Vergleichstest | Welche MTB-Brille für den Winter?
Vor kurzem haben wir euch bereits die besten Mountainbike-Handschuhe für den Winter vorgestellt, nun sind die Brillen an der Reihe. Spezielle Brillen für den Winter gibt es nicht, was also tun gegen kalte Luft und Schneematsch in den Augen? Hier kommen überraschende Erkenntnisse und 6 Brillen im Vergleichstest!
„Flatsch!“ – eine große Ladung Dreck landet mitten in meinem Gesicht. Reflexartig kneife ich die Augen zusammen und versuche durch krampfhaftes Blinzeln meinn Sichtfeld wieder freizubekommen. Den anderen geht es nicht anders: Alle fahren mit zusammengekniffenen Augen durch den nach allen Seiten wegspritzenden Matsch, die Brillen entweder im Rucksack verstaut oder gleich zu Hause gelassen.
Im Winter ist es eine Krux: Ohne Brille treibt einem der kalte Fahrtwind Tränen in die Augen, mit Brille hindert einen das lästige Beschlagen immer wieder an der Weiterfahrt. Und alle paar Meter die eingesauten Gläser freiwischen und dabei tiefe Kratzer ins Glas schleifen will auch niemand. Andererseits ist der ständige Waldboden unter den Augenlidern auch alles andere als angenehm. Was also tun?
Keine Brille zu tragen ist jedenfalls keine Option. Jedes noch so kleine Sandkorn schadet dem Auge und diese kleinen Beschädigungen sind irreparabel. Im Alter bekommt man die Quittung, wenn die vielen kleinen Verletzungen die Sicht unwiderruflich eingeschränkt haben. Noch viel schlimmer: Schon ein kleiner, unglücklich platzierter Ast auf Augenhöhe kann einen das Augenlicht kosten. Wir schützen unseren Körper ganz selbstverständlich mit Helm und Schonern, das Gleiche sollte auch für die Augen Pflicht sein. Beschlagene Gläser dürfen also nicht mehr als Ausrede herhalten, keine Brille zu tragen. Es geht um zu viel. Aber wie lässt sich der störende Nebel überhaupt in den Griff bekommen?
Passform
Hersteller werben gerne mit (teuren) Gläser, die nicht beschlagen. Ist klare Sicht also nur eine Frage des Geldes? Der Optiker nimmt uns die Illusion: ein solches Wunderglas ist vor allem Marketing, die Vernebelungsanfälligkeit von Brillen kein objektives Kriterium. Spezielle Beschichtungen können zwar dem Beschlagen entgegenwirken. Viel entscheidender ist aber, dass die Brille ihrem Träger passt. Die warme Luft zwischen Augen und Gläsern muss entweichen können, damit sie sich nicht als Wasserdampf auf der Innenseite festsetzt. Gleichzeitig darf aber auch nicht zu viel kalter Fahrtwind an die Augen dringen. Jedes Gesicht ist anders geformt und ein objektiver Vergleich unterschiedlicher Modelle auf Beschlagsresistenz somit schwer möglich.
Wer eine Brille sucht, sollte deswegen verschiedene Modelle anprobieren und nach optimalem Sitz auswählen. Eine Mountainbike-Brille sollte mit der Stirnlinie abschließen, der Blick durch das obere Drittel der Gläser gehen. Zwischen Stirn und Wangen sollte ein ca. 4mm großer Abstand bleiben, damit die Luft zirkulieren kann. Anders als bei Alltagsbrillen darf der Rahmen gern etwas breiter ausfallen, zwischen Bügel und Wangenkochen bleibt idealerweise ein halber Zentimeter Abstand.
Unser Tipp: Setzt verschiedene Brillen im Freundeskreis auf oder geht direkt zu einem Optiker (idealerweise ein Sport-Optiker), um zu schauen, welches Modell am besten zu eurer Gesichtsform passt. Der Aufwand lohnt sich, denn schließlich geht es um eure Augen!
Vergleichstest
Das vorweggenommen, bleibt dennoch eine große Auswahl an Herstellern und Modellen, zwischen denen man sich entscheiden muss. Mountainbike-Brillen sollen neben dem guten Sitz vor allem zwei Kriterien erfüllen: Erstens müssen sie stoßfest und bruchsicher sein, um den Träger bei einem Sturz nicht zu verletzen. Zweitens sollen sie eine gute Abbildungsqualität besitzen, um ein verlässliches Bild vom Untergrund zu generieren. Diese zwei Eigenschaften sind schwer zu vereinen und je besser es gelingt, desto teurer sind in der Regel auch die Gläser. Für uns sind darüber hinaus ein bequemer und sicherer Sitz sowie der Preis entscheidende Kennzeichen einer geeigneten Brille.
