganz anders als man es sich in einer Werkzeugfabrik vorstellt. Lärm, Hitze und Dreck sucht man vergebens. Das liegt daran, dass hier schon viele Arbeitsschritte automatisiert sind: Roboterarme greifen sich die Blechstücke von der Palette, schneiden sie per Laser zurecht und bereiten sie zum Knicken und Einkerben vor. Auch die Schaumstoff-Einlagen für die Boxen werden hier zurechtgeschnitten und bereits mit der jeweiligen Tool-Bezeichnung bedruckt. Nach der Montage kommt so ein komplett fertiger Werkstattwagen raus, in den alle nötigen Tools fein säuberlich einsortiert werden können – der Traum für alle Heim-Mechaniker.

Aus der Vergangenheit: Hand-Tool-Produktion

Zurück in der Nähe von Ljubljana sind wir am Hand-Tools-Werk angelangt, wo auch die Bike-Werkzeuge hergestellt werden. Betritt man hier die Produktionshalle, gelangt man in eine andere Welt. Während die Werkstattwagen-Produktion neu, ruhig und modernisiert war, ist es in der Hand-Tools-Fabrik rau, laut und stickig warm. Es liegt ein Öl-Dunst in der Luft und selbst bei unserem Besuch im Februar ist es schon ziemlich heiß. Und es wird schnell klar, warum: Überall fahren Körbe voller glühender Metallteile herum und Öfen und Schmiedehammer bearbeiten die Rohlinge. Gut geschützt mit Sicherheitsbrille, Ohrstöpseln und Warnweste starten wir unsere Tour. Viele der dort arbeitenden Maschinen sehen schon ziemlich alt aus und hier kommt die lange Geschichte von Unior sowie der damit verbundene Balkan-Charme deutlich durch.

Die Produktion der Werkzeuge ist zum größten Teil gleich. Als Erstes kommt das Rohmaterial in Form von Metallstäben in die Produktionshalle gefahren. Es wird lokal bezogen und durch die Größe von Unior und seine anderen Geschäftsbereiche haben sie viel Kontrolle über die verwendeten Materialien. Aus den Rohlingen wird unter riesigen, hydraulischen Schmiedehammern die grobe Form geschmiedet. Durch die hohe Temperatur und den extremen Druck wird dem Material Stabilität verschafft. Und dass die Schmiedehammer ordentlich Power haben, sieht man nicht nur, man spürt es förmlich: Bei jedem Schlag des hydraulischen Hammers bebt der Boden und man spürt es in der Magengrube. Ein respekteinflößender Anblick, selbst mit einigen Metern Sicherheitsabstand. Die Arbeiter stehen allerdings direkt vor der Maschine, legen komplett routiniert die Teile in die Maschine ein und bleiben dabei seelenruhig. Nach jedem Schlag des Hammers muss das Teil gedreht werden, um von allen Seiten bearbeitet werden zu können. So nah an einer so kraftvollen Maschine zu stehen, flößt uns ziemlichen Respekt ein, doch bei den Arbeitern könnte man meinen, sie drehen ganz locker ein Omelett in der Pfanne um, so unbeeindruckt wirken sie dabei. Unser Guide Jernej sagt uns, dass einige der Arbeiter freiwillig auf den Gehörschutz verzichten, damit sie die Geräusche der Schmiede besser hören können. Das „klanggg“ des Hammers soll etwas anders klingen, wodurch sie anhand des Geräusches bereits Materialfehler identifizieren können. Um das einmal zu testen, haben wir auch kurz die Ohrstöpsel ausgezogen, es hat sich für uns allerdings einfach angehört, als würde jemand einen Feuerwerkskörper neben unseren Ohren zünden – für uns nicht vorstellbar, aus diesem Lärm Unterschiede herauszuhören. Aber beeindruckend, dass die Arbeiter auf ihren Gehörschutz verzichten, um die Materialqualität zu gewährleisten.

Nach dem Schmieden wird das Werkzeug abgekühlt und dann in einem Ofen gehärtet, um die Stabilität des Materials weiter zu verbessern. Anschließend fehlt nur noch die Feinarbeit: Das Material abschleifen, eventuell verchromen und Gummi-Griffe anbringen. Das fertige Werkzeug wird dann vor Ort verpackt, entweder einzeln oder direkt einsortiert in Werkzeug-Sets. Wirklich spannend zu sehen, dass der komplette Fertigungsprozess vom Rohmaterial bis hin zur Verpackung von Unior selbst durchgeführt wird.

Unior Bike Tools ist eine Firma mit langer Geschichte, bei der Historie auf Moderne trifft, Jugoslawien auf die EU und Laser-Roboter auf Schmiede-Hämmer. Unior bietet ein riesiges Sortiment an Werkzeug, weit über den Bike-Tools-Bereich hinaus und das allermeiste davon wird komplett in Slowenien hergestellt, vom Rohmaterial bis hin zur Verpackung. Und das alles von einem sympathischen Team, das ebenso für Mountainbiken brennt wie wir. Mega!


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Text: Simon Kohler Fotos: Simon Kohler

Über den Autor

Simon Kohler

Simon liebt Geschwindigkeit. Als Downhill Skater ist er lange Zeit Rennen gefahren und mit seinem Longboard Alpenpässe runtergeknallt. Inzwischen hat er vier gegen zwei Reifen eingetauscht und heizt jetzt mit seinem Mountainbike auf Trails und Bikepark Lines. Bei verschiedensten Roadtrips durch die Alpen hat er seither einige der feinsten Trails Europas ausgekostet. Da er einige Zeit in Österreich gelebt hat, kennt er zudem die lokalen Bikeparks wie seine Westentasche. Durch sein Ingenieurstudium und seine Liebe zum Detail ist er ein echter Technik-Nerd und testet jetzt als Redakteur die aktuellsten Bikes und Parts auf Herz und Nieren. Als Frühaufsteher und selbsterklärter Müsli-Connaisseur lebt er sein Leben frei nach dem Motto „Powered by Oats. And also Legs.“