Adidas und Oakley gelten unter Optikern als die Referenz, wenn es darum geht, Stoßfestigkeit und Abbildungsqualität zu vereinen. Dafür haben die Brillen auch ihren Preis, unter 200 € sind die Modelle kaum zu haben. Unser Testfeld haben wir daher noch um vier weitere Modelle der günstigeren Konkurrenz erweitert.
Bei der Auswahl der Gläser verließen wir uns auf die Empfehlung der Hersteller: Mit dem Auftrag, uns ihre beste Brille für gute Sicht an nassen, dunklen Wintertagen zu schicken, entschieden diese sich für unterschiedliche Wege. Oakley, Uvex und Alpina haben uns für unseren Einsatzbereich ihre photochromatischen, d. h. selbsttönenden Gläser, empfohlen. Adidas, NIKE und Swiss Eye schickten Modelle mit Wechselgläsern.
Alle sechs Modelle haben wir bei unter null Grad auf der gleichen Route getestet, inklusive Schlammlöchern, Up- und Downhill. Hier kommen unsere Ergebnisse:
Oakley: Flak Jacket XLJ – Testsieger
Preis: 199 € | erhältliche Größen: normal und XLJ (gleiche Rahmengröße, größere Scheiben) | Gläser: selbsttönend | Ersatzgläser: 20 verschiedene Ersatzgläser ab 60 € | Gewicht: 24g
Beim Aufsetzen der Oakley Flak Jacket XLJ passiert ein kleines Wunder: Die Realität wirkt durch die Gläser der Flak Jacket klarer als ohne sie. Als hätte jemand auf den HD-Knopf gedrückt, treten Unebenheiten auf dem Trail gestochen scharf hervor.
Die photochromatischen Gläser sind extrem sensibel, selbst in der Dämmerung lassen sie genügend Licht ans Auge. Bei dunkleren Lichtverhältnissen sind praktisch ungetönt. Das leichte Gestell sitzt so unauffällig auf Nase und Ohren, dass man die Brille fast nicht spürt. Einziges Manko: Der Schnitt der Gläser ist relativ knapp und lässt etwas mehr kalte Luft an die Augen als andere Modelle. Bei besonders empfindlichen Augen (in unserem Fall bei einem Tester mit Kontaktlinsen) ist das ein Ausschlusskriterium. Alle anderen erhalten für 199 € eine Brille, die begeistert.
Adidas: Evil Eye Halfrim
Preis: 169 € für das Basismodell mit getönten Gläsern zzgl. klarer Gläser für 50 € | erhältliche Größen: XS, S, L | im Lieferumfang enthaltene Gläser: je nach Preis unterschiedliche Sets und Kombinationen | Gewicht: 28g
Auch die Evil Eye überzeugt mit einer verzerrungsfreien Abbildungsqualität, wenn auch das Seh-Erlebnis nicht ganz so überwältigend ist wie beim Gegenspieler Oakley. Besonders gut gelungen für den Einsatz im Dreck ist der Schnitt: Die Gläser sind stark gewölbt und decken einen großen Bereich um die Augen ab. Durch die Verstellmöglichkeit von Nasenpad und Bügelwinkel sowie drei verfügbare Modellgrößen ist die Evil Eye das anpassungsfähigste Modell im Testfeld und wir konnten kein Gesicht finden, auf das sie nicht gepasst hätte.
Für die Evil Eye gibt es Wechselgläser in über 20 verschiedenen Tönungen. Die unterschiedlichen Tönungen machen optisch was her (z. B. gibt es verspiegelte Gläser) und ermöglichen Anpassungsfähigkeit auf jede Situation. Aber auch wenn das Wechseln nach ein paar mal Üben immer schneller geht, sind hochwertige, selbsttönende Scheiben einfach eine Spur unkomplizierter.
Uvex: Sportstyle 700 vario
129,95 € | Größen: one size | Gläser: selbsttönend | Ersatzgläser: Nein | Gewicht: 30g
Etwas klobig fällt der Rahmen der Sportstyle 700 aus. Der Vollrahmen macht sich in einem höheren Gewicht bemerkbar, das wiederum für einen unbequerem Sitz sorgt als bei der Konkurrenz. Der Vorteil von Vollrahmenbrillen ist eine höhere Stabilität, bei einem Sturz sind die Gläser besser geschützt. Bei unseren Testern blieb im unteren Sichtfeld aber stets ein schwarzer Balken präsent, an den sie sich nur schwer gewöhnen konnten – hier gilt jedoch: Anprobieren! Denn auf anderen Gesichtsformen kann das Konzept Vollrahmen durchaus aufgehen. Doch auch die Selbsttönung konnte bei diesem Modell nicht überzeugen, schon bei mäßigem Tageslicht dunkelten die Gläser zu stark ab. Für den Einsatz an düsteren Wintertagen empfiehlt sie sich daher nicht.
Alpina: Eye-5 VL+
109,95 € | Größe: one size | Gläser: selbsttönend mit fogstop-Beschichtung | Ersatzgläser: nein | Gewicht: 28g
Die Eye-5 VL setzt auch auf einen Vollrahmen und bietet damit idealen Schutz der Gläser und des Brillenträgers bei einem Sturz. Ähnlich wie bei der sportstyle von Uvex empfanden unsere Tester den unteren Rahmen störend im Sichtfeld, jedoch weniger ausgeprägt. Das Gestell der Eye-5 ist schlank, filigran und damit sehr angenehm zu tragen. Die Selbsttönung funktioniert angemessen sensibel, auch wenn sie nicht ganz mit dem Testsieger mithalten kann. Wer auf photochromatische Gläser nicht verzichten möchte, findet in der Eye-5 VL aber eine günstige Alternative. Der Effekt der fogstop-Beschichtung war in unserem Einsatzbereich kaum spürbar, Vernebelung trat wie bei allen anderen Brillen auf, sobald keine Luft mehr zirkulierte.
Swiss Eye: Novena – Kauftipp
89,90 € | Größen: one size (Modell Novena S für schmale Gesichter) | im Lieferumfang enthaltene Gläser: klar, orange, getönt | Ersatzgläser: können beim Optiker nachbestellt werden (Preis richtet sich nach der Farbe) | Gewicht: 27g
Dass es sich bei der Novena um das günstigste Modell im Testfeld handelt, macht sich sofort an der Haptik bemerkbar: Der Kunststoff des Gestells fühlt sich weniger hochwertig an. Das war’s aber auch schon mit Kritikpunkten, denn sobald die Brille auf der Nase sitzt, überzeugt sie mit einem weit abgedeckten Sichtfeld und unauffälligem Sitz. Die Abbildungsqualität liefert ein scharfes Bild, das den anderen Modellen der günstigeren Preisklasse in nichts nachsteht. Drei im Lieferumfang enthaltene Wechselgläser, die sich mit zwei einfachen Klicks umrüsten lassen, decken alle Einsatzbereiche ab. Insbesondere das rot verspiegelte Glas macht den Eindruck, mit der Novena auch im Sommer eine gute Figur machen zu können. Da uns die photchromatischen Gläser der günstigeren Testmodelle nicht restlos überzeugen konnten, empfehlen wir für den kleineren Geldbeutel Wechselgläser – die Novena sichert sich somit den Kauftipp.
NIKE: Show X-1
169,90 € | Größen: one size (Modell Show X-1 Pro mit schmaler geschnittenen Gläsern) | im Lieferumfang enthaltene Gläser: orange, getönt | Ersatzgläser: 8 weitere Gläser erhältlich, 36 €–50 € | Gewicht: 32g
Mit der Show X-1 hat sich ein Außenseiter in unser Testfeld geschlichen, denn bei dem Modell handelt es sich eigentlich nicht um eine Bike-Brille. Die Bruchsicherheit wurde uns aber vom Hersteller zugesichert, und so haben wir eine weitere ausgezeichnete Brille für den Wintereinsatz entdeckt. Das Glas ist weit gewölbt und nach hinten gezogen, die Augen werden optimal geschützt. Einziger Nachteil: Die Bügel sind hinter den Ohren nach unten gewölbt und damit eigentlich nicht für die Kombination mit einem Helm gemacht, wie die bei Bike-Brillen üblichen geraden Bügel. Damit lässt sich die Show X-1 nicht ganz so leicht hinter die Ohren schieben, wenn man bereits einen Helm trägt – das stört aber nur minimal. Die schlichte schwarze Optik hat uns neben der guten Funktion besonders gefallen.
Fazit:
Beim Vergleich der Brillen hat sich bestätigt: Eine Brille, die auch in anstrengenden Uphills nie beschlägt, gibt es nicht. Es ist leider ein Gesetz der Physik, dass das Aufeinandertreffen von warmer und kalter Luft Wasserdampf erzeugt. Für die Performance auf dem Trail hat sich ein guter Sitz als essenziell erwiesen, nur so kann Luft zirkulieren und für klare Sicht sorgen: Brillen, die lückenlos auf den Wangenknochen aufsaßen, beschlugen früher. Oft reicht hier ein kurzes Anheben um die Luft zirkulieren zu lassen. Sitzt die Brille nicht korrekt, kann selbst die teuerste Beschichtung ein Beschlagen nicht verhindern. Deshalb: Probiert verschiedene Modelle, bevor ihr euch entscheidet! Die Suche lohnt sich, denn auch wenn selbst die teuerste Brille zwischendurch von Nebel und Dreck befreit werden muss, schützt sie doch eure Augen. Uns hat für diesen Zweck die 199 € teure Oakley Flak Jacket XLJ am besten gefallen. Mit gestochen scharfer Abbildungsqualität und unübertroffener Passform sichert sie sich den Testsieg. Den Kauftipp erhält die mit drei einfach austauschbaren Wechselscheiben ausgestattete Swiss Eye Novena für 89,90 €.
Text: Hannah Röther Fotos: Hanno Polomsky
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